Meyer Görlitz Trioplan 50 2.8 II Review von Dirk Säger
Dieser Artikel ist ein Review des Meyer Görlitz Trioplan 50 2.8 II F-Mount an verschiedenen digitalen Nikon F Kameras.
Meyer Görlitz und F-Mount sind weit vom Ursprung der Messsucherwelt entfernt. Dieses Objektiv ist zudem noch ein eher exotisches Stück. Vielleicht hat es gerade deshalb ein paar Zeilen und Bilder verdient.
Das Meyer Görlitz Trioplan 50 ist ein Objektiv auf der Basis des Cooke-Triplet und wurde vermutlich 1916 zum ersten Mal vorgestellt, damals hatte es die Blendenöffnung 2.9.
Produziert wurde es von Meyer-Optik Görlitz, dann VEB Feinoptisches Werk Görlitz und später vom VEB Pentacon. Es war eines der Standard – Objektive für die Ihagee Exakta/Varex und wurde mit diesem Bajonett und dem M42 sowie dem Altix angeboten.
Viele werden den Weg der Kamera-Industrie der DDR ab 1989 kennen. Sie verschwand in der Versenkung. Übrig blieben die Markennamen.
Im Jahr 2018 erwarb OPC Europe (Optical Precision Components) aus Bad Kreuznach die Markenrechte und Konstruktionen, seit 2021 wird in Bad Kreuznach und Hamburg produziert.
Im Herbst 2023 konnte ich nicht widerstehen und habe mir ein neues Trioplan 50 2.8 II mit Nikon F-Bajonett gekauft. Es hat die Seriennummer 00633.
Aufbau:
Die Brennweite ist 50mm. Die Blende läßt sich stufenlos! Von 2.8 bis 22 einstellen. Es hat 12 Blendenlamellen. Die Naheinstellgrenze beträgt 40cm. Der Filterdurchmesser ist 52mm und damit der gleiche wie bei den meisten alten, manuellen Nikkor-Objektiven der Ai und Ai-S Reihen.
Das Gehäuse ist aus Aluminium, schwarz eloxiert und wiegt je nach Anschluß zwischen 200 und 240g.
Stichwort Cooke-Triplet; es besitzt 3 Elemente.
OPC produziert es mit den gängigsten Objektivanschlüssen, inklusive Leica M-Mount. Bei diesem besteht leider keine Messsucherkopplung. Das war für mich der Grund, es mit Nikon F-Mount zu bestellen.
Hier geht es zur Übersicht beim Hersteller.
Lieferung:
Das Objektiv kommt in einer schicken Box, gut verpackt, mit den üblichen Deckeln. Das Ganze wirkt wertig, ist aus meiner Sicht für die Funktion hingegen irrelevant.
Eindruck:
Das Bajonett hat einen weißen Punkt (unter dem L), um es sicher an die korrekte Stelle zum Ansetzen an die Nikon zu bringen. Es liegt gut in der Hand. Alle Ringe lassen sich leicht und geschmeidig bewegen.
Die Frontlinse liegt weit innen im Gehäuse. Dieser Aufbau hilft bei der Vermeidung von Flares ungemein. Die konnte ich bisher nur an der D700 provozieren. Dort sind sie indes dem Infrarot-Umbau geschuldet. Außerdem liefert Meyer Görlitz eine anschraubbare Sonnenblende aus Metall, schwarz eloxiert, wie das Objektiv selbst.
Benutzung:
An den digitalen Nikon sollte man ein Objektivprofil anlegen, damit sich später per LensTagger die korrekten Daten zuordnen lassen.
Das Objektiv hat keine Kopplung zum Blendenmitnehmer der Nikon, wie ihn die manuellen Nikkore der Ai und Ai-S Reihe besitzen. Alle Blendenangaben in Lightroom sind demzufolge Phantasiewerte. Entweder merkt man sich die Blendeneinstellungen oder versucht, später zu raten.
Es gibt ebenso keine Springblende, mit der man offen fokussieren könnte und die beim Auslösen den voreingestellten Wert einnimmt. Das bedeutet konkret, daß der Sucher beim Abblenden dunkler wird. Das macht es bei bescheidenen Lichtverhältnissen nicht unbedingt anspruchslos.
Die Drehrichtung des Fokusringes ist entgegengesetzt zu der der Nikkore. Warum erwähne ich das? Die digitalen Nikon-Kameras haben unten rechts im Sucher eine Fokusanzeige; in etwa so >o< . An der Ausrichtung der Pfeile erkenne ich, in welche Richtung der Fokusring bewegt werden muß. Hier ist es demnach die andere Richtung als die angezeigte. Daran gewöhnte ich mich nach ein paar Monaten der Benutzung.
Schärfe:
Wie oben beschrieben, besteht das Objektiv aus drei Elementen. Bei der Konzeption 1916 hatte vermutlich niemand einen digitalen Sensor mit 45 oder gar 60 MP im Sinn.
Nein, weit offen ist es nicht scharf, nicht mal in der Mitte, vom Bildrand absolut zu schweigen. Ein Pixel-Peeper wird es in den Glasmüll werfen.
Abgeblendet auf f/4 wird es zentral deutlich besser. Der Rand bleibt unscharf. Weiteres Abblenden dehnt den scharfen Bereich zu den Rändern aus, bis die Beugung an der Blende keine Verbesserung zuläßt.
Vignette:
Hier sollte man eine deutliche Vignette erwarten und bekommt sie prompt geliefert. Sie verschwindet beim Abblenden nur langsam.
Farbabweichungen:
Insgesamt war ich überrascht, wie gering bzw. kaum sichtbar die Abweichungen in dem Bereich waren, in dem die Schärfe lag. Die verwendeten Glassorten, Güten und Beschichtungen (Coatings) dürften sich in den 100 Jahren seit der Erstproduktion grundlegend verändert haben.
Das gilt sicherlich für alle Objektive, die heute auf dem Markt sind und auch hochwertige Leica-Linsen zeigen in bestimmten Situationen „purple fringing“.
Bokeh:
Das ist ein Trioplan, nicht das legendäre Trioplan 100 f/2.8, aber ein Trioplan. Es kann weiches Bokeh und es kann das berühmte Bubble-Bokeh, oder Onion-Ring-Bokeh oder Seifenblasen-Bokeh.
Letztlich war das für mich der Grund, das Objektiv anzuschaffen.
Wer jetzt denkt, man setzt das einfach an die Kamera, zieht los und bekommt diese Bilder mit dem prägnanten Hintergrund, der irrt. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis mir die gewünschten Fotos gelungen sind.
Die Zutaten bestehen aus einem Motiv im Vordergrund und möglichst vielen, kleinen Lichtquellen im Hintergrund. Der Abstand zwischen vorn und hinten sollte mehrere Meter betragen. Das können Lämpchen einer Adventbeleuchtung oder Lücken zwischen Blättern sein, durch die das Licht scheint. Ich habe reichlich experimentiert, bis ich die ungefähren Bedingungen gelernt hatte.
Fehlen deutliche Lichtquellen im Hintergrund, bekommt man das verdrehte Bokeh. Höflich ausgedrückt liest man „Swirly-Bokeh“, böse Zungen nennen es „Pig-Vomit-Bokeh“.
Es gelingen auch Bilder mit einem ruhig wirkenden Hintergrund.
Vergleich mit dem Meyer Görlitz Primoplan 58:
Trioplan gegen Primoplan, das war die Idee im Garten beim Fotografieren der Krokusse. Ich habe ein historisches Primoplan 58 1.9 und das mußte gegen das neue Trioplan antreten. Der Vergleich ist sicherlich nicht fair und soll keinesfalls ein Besser-Schlechter darlegen. Die beiden Objektive sind schlicht anders, haben beide ihren speziellen Reiz und dazu einen gewaltigen Altersunterschied.
Das Seifenblasenbokeh können sie beide. Das alte Primoplan zeichnet weicher, verträumter als das neue Trioplan. Übrigens gibt es von ebendiesem Primoplan bei Meyer Görlitz Optik eine Neuauflage.
Flares:
Wie ich oben schon schrieb, ist es mir nicht gelungen, deutliche Flares zu erzeugen. Wenn man bedenkt, wie weit die Frontlinse seitlich abgedeckt ist, verwundert das nicht.
An der D700 entstehen fette Blendenflecke. Das ist die Folge der fehlenden Staub- und Blocking-Filter, sowie des eingebauten 630nm Filters. Aufgrund des Alters der Objektivkonstruktion hatte ich gehofft, daß es keinen Infrarot-Hotspot hat. Die Annahme war korrekt, wie man an den Bildern sehen kann.
Bildwirkung:
Landschaftsaufnahmen bekommen diesen speziellen, weichen, verträumten Look, mit deutlichem Schärfeabfall zum Rand, solange man nicht abblendet. Ab Blende 5.6 wird es für mich schwierig, die Bilder von anderen Objektiven zu unterscheiden. Dafür muß man die Ecken auf 100% vergrößern. Zu diesem Zweck ist das Teil wie auch immer nicht gemacht.
„Blümchenbilder“ im Frühling erscheinen mit dem soften Look anders als mit einem modernen Objektiv. Das gilt vor allem, wenn ein klassisches Bubble-Bokeh im Hintergrund entstanden ist. Eine solche Wirkung wird man mit einer modernen Linse schwerlich erzeugen können.
Bisher habe ich keine gescheiten Portraits fotografieren können, leider. Auch diese werden einen besonderen Look haben.
Modern gegen Alt:
Objektive, die auf eine Rechnung von 1916 zurückgehen, sind und müssen anders sein als moderne Modelle. Inzwischen sind mehr als 100 Jahre vergangen, in denen der Kenntnisstand der Konstrukteure, Glaschemiker und Werkzeugmacher riesige Fortschritte gemacht hat. Die Produkte der namhaften Hersteller erzeugen allesamt phantastisch scharfe Bilder mit, wenn überhaupt, minimalen Farbabweichungen.
Das darf man beim neuen Meyer Görlitz Trioplan 50 f/2.8 nicht erwarten, selbst wenn es äußerlich als modernes Objektiv erscheint.
Fazit:
Dieses Objektiv erhebt nicht den Anspruch ein perfektes, modernes, gar apochromatisches Schärfenwunder zu sein.
Wer das sucht, ist beim Meyer Görlitz Trioplan 50 f/2.8 II definitiv falsch.
Warum kauft man sich das neu? Einschlägige Internetseiten bieten viele Trioplan 100 an. Die Preise scheinen im Vergleich zu 2022/23 etwas zurückgegangen zu sein. Aufgerufen werden Summen zwischen 200 und 350 € für ein altes Objektiv mit M42, Exakta oder Altix Bajonett. Das Trioplan 50 f/2.9 liegt etwas darunter.
Dagegen wird niemand eines mit einem Nikon F, Canon EF, Leica L, Sony E, Nikon Z oder Fuji X Bajonett finden, weil es das damals nicht gab. An dieser Stelle hilft OPC weiter.
OPC sieht offenkundig einen Markt in diesem Bereich. Der rasante Preisanstieg bei Vintage-Objektiven über die vergangenen Jahre mag diese spezielle Geschäftsidee beflügelt haben. Ich freue mich, wenn ein historischer Name wie Meyer Görlitz Optik auf dem Markt erhalten bleibt. Den Wettstreit der längst verschwundenen Kamerahersteller wie Ihagee, Carl Zeiss, Voigtländer, Rollei kenne ich nur aus Geschichtsbüchern.
Das Objektiv kann aufgrund seiner Konstruktion einen außergewöhnlichen Bildlook erzeugen. Experten und Spezialisten mögen Derartiges mittels Photoshop erreichen können. Ich will und kann es nicht.
Köstlich sind die vernichtenden Kritiken in einschlägigen Foren. Aber hey, es gibt Fotografen, die sich ein neues Leica Thambar-M für € 5950, -kaufen.
Über das Meyer Görlitz Trioplan 50 f/2.8 II findet sich sonst im Internet nicht viel und wenn nicht auf Deutsch, weshalb ich diesen kleinen Aufsatz dazu geschrieben habe, der auf der Messsucherwelt und auf unserer Seite veröffentlich ist.
Hallo Dirk!
Ich sage mir immer wieder: Ich brauche definitiv kein weiteres 50mm Vintage Objektiv in meiner Sammlung. Dann kommt so ein Artikel und irgendwie juckt es dann doch in den Fingern. Der Preis für ein „neu Objektiv“ ist attraktiv, vor allem ist der Preis unabhängig vom Mount. Egal ob M oder L Mount, der Preis ist identisch. Bei Leica würde man die Objektivfehler übrigens als einzigartigen Charakter für teuer Geld verkaufen. Vielen Dank für die Vorstellung, ein paar Bilder durfte ich ja vorab schon sehen. Das Bokeh ist in der Tat speziell, aber gerade das macht ja dieses Objektiv aus. Pig Vomit finde sich schon hart, eher optischer Pointillismus.
Na ja, vielleicht kommt ja der Osterhase mit einem Objektiv über den Rhein gehoppel ?
Grüße
Andy
Hallo Andy,
Du solltest dem Osterhasen vielleicht sagen, daß Du den L-Mount bevorzugst. Aus meiner Sicht macht ein M-Mount keinen Sinn, wenn es keine Kopplung an den Meßsucher gibt.
„Pig Vomit“ habe ich geklaut bei leicalensesfornormalpeople.com, wobei der Seiteninhaber krasse Fotos mit Swirly Bokeh gezeigt hat. Das hättest du nicht mal im Simulator bei einem Flat Spin nach 2 Flaschen Rotwein.
Die Ähnlichkeiten des Trioplan mit dem Primoplan sind unverkennbar und auch das gibt es neu. Angesichts der aufgerufenen Preise scheint es mir reizvoll, neue Exemplare zu erwerben. Bei einem alten weiß man letztlich nie, wie es innen aussieht.
Liebe Grüße
Dirk
Kurze Ergänzung noch…Momentan gibt es bei Optik Meyer Görlitz eine Angebotsaktion für das 50mm Trioplan. Für attraktive 599€ ist es zu haben.
Die M Mount Variante es deshalb attraktiv, weil diese sich mit Adapter am L Mount betreiben lässt und gleichzeitig an der digitalen M über Live View. Analog wird es natürlich schwieriger aber ein geschultes Auge oder etwas abblenden könnte helfen.
Grüße
Hallo Herr Huser,
freut mich, daß Ihnen der Bericht gefallen hat. Ich denke, daß Meyer Görlitz Optik einige Verlockende Angebote im Portfolio hat, leider …
Viele Grüße
Dirk
Hallo Herr Saeger. Schöner Bericht. Danke! Mein Zeigfinger juckt…. GAS pur….