Was man nicht so alles hört über die Leica M5. „Keine echte M-Kamera“, „hässlicher Brocken“, „Leicas größter Fehler“, „Ziegelstein“ – das sind nur einige der gängigen Zuschreibungen. Auch ich habe diese Kamera sehr lange geflissentlich übersehen. Doch dann stieß ich auf ein Exemplar, das mir irgendwie zuflüsterte: „Gib mir eine Chance.“

Die Leica M5 war zugleich der Nachfolger der M4 wie auch der Vorgänger der M4 (hier ein lesenswerter Artikel von Mike Evans aus dem Macfilos-Archiv sowie hier ein sehr ausgezeichneter historischer Kurz-Abriss über die analogen Ms von Claus Sassenberg). Klingt seltsam, sicher, aber die M5 hat tatsächlich einen einzigartigen Platz in der wechselvollen Geschichte von Leica. Denn sie ist die Kamera, mit der Leica aus heutiger Sicht zu viel gewagt hat, um dann anschließend nur mit großer Mühe wieder Tritt zu fassen – diesmal dann auf den ausgetretenen Pfaden. 

Produktfoto zeigt Leica M5, analoge Messsucherkamera (1971-1975)
War dies der größte Fehler von Leica? Kommerziell war die Leica M5 sicher kein Erfolg. Historisch gesehen ist sie eine äußerst interessante Kamera. Ach ja, und prima fotografieren kann man mit ihr auch…

In gewisser Weise war diese Kamera von 1971 deutlich zu innovativ – was mindestens genauso viel über Leica selbst aussagt wie über die Kunden der Marke, auch damals schon. Und die M5 weist in meinen Augen eine faszinierende Parallele auf zur M9, die kürzlich in Claus Sassenbergs exzellentem Bericht über die erste Vollformat-Messsucherkamera von Leica (und der Welt) ihre verdiente Würdigung fand: Während die M5 die Kamera war, die das Unternehmen fast umbrachte, war die M9 die Kamera, die Leica rettete.

Eine kurze Geschichte der Leica M5

Das Leica M-System war gleich nach der Einführung der Leica M3 im Jahr 1954 ein großer Erfolg. Ja, die epochale M3 wird dieses Jahr 70 Jahre alt, und ich wundere mich immer noch, warum Leica bisher so wenig Aktivitäten für eine anständige Geburtstagsfeier an den Tag gelegt hat. Na ja, kann ja noch werden. 

Nach der M3 jedenfalls kam die M2 (1958). Sie brachte einen Sucher mit weiterem Bildfeld mit, was die Verwendung von 35-mm-Objektiven ohne zusätzliches Zubehör ermöglichte. 1959 folgte die M1, ein abgespecktes Modell ohne Entfernungsmesser, bei dem man die Distanz schätzen musste. In schick heißt das jetzt ja zone focussing.

Die M4, die 1967 auf den Markt kam, brachte einige Neuerungen, vor allem eine deutliche Verbesserung beim Einlegen und Rückspulen des Films. Aber im Wesentlichen war sie 1971 immer noch so ziemlich die Kamera, die Leica 17 Jahre zuvor auf den Markt gebracht hatte. Was für ein langsamer Innovationszyklus – und es ging auch. Das waren noch Zeiten…

Produktfoto zeigt Leica M5, analoge Messsucherkamera (1971-1975)
Die letzte aus Wetzlar für Jahrzehnte: Die M4 wurde in Leica-Stadt gefertigt, die M5 ebenfalls, die folgenden Modelle dann ab etwa 1975 in Kanada und Solms. Die M kam erst 2013 mit den letzten M7 nach Hause und dann die MP, M-A, M6neu.

1971 war die Leica M5 nicht gerade ein Innovationskracher

Doch in der Zwischenzeit hatte sich auf dem Kameramarkt nicht weniger als eine Revolution vollzogen. Als die M3 herauskam, war die Messsucherkamera Standard beim Kleinbild. Doch spätestens Anfang der 1970er Jahre war die Spiegelreflexkamera zum dominierenden Kameratyp geworden. Und die Innovationen kamen schnell. Belichtungsmessung durch das Objektiv, helle Mattscheiben, Mikroprismen und Teilschnittbildindikator als Fokussierhilfen, Miniaturisierung von Mechanik und Elektronik, modulare Konzepte mit austauschbaren Rückteilen, Motorantrieben und teilweise sogar Wechselsuchern waren das, was Berufsfotografen und anspruchsvolle Amateure haben wollten. Und fast alle Hersteller hatten darauf reagiert, gaben ihre Messsuchersysteme auf und verlegten sich auf die Spiegelreflex.

Produktfoto zeigt Leica M5, analoge Messsucherkamera (1971-1975)
Das Design der 1970er Jahre: Ja, die Leica M5 sieht anders aus. Aber sie hat Charakter, würde ich sagen.

Leica ohne Messsucherkamera in der Produktpalette?

Für Leica war die Messsucherkamera jedoch Teil der Marken-DNA. Und man hatte offensichtlich das Bedürfnis, auf genau diesem Gebiet etwas Neues zu präsentieren. Das Ergebnis war die Leica M5, die als Basis für eine zweite Generation der Leica M-Messsucherkameras geplant war. Sie war bemerkenswert groß. Dem Zeitgeist entsprechend setzte das Design auf Ecken und Kanten statt auf die klassischen Leica-Rundungen. Aber die Leica M5 verfügte zum ersten Mal in einer Leica-M-Messsucherkamera über eine integrierte Belichtungsmessung durch das Objektiv! Allein dadurch konnte Leica den Rückstand auf die SLR-Konkurrenz beträchtlich verringern. Zumindest könnte man das meinen.

Produktfoto zeigt Leica M5, analoge Messsucherkamera (1971-1975), und Vorgängermodell M4
Größenunterschied: Ja, die M5 ist größer und voluminöser als ihr Vorgänger, die M4.

Nicht alle Kunden mochten die Leica M5

Aber die Kunden wussten leider nicht zu schätzen, was Leica ihnen verkaufen wollte. Es hagelte negative Kommentare. Von der anfänglichen (und bald korrigierten) Entscheidung, die beiden Riemenösen an einer Seite anzubringen, um die Kamera im Hochformat zu tragen, bis hin zur Ästhetik – an der Leica M5 gab es viel zu kritteln. Die hervorragende Verarbeitungsqualität, die recht ausgeklügelte Belichtungsmessung inklusive Anzeige der gewählten Verschlusszeit im Sucher (!) und andere Features konnten die vermeintlichen Schwächen nicht wettmachen. Jedenfalls nicht in den Augen vieler damaliger Kunden.

Wie die Leica M5 fast für einen dramatischen Schlussstrich sorgte

1975 sah Leica keine Perspektive mehr für die M5 und das M-System im Allgemeinen. Das wirtschaftliche Desaster war so groß, dass das Unternehmen das Messsuchersystem ganz aufgeben wollte. Was dann geschah, ist legendär: Das Leica-Werk im kanadischen Midland, besorgt um den zukünftigen Markt für die dort gefertigten M-Objektive, überzeugte Wetzlar, die Produktionsanlagen nach Ontario zu verlegen. Und nach einigen Kostensenkungen kam die M4-2 zurück und war ein ziemlicher Erfolg. Dann kam die M4-P mit den neuen 28- und 75-mm-Sucherrahmen und schließlich der Longseller M6. 

Produktfoto zeigt Leica M5, analoge Messsucherkamera (1971-1975), mit Vorgängermodell M4 und Nachfolgemodell M4-2
Vor der M5 kam die M4 (links), und nach der M5 kam auch die M4 (etwas abgespeckt und jetzt als M4-2 bezeichnet, rechts). Und die M5 in der Mitte blieb ein Außenseiter.

Alles in allem: Was für ein Drama um eine einzige Kamera (die Leica M5) und einen einzigen Mann (Walter Kluck, der Chef der Leica-Canada-Fabrik und damit der Mann, der das M-System gewissermaßen gerettet hat – da gibt es durchaus Parallelen zu Andreas Kaufmann). Man könnte sogar sagen, dass sich in der M5 und dem, was um diese eine Kamera herum passierte, die gesamte – manchmal glorreiche und manchmal tragische – Geschichte von Leica widerspiegelt. Das allein gibt der Leica M5 in meinen Augen einen besonderen Platz in der Geschichte der Fotografie und der Fototechnik. 

Produktfoto zeigt Leica M5, analoge Messsucherkamera (1971-1975), und Leica CL analog
Leicas Ansatz der frühen 1970er Jahre: Die Leica CL sollte Amateure ansprechen, die Leica M5 war das Modell für Berufsfotografen. Leider konnte keine von beiden die im Kern konservative Zielgruppe der Leica-M-Kunden überzeugen.

Im praktischen Einsatz: Fotografieren mit einer Leica M5

Mit der Leica M5 habe ich nicht so viel Erfahrung wie mit manchen anderen analogen Leica M-Modellen. Ich habe erst ein paar 36er Filme mit ihr belichtet, aber vielleicht sorgt genau das für einen frischen, vorurteilsfreien Blick auf diese Kamera. Was ich aber gleich mal sagen kann: Mit der Leica M5 werden sich sofort alle vertraut fühlen, die je eine analoge M benutzt haben. Der unterschiedliche Formfaktor des Gehäuses macht in der Praxis weniger aus, als man vielleicht denkt.

Umgang mit der Leica M5: Einige wissenswerte Dinge

Das Filmeinlegen ist ähnlich wie bei den Modellen M4 und M6, mithin also deutlich einfacher als bei M3/2/1 oder gar Schraubleicas. Die Rückspulkurbel befindet sich jedoch an der Unterseite, wie man es von der Rollei35 oder der (neuen) Zeiss Ikon kennt. Unbedingt sollte man darauf achten, die Kurbel in die angegebene Richtung zu drehen, sonst ist der Film ruiniert – ich weiß, wovon ich spreche

Produktfoto zeigt Leica M5, analoge Messsucherkamera (1971-1975)
Bei der M5 muss man den Film „andersherum“ zurückspulen. Einfach den Pfeil beachten auf der Kurbel, die wiederum Teil der abnehmbaren Grundplatte ist.

Das Ansetzen des Objektivs und die Verwendung des Suchers ist exakt wie bei der M4, wobei automatisch vier verschiedene Rahmenlinien erscheinen – für 50 mm (einzeln), 90 mm (einzeln) sowie 35/135 mm (kombiniert). Die 28-mm- und 75-mm-Rahmenlinien kamen erst später mit der M4-P (1981) hinzu, der 1984 dann ja rasch die M6 folgte. An die Leica M5 passen fast alle jemals hergestellten Leica M-Bajonett-Optiken. Lediglich einige frühe 21mm- und 28mm-Objektive ragen zu weit in die Kamera hinein und verursachen Konflikte mit dem Belichtungsmessmechanismus.

Wahnsinn! Verschlusszeit im Sucher

Der wichtigste Unterschied ist natürlich die Einstellung der Belichtungszeit. Zu diesem Zweck hat Leica etwas Neues und sehr Cleveres ausprobiert. Der Benutzer wählt einen Wert zwischen 1s und 1/1000s mit einer Scheibe, die über den Rand der Deckkappe hinausragt. Bei dem von mir verwendeten Exemplar hatte sie gerade so viel Widerstand, dass sie leicht mit dem Zeigefinger bedient werden kann und trotzdem klare Rückmeldung gibt. Und: Der gewählte Wert wird in den Sucher eingespiegelt! Das kann ich gar nicht genug loben, und ich kann nicht verstehen, warum zeitgenössische Leica M5-Benutzer offensichtlich nicht genug Applaus für dieses Feature gespendet haben. Immerhin sollte es bis zum M7 dauern, bis Leica-Nutzer wieder in so einen Genuss kamen.

Produktfoto zeigt Leica M5, analoge Messsucherkamera (1971-1975)
Ein markantes Rad dient zur Einstellung der Verschlusszeit. Es ist einfach mit dem rechten Zeigefinger zu bedienen.

Eingebauter Belichtungsmesser …

Die Leica M5 war also die erste Leica-Messsucherkamera, die keinen externen Belichtungsmesser brauchte. Die Messung durchs Objektiv funktioniert mit einem Cadmiumsulfid-Element. Die Konstruktion ist etwas sonderbar, wenn man bedenkt, was die Konkurrenz in den späten 60er Jahren produzieren und entwickeln konnte! Laut Anleitung der Leica M5 gibt es Probleme, wenn man im Hochformat fotografiert. Mir ist das allerdings nicht untergekommen. Im Gegenteil, mir schien die Belichtungsmessung zuverlässig und präzise. Und man kann im Sucher dank der Messnadel nicht nur sehen, ob die Belichtung „perfekt“ ist, sondern mit etwas Erfahrung auch den Grad der (gegebenenfalls ja gewünschten) Abweichung erkennen. 

Die Rahmenlinien sind vertraut, aber die Belichtungsanzeige im Sucher der M5 ist einzigartig. Wenn die Nadeln übereinstimmen, ist alles in Ordnung. Die gewählte Verschlusszeit wird im Fenster gespiegelt, hier 1/15 Sek.

… mit einem kleinen Problem

Das einzige Problem ist das der PX625-Batterien. Diese 1,35-Volt-Batterien werden schon seit Jahren nicht mehr hergestellt, weil sie auf Quecksilberbasis beruhten, und das ist ökologisch und gesundheitlich bedenklich. Trotzdem ist es ein Jammer, zumals es auch viele andere Foto-Klassiker betrifft wie die Olympus OM-1 oder die Canon F-1 oder den Gossen Lunasix Pro Belichtungsmesser. Es gibt 1,5V-Batterien mit den gleichen Abmessungen, so dass man die Leica M5 grundsätzlich auf die höhere Spannung einstellen lassen könnte. Oder man kauft eben die teuren und dann auch noch recht kurzlebigen WeinCell-Zink-Luft-Batterien. Ich habe mich für diese Option entschieden, und alles hat gut funktioniert.

Alles in allem macht die Leica M5 in der Benutzung echt Spaß. Viel mehr, als ich erwartet hatte. Besonders gut hat mir gefallen, dass die Belichtungszeit im Sucher sichtbar ist. Und: Diese Kamera strahlt eine sensationelle Qualität aus, wie sie so schwer in der Hand liegt. Für mich taugen die etwas kleineren Abmessungen der anderen M-Kameras noch besser, aber wer große Hände hat, fährt mit der M5 vielleicht sogar besser. Und ganz persönlich vermisse ich schon auch die 28-mm-Rahmenlinien, aber ich weiß, dass viele andere Leica M-Nutzer sie kaum nutzen. Das liegt vor allem daran, dass sie in der Tat sehr nah an den Rändern des Standardsuchers mit seiner 0,72-fachen Vergrößerung liegen.

Ein paar Gedanken zum Kauf einer Leica M5

Leica M5-Exemplare sind auf dem Gebrauchtmarkt ziemlich leicht zu finden, aber angesichts ihrer relativen Seltenheit (laut Leica Taschenbuch, 9. Auflage wurden nur etwa 33.900 Stück hergestellt) und ihrer wachsenden Fangemeinde sind sie wahrlich nicht mehr billig. Frisch überholte M5en können 1500 Euro und mehr kosten – das ist sicher beträchtlich weniger als eine gute M6, billiger als eine sehr ordentliche M4 ist eine M5 meist auch nicht mehr. Man sollte es sich also schon gut überlegen.

Ersatzteile für die Leica M5 – ein Kapitel für sich

Zunächst einmal sollten sich Interessenten darüber im Klaren sein, dass sie eine etwas exotische Kamera kaufen. Ich habe bisher nicht von Problemen bei Ersatzteilversorgung gehört, aber es würde mich nicht wundern, wenn sie eher früher als später auftreten. Es besteht also ein gewisses Risiko. Wer auf Nummer sicher geht, entscheidet sich für ein Exemplar mit frischem CLA (clean, lubricate, adjust, also ein umfangreicherer Kundendienst) vom Fachmann. Ansonsten gelten die üblichen Tipps: auf die Verschlusszeiten achten, auch mit dem Gehör; Verschlussvorhang auf Brandflecken, Löcher, Pilzbefall und all die anderen unangenehmen Dinge überprüfen; Belederung genau ansehen. Der Sucher sollte frei von Trübungen sein, und alle beweglichen Teile sollten in gutem Zustand sein.

Produktfoto zeigt Leica M5, analoge Messsucherkamera (1971-1975)
Es lohnt sich zu prüfen, ob die mechanischen Teile in gutem Zustand sind, bevor die Kaufentscheidung für eine Leica M5 fällt.

28er- oder 75er-Fans können die Leica M5 eigentlich vergessen

Die andere Frage ist, wo und wie man die Kamera einsetzen möchte. Die Leica M5 ist deutlich schwerer als zum Beispiel die M6 (645 g gegenüber 575 g). Und sie braucht ein bisschen mehr Platz in der Tasche. Und wenn 28 mm und 75 mm jene Brennweiten sind, man besonders liebt (für mich ist 28/75 einfach eine großartige Reise-Kombi), könnte die M5 einfach die falsche Kamera sein. Wenn jedoch Größe und Gewicht weniger wichtig sind und man zu den 35/50/90-mm-Fotografen gehört, könnte sie sich als Glücksgriff erweisen. Ich habe sie mit dem (sehr unterschätzten) 90-mm-Tele-Elmarit (Version II) verwendet, das sowohl historisch als auch im Outcome zu der Kamera gut passt. 

Produktfoto zeigt Leica M5, analoge Messsucherkamera (1971-1975), mit Summarit 35 und Tele-Elmarit 90
Ein tolles Kit: Leica M5, ein 35mm-Objektiv (hier das kleine und recht neue Summarit 35) und eines der vielen guten 90er von Leica (hier ein zeitgenössisches Tele-Elmar 90/2.8 Version II).

Ich würde auf jeden Fall empfehlen, eine solche Kamera bei einem seriösen Händler zu kaufen. Dachbodenfunde sind oft kein Schnäppchen, weil man erst nach dem ersten Film sieht, was an der Kamera eben doch gemacht werden muss. Ein guter Händler hingegen bietet ein 14-tägiges Rückgaberecht oder sogar eine längere Garantie. So ist genug Zeit, die Kamera auszuprobieren. Ich bin bisher immer ganz gut gefahren, mir den Stress zu ersparen, indem ich nicht nur auf den Preis, sondern auch auf den Anbieter recht genau geschaut habe. 

Zu guter Letzt: Ist die Leica M5 unterschätzt?

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Welche Bedeutung hat diese Kamera, die Hamish Gill bei 35mmc als „odd one out“ bezeichnet? Ist die Leica M5 besser als allgemein angenommen? Nach meiner ersten Begegnung würde ich sagen: Ja. Sie hat ein paar einzigartige technische Eigenschaften. Zum Beispiel zeigt sie die gewählte Verschlusszeit im Sucher an. Sie hat eine TTL-Belichtungsmessung. Und sie fühlt sich (wenn das überhaupt möglich ist) noch stabiler an als frühere oder spätere Leica M-Kameras. Letzten Endes kommt es also darauf an, ob man Größe, Gewicht und Design mag. 

Die Japaner machten alles kleiner und leichter, die Leica wurde größer und schwerer

Und hier wird auch klar, warum viele zeitgenössische Kommentatoren so enttäuscht waren, als die Leica M5 1971 auf den Markt kam. In einer Zeit, in der japanische Hersteller immer kleinere und elegantere Kameragehäuse herausbrachten, wirkte die Leica M5 groß, schwer und klobig. Es ist gut möglich, dass selbst im Inneren von Leica nicht jeder an diese Kamera und das Messsucherkonzept im Allgemeinen glaubte, und möglicherweise wurde der M5 auch das nötige Marketing verweigert (das kennen wir von Leica, nicht wahr?).

Der Leica M5 mag es an Eleganz fehlen, aber…

Und ist die Leica M5 das hässliche Entlein in der Kamerareihe? Sie sieht anders aus als alle anderen M-Kameras, sicher. Ihr fehlt die Eleganz des Designs einer Rollei 35 (1966) oder einer Olympus OM-1 (1972, nur ein Jahr nach der Leica M5 auf der photokina in Köln vorgestellt, zunächst unter dem Namen M-1, was Leica sehr, sehr missfiel). In Bezug auf die Ästhetik war sie eine Sackgasse. Aber ist sie hässlich? Je länger ich die Leica M5 benutzte, desto seltener dachte ich darüber nach. Und je länger ich sie benutzte, desto mehr mochte ich diese Kamera als zuverlässiges, benutzerfreundliches Werkzeug. Aber wie immer gilt: Über Geschmack lässt sich nicht streiten.

Produktfoto zeigt Leica M5, analoge Messsucherkamera (1971-1975)
Gib mir eine Chance, sagt die Leica M5, spendiere mir einen Schwarzweißfilm, der Gelbfilter ist schon drauf, und hör nicht auf das, was die Leute über mich sagen.
Urbane Grafik. Leica M5, Voigtländer Ultron 35, Kodak ProImage 100.

8 Kommentare

  1. Ich habe u.a.eine M5 (neben M6 und MA) und sie gefällt mir. Sie liegt ruhig in der Hand, hat die bereits genannten Vorzüge. Die Falle ist, sie zu vergleichen,ihr ästhetisches eigenleben nicht gelten zu lassen. Verabschiedet sich mal einfach von einer M4 oder M6 und lässt der M5 ihr eigenes ästhetisches Dasein, dann wird man sie sehr schnell mögen.
    Grüße aus Düsseldorf
    Joachim Storch

  2. Hallo Jörg-Peter,
    vielleicht sind die CL und die M5 deswegen ein Exot weil sie einen Belichtungsmesser haben, der auch heute noch hervorragend funktioniert. Beide Kameras waren ihrer Zeit voraus und ich stelle mir immer wieder die Frage, was passiert wäre, wenn die Miniaturisierung damals schon in die Elektronik Einzug erhalten hätte wie in den 1990Jahren. Dann wär die M5 kleiner gewesen und erfolgreicher?

  3. Frederic Di Natale

    Hallo Jörg-Peter
    Der interessante Artikel hat mich sehr angesprochen, das liegt sich daran, dass ich beide Kameras Leica M5 und Leica CL habe und weiterhin viel verwende. Ich gebe zu ich habe eine Schwäche für exotische Kameras. Die Kamerabedienung (Zeitrad) hat mich von Beginn weg bei beiden Kameras überzeugt, sowie auch die Tragösen. Es bequemer die Kamera andersrum zu tragen. Zu den weiteren Exoten gehört auch die Leica M8. Alle Kameras schätze ich neben der Leica M11-P sehr.
    Grüsse Fredi weiterhin viel Spass mit der M5.

    • Jörg-Peter Rau

      Salut Fredi, vielen Dank für die nette Rückmeldung. Exotische Kameras sind in der Tat faszinierend. Wobei man bei M5 und CL auch mal fragen darf, warum die eigentlich als exotisch eingestuft werden. Viel Spaß mit den schönen Kameras! Grüße, Jörg-Peter

  4. Wieland Hoppen

    Hallo Jörg-Peter,
    vielen Dank für den interessanten Rückblick. Zweifelsfrei ist die M 5 eine sehr gute Kamera.
    Ich wollte mir seinerzeit die M 5 kaufen, aber als ich sie in die Hand nahm, sprang der Funke nicht über. Mit den falsch angebrachten Ösen für den Trageriemen begann es – unverständlich. Zu klobig… Die Haptik stimmte nicht… Nicht das, was ich erwartete… Enttäuschung. Ich ging unverrichteter Dinge. Dann kaufte ich mir eine M 4 P, sie in die Hand nehmen, genauso wie später die M 10, M 11, da ist’s. Haptik! Liebe ist schließlich Gefühlssache. Ein Produkt ist mehr als nur Technik. Deshalb habe ich mir auch nie einen VW Phaeton gekauft – gut, aber nicht sexy. Sorry. Manche Ingenieure – wie seinerzeit Piech bei VW – verkannten das. Sicherlich war die M 5 fraglos besser als meine M 4 P mit dem fummeligen Leicameter. Aber wenn ich sie in der Hand habe, will ich sie nicht mehr weg legen. Auch wenn ich jetzt nur noch mit der M 11 fotografiere, hat die M 4 P ihren Ehrenplatz. Ich möchte sie nicht missen. Nach unendlich vielen Abenteuern auf verschiedenen Kontinenten. Unendliche Staubmengen auf den Strassen in der Atacama-Wüste, aber mit ihrem glasklaren, elektrisch-blauem Himmel ist es einer meiner Lieblingsorte. Ein anderes Mal überraschte mich ein Unwetter mit sintflutartigem Regen auf einem offenen Boot auf dem Amazonas – nirgendwo Schutz. Zurück im Hotel ging ich mit der Leica in den Kleiderschrank, improvisierte die Dunkelkammer. Öffnete sie – Wasser tropfte heraus. Der Kodachrome hat mir – im Gegensatz zur Leica – die Wässerung verübelt. Zuhause, damals in Südamerika, habe ich die Kamera vorsichtig in einem trockenen Raum lange offen stehen gelassen und nach einer Weile wieder in Betrieb genommen. Kein Problem, sie funktionierte weiterhin tadellos! Kein Service erforderlich… Das ist die Leica! Die gelungene Synthese aus Land-Rover und Porsche 911. Genial. Dies zu erhalten ist die Aufgabe des Managements. Nicht trivial.
    Aber das ist der Markenkern. Das liebe ich seit 40 Jahren – und fühle es, wenn ich heute die M 11 in die Hand nehme, das Jahrhundertdesign. Einmalig, phantastisch! Sorry M 5.
    Herzliche Grüße
    Wieland

    • Jörg-Peter Rau

      Hallo Wieland, vielen Dank für das Teilen Deiner tollen Erlebnisse und Erinnerungen. Kann ich alles, wenngleich manches nur neidvoll, gut nachvollziehen. Eine Leica kann einen über lange Etappen begleiten. Und das hat ganz sicher auch zu ihrem Nimbus beigetragen. Dazu ein bis heute mustergültiges Design (nur wenige Kameras spielen in der Liga, vielleicht die Rollei 35, die OM-1 und einige andere), das ist schon was Besonderes. Und wem die M5 nicht liegt – ich kann es verstehen. Ein bisschen weniger als zwar, aber klar, die anderen Ms sind schon noch attraktiver. Viel Spaß mit Deinen Kameras und gönn der M4P (und Dir selbst) mal wieder einen Film … Grüße Jörg-Peter

  5. Jörg-Peter Rau

    Hallo Holger, vielen Dank für die nette Rückmeldung. Ja, die M5 und die CL waren auf eine Weise ein sehr ungleiches, aber darin spannendes Paar. In Sachen Ergonomie finde ich beide bis heute sehr überzeugend. Warum niemand das Zeiteneinstellrad der M5 übernommen hat, wundert mich wirklich. Besser hat das eigentlich nur Olympus gelegt, wo die Zeiten mit einem Ring direkt am Bajonett eingestellt wurden. Das hatte meine erste Kamera, eine OM-1. Habe mich immer gewundert, warum alle anderen immer so ungeschickt auf der Schulter der Kamera rumgemacht haben… Grüße und gönn Deiner CL mal wieder einen Film, Jörg-Peter

  6. Holger Bohnensack

    Hallo Jörg-Peter,
    danke für den interessanten Artikel. Ich kann mich noch gut erinnern als Anfang der 70er Jahre bei unserem örtlichen Photo-Händler die neue Leica M5 und die Leica CL nebeneinander im Fenster standen. Ich war noch Schüler und konnte mir kein Produkt von Leitz Wetzlar leisten. Die kleine Leica CL hat mir damals in der Nase gekitzelt. Die M5 war noch teurer und unproportioniert.
    Das must have ist bei mir für die M5 nie rübergekommen. Mehrere Ms u.a. M3 habe ich. Eine analoge Leica CL ist auch in meiner Vitrine. Kompakt, qualitativ gut gemacht, technisch interessant mit dem vertikal laufenden Verschluss und der schwenkenden CDS-Messzelle. Ich mag sie immer noch.
    Viele Grüße Holger

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert