Mit einer historischen und einer aktuellen Kamera auf Reisen gehen? Macht Spaß. Nach dem Experiment mit einer über 50 Jahre alten Rollei 35 und einer neuen Ricoh GR IIIx habe ich mich zuletzt für (das) OM System entschieden. Meine Begleiter in Italien waren eine OM-4 aus den 1980er Jahren und die aktuelle digitale OM-5. Und wie war das so?

Äpfel mit Birnen vergleichen: Das hat bei meiner Reise nach Süditalien im Jahr 2022 tatsächlich gut funktioniert. Als ich nun in ähnliche Richtung unterwegs war, lag es nahe, nochmals ein solches Experiment zu machen. Und wieder einmal war eine Kamera mit hohem emotionalem Wert die (technische) Reisebegleitung der Wahl. Nach der Rollei 35 meiner Mutter aus den späten 1960er Jahren nahm ich dieses Mal die Olympus OM-4 Ti meines verstorbenen Vaters mit an so interessante Orte wie Neapel, Pompeji, Capri und Florenz. Das moderne Gegenstück dazu musste natürlich die spiegellose OM-5 Micro Four Thirds-Systemkamera sein, die nach dem Rückzug von Olympus aus dem Fotomarkt nun unter der Marke OM System geführt wird.

Produktfoto zeigt OM System OM-5 DSLM und Olympus OM-4 Ti.
Mitte der 1990er Jahre trifft auf 2020er Jahre, und aus Olympus wurde OM System. Aber ansonsten ist die Familienähnlichkeit zwischen der OM-4 Ti und der OM-5 kaum zu übersehen.

OM-System, damals in den 80ern…

Old School versus Modern, das war so die Idee. Das OM-4 aus den späten 80ern mit dem Zuiko 1.8/50 habe ich um die Zuikos 2.8/24 und 2.8/135 ergänzt – eine sinnvolle Kombination, wie sie mich in genau dieser oder ähnlicher Form auf vielen Reisen in den 1990er Jahren begleitet hat. Man hat im Grunde alles, was man braucht – ein echtes Weitwinkel, ein lichtstarkes Normalobjektiv und ein kompaktes Tele. Als ich die Zuikos aus den 80er Jahren wieder in den Händen hielt, war ich von der Verarbeitungsqualität dieser Objektive erneut begeistert: Fast wie bei Leica, dachte ich mir insgeheim. Und vom Design her echt gelungen. Über die ästhetischen Qualitäten der klassischen Olympus-Kameras und -Objektive habe ich schon mal hier auf in der Messsucherwelt geschrieben. Übrigens: OM-System war übrigens schon damals der Name des Olympus-SLR-Programms.

Produktfoto zeigt OM System Olympus OM-4 Ti, mit Objektiven
Bewährte Reisebegleitung: Olympus OM-4 Ti mit drei Zuiko-Objektiven: 2.8/24, 1.8/50 und 2.8/135.

…und OM System im Digitalzeitalter

Das moderne Gegenstück war die OM-5. Äußerlich hat die Kamera etwa die gleiche Größe wie die OM-4, aber der Sensor hat natürlich nur die Hälfte der Fläche der „Vollformat“-Analogkamera. Die OM-5 ist aber gleichwohl eine sehr kompakte Kamera, wenn man bedenkt, was sie zu bieten hat. Das Gleiche gilt für das 12-100-Zoomobjektiv (entspricht 24-200 bei Vollformat). Es hat eine feste Ausgangsöffnung von f/4, einen eingebauten Bildstabilisator (er verbessert sehr effektiv den Bildstabilisator im Gehäuse) und einen clever gelöste AF/MF-Umschaltung direkt am Entfernungsring. Die Optik ist Teil der Pro-Linie von OM System, und das zu Recht. Man sollte das 12-100 nicht mit einem billigen Megazoom-Kit-Objektiv verwechseln.

Produktfoto zeigt OM System OM-5 DSLM
Alles in einem: OM-System OM-5 MFT-Systemkamera mit dem hervorragenden 12-100/4-Zoom.

Und so machten wir uns wieder einmal auf den Weg, meine Mutter und ich. Meine gesamte Fotoausrüstung hatte ich im Bodenfach des Mindshift Gear Panorama 22L-Rucksacks verstaut. Das hat den Vorteil, dass im oberen Fach noch viel Platz für alles andere ist, was man für einen ganzen Tag unterwegs braucht (zumindest wenn man nicht ins Hochgebirge geht). Ich habe diesen Rucksack schon seit vielen Jahren und bin immer noch begeistert. Er wurde seither etwas modifiziert und wird jetzt unter dem Label Think Tank mit einem neuen Namen verkauft.

Mein persönliches OM-System, gut verpackt

Angesichts des Ziels unserer Reise – wir verbrachten fast eine Woche im Zentrum von Neapel – war es mir wichtig, für meine Ausrüstung  ein möglichst unauffälliges Gepäckstück zu benutzen. Meine Rucksack-Version hat praktischerweise noch eine sehr gewöhnliche blaue Farbe, was ich fast noch dezenter finde als edles Schwarz. Außerdem lässt sich das eigentliche Fotofach dieses Rucksacks bei Bedarf vor den Körper ziehen und ist ansonsten in einer Art Garage untergebracht. Einen besseren Schutz vor Taschendieben kann ich mir kaum vorstellen. Und tatsächlich ging alles gut.

Click, click, click auf Ektachrome: ein Euro pro Bild

Als eine weitere kleine Reverenz an meinen Vater (er war ein großer Dia-Fotograf; hier ist nachzulesen, wie ich seinen fotografischen Nachlass digitalisiert habe) habe ich mich für Ektachome entschieden. Diafilme sind allerdings leider extrem teuer geworden. Sowohl für den Film selbst als auch für die Entwicklung muss man richtig Geld in die Hand nehmen. Und gute Rahmen hat man entweder vor ein paar Jahren auf Vorrat gekauft… oder man hat keine. Also habe ich fünf Filme mitgenommen und wusste: Jedes Mal Klick machen kostet einen Euro. Und vielleicht war es auch ein Anfang vom Ende. Die Dia-Zeit neigt sich für mich dem Ende zu, ich muss es mir wohl eingestehen.

Ein letztes Mal? Italien-Dias auf dem Leuchtkasten.

Im praktischen Fotografieren lief es darauf hinaus, dass ich die Motive oft doppelt fotografiert habe. Ich wusste, dass ich hier wie da ein farbiges Bild bekommen werde, das eine auf dem Bildschirm, das andere über den Leica Pradovit auf die Leinwand geworfen. Ich merkte aber auch, dass ich sozusagen eine moderne, komfortable und schnelle Kamera in der einen Hand hatte und eine alte, herausfordernde und nicht ganz so schnelle Kamera in der anderen. 

Die OM-5: So unwiderstehlich bequem

Und wenn man eine Reise nicht primär zum Fotografieren macht – ich war mit meiner Mutter verreist, um ihr noch einige Orte in Italien zu zeigen, an die sie schon immer wollte –, siegt dann oft die Bequemlichkeit. ISO-Empfindlichkeit nach Wunsch oder Notwendigkeit, Stabilisierung, Autofokus, Zoom und die sofortige Kontrolle des Bildergebnisses noch im Sucher: All das machte die OM-5 fast unwiderstehlich. Hier auf dpReview gibt es übrigens einen ganz guten Test dieser Kamera.

Die OM-4 bleibt vielleicht doch Kamera meines Herzens

Doch auch an der OM-4 hatte ich Freude. Die Leica hört ja nicht zu, deshalb unter uns: Vielleicht ist und bleibt sie die Kamera meines Herzens. Ich habe mit diesem Modell viele Jahre selbst fotografiert, und es fühlte sich so an, wie es wohl so sein muss, wenn man nach Jahrzehnten wieder auf ein Fahrrad steigt. Es hat einfach alles auf Anhieb funktioniert. Das Sucherbild ist hell und klar, die Belichtungsanzeige auf dem blauen Band unterhalb intuitiv verständlich (die OM-5 kann das im EVF emulieren, ein nettes Augenzwinkern in Richtung Vergangenheit). 

Und als die Filme entwickelt zurück waren, wusste ich auch wieder: Die Multi-Spot-Belichtungsmessung mit bis zu neun Punkten der OM-4 ist unübertroffen. Schade, dass OM System das noch nicht in die aktuellen Digitalkameras eingebaut hat. Es wäre technisch ganz einfach möglich. Allerdings fordert diese besondere Art der Belichtungsmessung schon etwas Erfahrung beim Nutzer.

Und wieder mal ist der Anteil der Keeper bei Analog größer

Die Limitierungen durch den ISO-100-Film und die festen Brennweiten waren geringer, als ich dachte. Im Kern konnte ich fast alle Bilder, die mir wichtig waren, auch mit der guten alten OM-4 machen. Nur im oft dunklen Inneren der Kirchen stieß ich an Grenzen. Fast alle der Dias waren tatsächlich Keeper, was einmal mehr beweist, dass das analoge Fotografieren eine disziplinierende Wirkung hat. Auf der anderen Seite ist man mit einem Dia vielleicht auch etwas gnädiger als mit einem Digitalbild, das man ja doch sofort in der 100%-Ansicht prüft und wo man dann jede kleine Unschärfe sofort sieht. 

Post-processing vs. es gleich richtig machen

Und noch etwas wurde mir erneut deutlich: Digitale Bilder bearbeitet man doch fast immer nach. So gut wie alle Bilder aus der OM-5, die ich behalten habe, habe ich in der Belichtung optimiert. Manchmal habe ich noch gecroppt, oft auch weitere Optimierungen vorgenommen. Das ist hilfreich und verführerisch – und der komplette Gegenentwurf zur Diafotografie. Da liegt das Dia auf dem Leuchtpult, wie es aus dem Labor kam, und daran etwas machen lässt sich im Grunde gar nichts mehr. Da muss alles auf Anhieb sitzen.

Die Dias habe ich dann mit meiner selbst gebauten Apparatur gescannt und die digitalen Versionen tatsächlich auch ein wenig nachbearbeitet. Ich habe aber bewusst darauf verzichtet, sie möglichst ähnlich wie die oft sehr perfekten Digitalfotos wirken zu lassen. In den Gegenüberstellungen hier wollte ich ja bewusst die Unterschiede auch in der subtilen Bildwirkung zeigen. Ich hoffe, das kommt so einigermaßen rüber.

Zum Schluss: OM System gestern und heute, zu nah beisammen?

Nach der wunderbaren Erfahrung – und dem guten Ergebnis – der Italienreise zwei Jahre zuvor war die Neuauflage etwas enttäuschend. Wie es häufig bei Fortsetzungen der Fall ist. Belasse es einfach beim Original, wäre die offensichtliche Antwort. Ein erwachsener und erfahrener Fotograf hätte das wissen können.

OM System, neu: Bild aufgenommen mit einer OM-5 (digitale Systemkamera, Micro Four Thirds)
Neapel, digital
OM System, alt: Bild aufgenommen mit einer Olympus OM-4 Ti (analoge Spiegelreflexkamera)
In den Straßen von Neapel, Olympus OM-4 Ti, Kodak Ektachrome

Aber es lohnt sich, doch etwas genauer hinzuschauen. Ich denke, das Hauptproblem war, dass die beiden Kameras (über den Namen hinaus) zu ähnlich waren. Oder besser gesagt, dass der Inhalt meines Rucksacks ziemlich ähnliche Ergebnisse liefern musste. Die projizierten analogen Dias sehen zwar schöner aus, aber die gedruckten Bilder in dem Fotobuch, das ich als Erinnerung zusammengestellt habe, sind aus der digitalen Quelle um Lichtjahre besser. 

Hätte ich mich bloß richtig was getraut

Es wäre alles anders gewesen, wenn ich einfach nur einen Schwarz-Weiß-Film in Papas alte Olympus eingelegt hätte. Und dann als Positiv entwickelt (nichts für schwache Nerven, aber mit beschiedenen Mitteln zuhause durchaus machbar). Dann hätte ich, wie zwei Jahre zuvor, wirklich jeweils eigenständige Ergebnisse erzielt. Hätte ich mich doch nur getraut! Die Scala-SW-Filme waren (und sind immer noch) sogar im Kühlschrank.

OM System, neu: Bild aufgenommen mit einer OM-5 (digitale Systemkamera, Micro Four Thirds)
Pompeji, Forum
OM System, alt: Bild aufgenommen mit einer Olympus OM-4 Ti (analoge Spiegelreflexkamera)
Pompeji, Forum, analog. Man beachte den Unterschied zwischen den digitalen Bildern im 4:3-Format und den analogen Bildern im 3:2-Format.

Es bleibt also ein leicht bitterer Nachgeschmack. Die Reise war großartig, wir hatten eine wunderbare gemeinsame Zeit, aber ich habe den fotografischen Teil irgendwie vermasselt. Und das mit den hohen Erwartungen von vor zwei Jahren! Es gibt keine Chance, das zu korrigieren, diese Reise ist nicht wiederholbar. 

Und jetzt ganz tapfer sein…

Aber es gibt auch keinen Grund, sich das zu sehr zu Herzen zu nehmen. Ich habe diese Reise nicht zum Fotografieren unternommen, sondern für meine Mutter und mich. Und so ist es eigentlich mehr so zum Schmunzeln, dass drei der Bilder, die mir am besten gefallen, nicht einmal mit einer richtigen Kamera, sondern ausgerechnet mit dem iPhone entspringen.

Und was kommt als Nächstes in der Äpfel-mit-Birnen-Vergleichs-Reihe? Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Das Einzige, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass ich auf meiner nächsten Reise nur eine Kamera mitnehmen werde. Und es wird, das muss an dieser Stelle und auf dieser Webseite vielleicht auch mal gesagt werden, doch eher wieder eine Messsucherkamera sein. Ich möchte mehr Zeit zum Fotografieren haben, anstatt mit der Technik herumzuspielen. Und ein neues „Projekt“ brauche ich auch erst mal nicht.

Produktfoto zeigt OM System OM-5 DSLM und Olympus OM-4 Ti, jeweils mit Objektiven
OM-System aus zwei Epochen: Die digitale OM-5 mit dem 12-100 (24-200) sowie die analoge OM-4 Ti mit 1.8/50, 2.8/28 und 2.8/135

Ein Kommentar

  1. Olaf Reichardt

    Toller Bericht/Beitrag, passt inhaltlich nicht zum Namen und Motto der Internetseite, ist aber eine Bereicherung und hat darüber hinaus auch Aktualität aufgrund des Trends zur analogen Fotografie.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert