Eine Woche ist vergangen, seit ich den „Tanz der Vampire“ fotografiert habe. Die digitalen Bilder waren schnell ausgewertet und verteilt, ich freue mich über die Dankbarkeit der Beteiligten, für die das natürlich eine wichtige Erinnerung darstellt.
Wer den Blog darüber gelesen hat, mag sich erinnern, dass ich kurzentschlossen meine M3 mitgenommen hatte. Das war wirklich eine Augenblicksentscheidung, ich hatte meine Tasche mit Leica M und Q schon gepackt (die X70 in der Jacke), als mein Blick auf die Leica M3 fiel. Ich zögerte kurz, denn ich erwartete ziemlich schummrige Lichtbedingungen, mein empfindlichster Film im Schrank war aber der Kodak Tri-X, der „nur“ 400 ASA hat. Ein Bauchgefühl sagte mir, dass ich vielleicht mit einem Summilux dazu klarkommen könnte, also schnappte ich die Kamera (ah, dieses Mojo…), lud sie mit dem Film (ein kultiger Vorgang für sich) und rastete das 35er Summilux ins M-Bajonett. Mein modernes 35er hat natürlich den Nachteil, das der Sucher zu groß ist, um die Rahmenlinien dafür anzuzeigen, aber ehrlich: Ich fotografiere so lange mit Messsucher, ich weiss einfach, was ein 35er im Vergleich zu den 50er-Rahmenlinien mehr an Bildwinkel liefert. Nein, nicht auf den Zentimeter, gelegentlich habe ich mal einem die Schuhspitzen abgeschnitten, aber es reichte.
Warum ich nicht meine M2 genommen habe, die die 35er Linien so schön zeigt? Sie braucht einen CLA-Job (clean, lubricate, adjust), der Verschluss hatte zuletzt mal gelegentlich „gehangen“. Blöde Sache, weil man jedesmal den Film zurückspulen muss, ihm (also, dem Verschluss) einen wohlmeinenden Schubs gibt, dann den Film wieder einlegt und an die letzte benutzte Stelle transportieren muss. Das wollte ich vermeiden, dafür hätte ich zwischendurch keine Zeit.
Zur Belichtungsmessung (da ich mit „Sunny Sixteen“ hier keine Chance hatte) steckte ich das Leicameter MR in den Blitzschuh. Es hat zwei unterschiedliche Messbereiche, die man mit einem kleinen Drehknopf auf der Oberseite umschalten kann. „Rot“ für „empfindlich“ (z.B. Innenräume), Schwarz für „normal hell“. Entsprechend muss man dann die roten bzw. schwarzen Ablese-Skalen nehmen, um die Belichtungszeit für die passende Blende einzustellen. Klingt kompliziert, aber hat man das Prinzip verstanden, genügt ein schneller Blick, um den Wert abzulesen und dann einzustellen. Wer will, kann hier mal in die Bedienungsanleitung schauen. Offensichtlich ist die Präzision dieses Teils ausreichend, denn ich habe nie ein Problem mit Fehlbelichtungen.
Hämoglobinsüchtige: Extreme Lichtbedingungen, aber im Nebel sieht man, dass alle Tonwerte da sind.
Wie ich während des Konzerts mit den verschiedenen Kameras jonglierte, habe ich schon im anderen Blog geschildert. Ich versuchte, immer mal wieder auch die M3 einzusetzen, musste aber auf jeden Fall darauf achten, nicht zuviel Bewegung im Bild zu haben, denn auch mit dem Summilux weit offen lag meine Belichtungszeit immer zwischen 1/30 oder 1/50sec. Das geht mit 35mm wunderbar aus der Hand, aber nicht, wenn wer im Bild herumzappelt. Ich werde mir jetzt für solche Gelegenheiten mal einen 1600- oder 3200-ASA Film zuhause hinlegen, dann gibt’s damit keine Probleme.
Leider ein paar horizontale Kratzer im Bild, könnte man mit etwas Mühe in Photoshop entfernen. Der Nachteil beim einscannen von Schwarzweissnegativen: Die automatische (infrarotgesteuerte, „ICE“) Staub- und Kratzerentfernung funktioniert nur mit Farbfilm.
Aber da ich dies möglichst beachtete, ist von den beiden Rollen Film, die ich jeweils bei Generalprobe und Konzert verschossen habe, praktisch alles brauchbar. Ein paar Fotos mit Bewegungsunschärfen gab es, aber ansonsten habe ich nur deswegen Fotos aussortiert, weil ich dazu neige, vom gleichen Motiv mehrere Fotos zu machen, wenn ich mir über die Bedingungen nicht hundertprozentig sicher bin.
[image_gallery include=“id=3284,id=3262,id=3265,id=3266,id=3273,id=3280″]Nach dem Konzert waren zunächst die digitalen Bilder wichtig, sie waren schnell sortiert und verarbeitet. Am Montag Morgen entschloss ich mich, die Filme diesmal nicht selbst zu entwickeln, da ich wusste, dass ich diese Woche dafür kaum Zeit finden würde. Ich folgte meinem eigenen Ratschlag und schickte die Filme zu Pixelgrain nach Berlin (hier in der Nähe gibt es kein einziges kleines Labor mehr, dass ich in einer vernünftigen Zeit mit dem Auto erreichen könnte). Zu meiner angenehmen Überraschung trafen die entwickelten Negative schon am Freitag wieder ein, Kosten: 16,00 Euro mit Versandt. Das Einscannen der Negative machte ich mit meinem Nikon Coolscan selbst. Aus purer Neugier scannte ich zum Vergleich auch ein paar mit meinem Epson V700 Flachbettscanner. Ich zeige die Vergleichsbilder gar nicht, der Unterschied in der Qualität war so eklatant, dass ich froh bin, nicht auf das Teil angewiesen zu sein. Die Beurteilung der Qualität analoger Bilder im Internet hängt unglaublich stark von der Scan-Methode ab, das muss hier mal deutlich gesagt werden. Aber selbst mit dem Coolscan kann man nicht unbedingt das herausholen, was wirklich darin steckt, der traditionelle Workflow in der Dunkelkammer mit Abzügen auf Fotopapier ist eben immer noch unübertroffen.
Trotzdem bin ich mit den Ergebnissen soweit zufrieden. Beim scannen wird das Filmkorn ein wenig mehr betont, als es tatsächlich vorhanden ist, aber damit kann man leben. Die richtige Einstellung der Scansoftware (Silverfast) ist eine Wissenschaft für sich. Als Tipp: Möglichst schwachen Kontrast wählen (Tonkurve umgekehrte S-Form), es bleiben mehr Tonwerte übrig, in der Nachbearbeitung kann man das dann nach Geschmack anpassen.
Wenn man in so ein 20-Megapixel-Scan einzoomt, ist man zunächst enttäuscht, wenn man an digitale Dateien gewöhnt ist. „Schärfe“ analoger Bilder ist ganz anders determiniert. Aber ich habe einige der analogen Fotos auf Din-A4 ausgedruckt, das sieht sehr viel schöner aus als auf dem Bildschirm. Von solchen Detailbetrachtungen abgesehen, haben die analogen Bilder schon Ähnlichkeit mit den digitalen Schwarzweissfotos, das mag aber auch daran liegen, dass ich bei der Schwarzweissbearbeitung getrickst habe, um einen möglichst filmähnlichen Look zu bekommen. Das habe ich übrigens in Lightroom gemacht, weil ich feststellte, dass Silver Efex unter bestimmten Bedingungen Artefakte in den Highlights verursacht, selbst wenn man sich mit den Slidern zurückhält (Artefakte kann man dort immer kassieren, wenn man am weichen Kontrast zu sehr nach negativ geht). Sicher ist, dass Digital nie wie echter Film aussieht, wieviele Film-Emulationsprogramme man auch überlagert. Auf Leicaphilia kann man eine Abhandlung über die (technischen) Gründe dafür lesen.
Stellt sich die Frage: Warum mache ich das eigentlich? Mit einer 60 Jahre alten Kamera fotografieren, all der Aufwand für ein Ergebnis, das nach heutigen Massstäben, von geschmacklichen Erwägungen abgesehen, eigentlich unterdurchschnittlich ist. Geschmacklich: Analoge Fotos habe ihren eigenen Charme, das ist sicher. Auch dafür lohnt sich die Mühe. Aber meine eigene Antwort ist: Es macht einfach Freude, so ein vollmechanisches Meisterwerk wie die M3 zu bedienen. Der riesengrosse Sucher, das Klicken des Tuchverschlusses, das Geräusch des Dämpfers bei den längeren Belichtungszeiten, sogar der Filmtransport (ich habe eine „DS“, „Double Stroke“, zweimal den Hebel betätigen für einmal spannen) bedient irgendwelche primordialen Gefühle…
Richtig behandelt kann die Kamera noch sehr lange funktionieren. Wenn jede digitale Kamera von heute längst ihren Geist aufgegeben hat. Wie mit Autos: Wer kann sich vorstellen, wie in 50 Jahren ein Audi A8 noch fahrtüchtig gehalten werden soll? Ein Opel Kapitän dagegen…