…und die Q war auch dabei.

Jedes Frühjahr und jeden Herbst findet bei der altehrwürdigen Stadt Minden auf „Kanzlers Weide“ die Messe statt, eine Kirmes von ganz ansehnlichen Ausmassen. Minden ist recht nah bei Vlotho (meiner Heimatstadt) und schon für sich recht fotogen. Die letzten Wochen war ich vermehrt „analog“ unterwegs, aus Gründen, die möglicherweise noch in einem kommenden Blog dargelegt werden. Jedenfalls hatte ich letztes Wochenende meine M2 mit Kodak Portra geladen (das wird dich freuen, Kai) und war bei schönem Wetter und Sonnenschein sowohl in der Innenstadt gewesen als auch über die Messe gegangen, weil ich möglichst farbenfrohe Motive suchte. Keine Ahnung, was daraus geworden ist, den Film habe ich eben erst zur Entwicklung gegeben.

Leica Q bei f/1.7   1/80sec  ISO 100

Beim Gang über die Kirmes verspürte ich plötzlich den Drang, mal wieder bei Dunkelheit die kunterbunten Fahrgeschäfte abzulichten. Ich kehrte also Abends zurück. Nun ist so etwas nicht das fotografische Non-Plus-Ultra, aber wenn man mal wieder ein bisschen „Augenkrebs“ erleben möchte, kommt man da auf seine Kosten. Nebenbei ist das immer ein „Benchmark“ für die jeweilig benutzte Kamera, nämlich wie sie mit den teils extremen Lichtbedingungen klarkommt.

Leica Q bei f/1.7   1/60sec  ISO 125

Ich hatte seit dem Erscheinen der M10 die Leica Q wenig benutzt, ausserdem wollte ich möglichst unbeschwert unterwegs sein, daher schnappte ich mir kurzentschlossen die kleine Kompaktkamera mit dem unverhältnismässig grossen Potential. Die Performance der Q war erwartungsgemäss tadellos. Ich machte einerseits Fotos mit recht langer Belichtungszeit (1/4 Sekunde mit Bildstabilisierung), andererseits auch welche mit ganz kurzen Zeiten (1/500 oder 1/1000 Sekunde).  Bei den Fotos mit den kurzen Belichtungszeiten liess ich die Bildstabilisierung aus, denn bewegte Motive „irritieren“ die Elektronik (ausserdem, wer braucht so etwas bei 1/1000 Sekunde?). Ansonsten hatte ich die Blende immer ganz offen (f/1.7) und Auto-ISO an. Der Autofokus funktionierte „wie ’ne Eins“, das fotografieren war so mühelos, dass ich mich beinahe unterfordert fühlte… mit einer M (welcher auch immer) hätte man da deutlich mehr zu tun, davon abgesehen, dass man für Aufnahmen unter einer, sagen wir 1/15 Sekunde dort wohl ein Stativ gebraucht hätte, was ich natürlich nicht dabei hatte.

Es gibt mittlerweile Fahrgeschäfte, die offenbar die Raumflug-Tauglichkeit testen. Wer ein paar Runden in diesen Dingern aushält, kann ohne Zweifel die nächste Mars-Mission mitmachen, möglicherweise sogar den Verkehr in Hamburg-Innenstadt verkraften. Hält man sich im Bannbereich dieser Dinger auf, sollte man unbedingt ein Auge auf die Probanden haben, die sich als Raum-Untauglich erweisen. Ein Schauer unfreiwillig regurgitierter halbverdauter Döner ist ein warmer Regen, der nicht sehr romantisch ist…

Leica Q bei f/1.7  1/500sec  ISO 2000

Feuerwerk

Im Rahmen der Messe findet immer ein grosses Feuerwerk am Weserufer statt. Nachdem ich nun Blut geleckt hatte, wollte ich mir das nicht entgehen lassen und kehrte eine Woche später zurück, diesmal mit der M10 und vorschriftsmässigem Stativ bewehrt. Die Q war auch dabei. Es ist schon eine Weile her, dass ich das letzte Mal Gelegenheit hatte, ein Feuerwerk zu fotografieren, aber nicht so lang, dass ich vorher mein eigenes Tutorial dazu konsultieren musste. Eigentlich ist das „Handwerk“, also keine Kunst. Trotzdem immer eine gute „Fingerübung“, ob man sein Equipment auch beherrscht.

Die notwendigen Einstellungen in Kürze: Niedrigste ISO der Kamera (ISO 100 bei der M10) wählen, Blende (für Leica-Verhältnisse) relativ klein, also so um f/8. Distanzring einfach auf „Unendlich“. Belichtungszeit manuell einstellen, bei professionellen (schnell ablaufenden) Feuerwerken nicht zu lang. Zwischen 10 und 20 Sekunden ist realistisch. Nebenbei: Die langen Belichtungszeiten bei der M10 werden eingestellt, indem man bei Stellung „B“ des Zeitwahlrads den Fokussierknopf vorne neben dem Objektiv ca. 3 sek lang drückt. Man kann dann die gewünschte Zeit auf dem Monitor auswählen, die die Kamera dann auch für die folgenden Aufnahmen nicht „vergisst“.

In Erwartung. Leica Q bei f/4.0   1/4 sec   ISO 320

Automatische Belichtung ist absolut nicht empfehlenswert, weil die Kamera in der Regel viel zu lange Zeiten einstellt, ausser, man misst zufällig mitten in einem der „Bursts“. Die kleine Blende übrigens, weil das einfallende Licht sonst so hell ist, dass die „Licht-Spuren“ auf dem Sensor ausbrennen und die Farbinformation verloren geht. Auslösen kann man z.B. mit Selbstauslöser (auf zwei Sekunden gestellt), um verwackeln zu vermeiden. Ich hatte diesmal meinen alten Drahtauslöser dabei. Ein nostalgisches Gefühl, eine „2017er-Kamera“ mit so einem archaischen Teil zu koppeln. Aber klappt ausgezeichnet. Wie man sieht:

Feuerwerk

Leica M10 mit 28mm Elmarit bei f/8   16 sec    ISO 100

Vergrösserung daraus (anklicken):

Feuerwerk

Ich hatte mir einen geeigneten Standort am Weserufer ausgesucht und kam recht früh dort an, aber ich bevorzuge es, ohne Hektik meine Paraphernalia zu ordnen und mich innerlich zu sammeln. Denn wenn die Show beginnt, muss alles recht flott gehen und jeder Handgriff sitzen. Es war das erste Mal, dass ich dieses Feuerwerk sah, ich hatte keine genaue Vorstellung, an welchem Abschnitt des Ufers es stattfinden würde. Ich hoffte, es würde mir genau gegenüber abgebrannt, dann hätte man die Lichter der Kirmes darunter, aber tatsächlich fand es dann ein Stück Weseraufwärts statt (immer noch recht nah bei mir), vermutlich, weil man die Besucher der Kirmes ausser mit Kotze nicht auch noch mit ausgebrannten Raketenstufen bombardieren wollte.

Feuerwerk

Da begriff ich, dass ich auch mit 28mm im Querformat nicht weit komme…  Leica M10 mit 28mm Elmarit bei f/8    7sec   ISO 100

Gleich zu Beginn kam ich in Hektik, weil mir klar wurde, dass das 35mm-Objektiv, dass ich gewählt hatte, einen zu kleinen Bildausschnitt zeigte. Das Feuerwerk kam viel höher, als ich geschätzt hatte. Ich wechselte schnell auf ein 28er, das ich obendrein in „Porträt-Position“ gebrauchte. Aber dann ging alles ganz geschmeidig. Ich machte ein paar Belichtungen. In den Pausen, als die Kamera die Belichtungszeit zur Rauschunterdrückung „zurückzählte“, kam mir der blasphemische Gedanke, einfach wider alle Vorschriften der Feuerwerksfotografie, die Q in die Hand zu nehmen, auf 1/4 Sekunde mit Bildstabilisierung zu stellen und draufzuhalten. Auf „Unendlich“ hatte ich manuell gestellt, das erspart Zeit, denn selbstverständlich sucht der Autofokus im Dunkeln viel zu lang herum.

Feuerwerk

Leica Q – aus der Hand. 1/4 sec bei f/8  ISO 1600

Nachträglich fiel mir noch ein, dass es besser gewesen wäre, eine feste ISO von vielleicht 400 bis 800 einzustellen, denn manche Shots sind überbelichtet, weil die Kamera vor dem Burst natürlich eher zu hoch misst. Wie auch immer, es ist mal wieder ein Beweis für die Tauglichkeit der Kamera in allen Situationen, dass entgegen aller fotografischer Vernunft dabei überhaupt etwas herauskam. Das die Q, auf ein Stativ montiert und mit niedriger ISO und langen Belichtungszeiten, ein im Vergleich zur M praktisch identisches Ergebnis abgeliefert hätte, daran hege ich keinen Zweifel. Aber ebenso ist klar, dass die M das nicht kann, was die Q aus der Hand möglich macht. Als Kamera ist die Q wesentlich vielseitiger, sieht man davon ab, dass man sich mit 28mm begnügen muss. Dafür bietet die M10 eine fantastische Plattform für die zahllosen Objektive aus 90 Jahren (selbst der Schraub-Leicas) mit sehr individuellen Charakterzügen der „Zeichnung“.

Unten in der Galerie weitere Beispiele:

Ich war überrascht, dass nur noch ein anderer Hobbyfotograf an diesem Uferabschnitt war. Ich hätte mit mehr gerechnet, aber vermutlich ist das Feuerwerk für die Mindener Kollegen ein „alter Hut“. Ich fand jedenfalls gut, mal wieder so etwas abzulichten, und sei es nur zur Übung (und die Kameras zu testen). Bei der Recherche nach der Uhrzeit des Feuerwerks stiess ich übrigens auf diverse „Feuerwerk-Kalender“ im Internet, wenn einen also mal der Ehrgeiz überkommt, kann man sich dort schlau machen, wann etwas in der Nähe stattfindet.

Leica M10 mit 35mm Summilux bei f/4.0   10sec  ISO 100

10 Kommentare

  1. Sehr schön lieber Claus Sassenberg,
    und eine liebevoll gemachte Seite!

  2. Könnten Sie die Artikel alle so veröffentlichen, dass man die Reader-Ansicht von Safari oder firefox nutzen kann?
    Beim Artikel „Die M9 – immer noch cool!“ ist das möglich, bei diesem Artikel hier nicht.
    Vielen Dank, ich lese hier gern.
    Paul

    • Claus Sassenberg

      Hallo Paul,

      das mit der Reader-Ansicht war mir noch gar nicht aufgefallen. Nach intensiver Web-Suche gab ich auf. Die Kriterien, wonach Safari oder Firefox eine Seite für die „Reader-Ansicht“ qualifizieren, sind – zumindest für mich – undurchschaubar. Offenbar sind es bestimmte Dinge im Layout, die die Ansicht verhindern. Z.B. Slider oder Galerien, die mit speziellen HTML-Shortcodes erstellt wurden.

      Habe aber ein nützliches WordPress -Plugin gefunden, das ich für eine Zeit teste und es vielleicht dauerhaft übernehme. Es erzeugt einen Button „Reading Mode“ am Anfang jedes Artikels, der dieselbe Funktion erfüllt wie im Browser.

      Ich hoffe, dass kommt deinem Wunsch nach! Viele Grüße,

      Claus

  3. Lieber Claus, in der Tat freue ich mich auf die Bilder mit dem Portra:-).
    Fahrgeschäfte sind echt eine Herausforderung, vielleicht widme ich mich diesem bunten Treiben eimal in schwarz-weiß. Bei Feuerwerken habe ich mittlerweile kapituliert, ich bekomme einfach keine Aufnahmen hin, die mir genügen. Zumal ich Feuerwerk in unserem Tourismusland mittlerweile inflationär finde: erst die stinkenden Traumschiffe, dann noch zum Abschied das stinkende Feuerwerk:-)
    Was ich aber auch an Deinem Artikel sehr mag, dass Du in Minden warst: ich werde meine Zeit in Minden nie vergessen. Ich liebe diese kleine Stadt und werde sie wahrscheinlich noch in diesem Sommer für einen kleinen Artikel wieder besuchen. Natürlich auch mit meinem Lieblingsdenkmal Porta Westfalica.
    Habe ganz viele Hummeln im Hintern mit Deiner analogen Andeutung. Und merke immer wieder, dass ich gerade viel zu viel digital unterwegs bin. Aber der Sommer wird analog.

    Mein Favorit in Deinem Beitrag: Die Bratwurstbude. Wäre in SW bestimmt auch grandios,

    Liebe Grüße in die Kurstadt .

    Kai

    • Shoot at the lowest ISO for the best results. Turn off ISO AUTO because it will try to set a high ISO in the dark. Try an aperture of f/5.6 at ISO 50 and ISO 100, and f/8 at ISO 200 for starters. Open the shutter before the first burst. Hold it open several seconds, until one burst completes, or hold it open longer for several bursts. The brightness of the burst depends only on ISO and the aperture (f/stop). They don’t vary with the amount of time the shutter is open. (http://www.kenrockwell.com/tech/fireworks.htm)

    • Claus Sassenberg

      Hallo Kai,

      das mit den stinkenden Feuerwerken bei euch kann ich nachvollziehen, bei uns gibt’s solche Spektakel seltener. Das letzte Feuerwerk hatte ich 2013 (Stadtfest Vlotho) fotografiert, seither gibt’s dort auch keins mehr. Ich wollte einfach mal sehen, wie’s mit der M10 so gelingt.

      Hoffentlich ist bei der einen Rolle Portra, die ich mehr oder weniger zum Ausprobieren verschossen habe, was präsentables dabei. Mir geht es wie dir, ich möchte mal wieder mehr analog machen (trotz der M10, die ich wirklich mag).

      Am Denkmal wird übrigens zur Zeit mächtig umgebaut (nicht das Denkmal, aber unterhalb, neue Gastronomie). Nicht so fotogen zur Zeit, daneben stehen zwei Kräne.

      Liebe Grüße,

      Claus

  4. Das letzte Bild mit dem bunten Fahrgeschäft hinter der blauen Brücke ist prima gelungen! Die zehn Sekunden Belichtungszeit waren vermutlich dem im Wasser gespiegelten Vollkreis geschuldet, oder?
    Bin gespannt, wie der Kodak Portra 160 solche hohen Kontraste im Vergleich zum CMOS Sensor bewältigt …

    • Claus Sassenberg

      Hallo Jürgen,

      richtig, die zehn Sekunden hatten diesen Grund. Was den Kodak Portra betrifft: Da bin ich auch gespannt, habe tatsächlich die identische Aufnahme damit gemacht. Mal sehen…

      Schönen Sonntag,
      Claus

    • Hier mal eine Nachtaufnahme, die ich mit dem Portra 160 im letzten Jahr gemacht habe:
      http://weites.land/eutin/
      Und as ist noch nicht einmal ein besonderer Scan, aber ich finde, er kommt mit Kontrasten super zurecht. Allerdings ist er wohl auch für die digitale Weiterverarbeitung optimiert. Ich finde, das merkt man sogar schon im Vergleich zum Kodak Ektar.
      Was ich beim Portra auch toll finde, ist der Umgang mit unterschiedlichen Lichtern.

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