Produktbild zeigt neue Rollei 35AF Analogkamera
Unverkennbar eine Rollei 35, aber mit viel moderner Technik unter der Haube: Die Neuauflage des Klassikers hat viele Analog-Fans elektrisiert. Zurecht?

Seit Jahren wurde wohl keine analoge Kamera mit so viel Spannung erwartet wie die neue Rollei 35AF. Da ist natürlich der große Name, da ist der Mut, den es für so ein Wagnis braucht, da sind neue technische Features und da ist auch ein ganz ambitioniertes Preisschild. Nach zwei Monaten mit der neuen Kamera teile ich hier erste Erfahrungen.

Vorab ein kleines bisschen Geschichte, denn die neue Rollei 35AF kann eine historische Einordnung durchaus vertragen. Die ursprüngliche Rollei 35 ist sicher einer der großen Meilensteine in der Geschichte der deutschen Kameraindustrie: Nie zuvor war eine so kleine Kamera für Kleinbildfilm verkauft worden. Entwickelt von Heinz Waaske ab 1962, stieß sie bei seinem damaligen Arbeitgeber Wirgin (ein damals vor der Auflösung befindlicher Kamerahersteller in Wiesbaden) aber auf wenig Interesse. 

Beispielfoto, aufgenommen mit Rollei 35AF Analogkamera.
Unterwegs in der Ostschweiz: Rollei35AF, Kodak Gold 400.

Leitz lehnte ab – und verpasste einen Welterfolg

Der Legende nach ging Waaske in der Folge zu Kodak und auch zu Leitz nach Wetzlar, wo er ebenfalls abblitzte (kaum vorstellbar, was passiert wäre, hätte Leitz sich den späteren Welterfolg ins Haus geholt). Dann griff Rollei in Braunschweig zu, stellte Waaske ohne Wissen um seine Entwicklung ein und sicherte sich den vielleicht größten Erfolg in der wechselvollen Firmengeschichte. Im Jahr 1966 kam die Kamera auf den Markt und wurde erst nach etwa 30 Produktionsjahren endgültig eingestellt, als längst sehr viel modernere point-and-shoot-Kameras auf dem Markt waren.

Rollei 35, Gelbfilter, Kodak Tri-X
Eine frisch überholte Rollei 35, ein Tri-X und ein Gelbfilter… und schon kann der Spaß beginnen.

Es gab zeitweise wohl nur wenige Haushalte mit echten Fotografie-Enthusiasten in Deutschland, in denen nicht (auch) eine Rollei 35 zu Hause war. Auch in meiner Familiengeschichte spielt diese kleine Kamera eine Rolle, hier gibt’s dazu mehr zu lesen. Rund zwei Millionen Stück wurden insgesamt gebaut – zunächst in Deutschland mit einem f/3.5-Objektiv von Zeiss (ein Tessar), später in Singapur und wahlweise auch mit einem lizensierten Sonnar mit Lichtstärke 2.8, das Rollei selbst herstellte. Abgespeckte und aufgemotzte Versionen kamen dazu, bis zuletzt 1996 eine der Rollei-Nachfolgefirmen noch eine letzte Sonderserie auflegte. Nun ist damit wohl endgültig Schluss, die neue Rollei 35AF ist eine komplette Neuentwicklung

Produktbild zeigt neue Rollei 35AF Analogkamera mit ihrem historischen Vorgängermodell.
Nicht ganz so kompakt: Die neue Rollei 35AF ist spürbar größer als ihr historisches Vorbild.

Eine kleine Kamera voller Innovationen

An der ursprünglichen Rollei 35 war vieles revolutionär. Die 40-Millimeter-Brennweite zum Beispiel (die sich positiv auf die Tiefenschärfe auswirkt, ein willkommener Effekt, wenn man  keinen Entfernungsmesser hat), der spezielle Verschluss im versenkbaren Objektiv oder die Produktgestaltung, die als Meisterwerk des Konsumgüterdesigns gelten darf. Vieles davon war der Kleinheit der Kamera geschuldet; die Referenzgröße war damals eine Zigarettenschachtel. Hier gibt es eine gut gemachte Anleitung für die Original-Rollei 35.

In der Verarbeitung hielt Rollei – auch im Werk in Singapur – ebenfalls hohe Standards ein. Bis heute verrichten viele dieser Rollei 35s, heiß und innig geliebt, in den Händen von Amateuren (im Wortsinn) ihren Dienst. Ob eine Rollei 35AF von 2024 wohl 2074 immer noch benutzbar ist?

Produktbild zeigt neue Rollei 35AF Analogkamera
Blende auf der einen Seite (von vorne gesehen, links). Belichtungszeit/Korrekturwert auf der anderen. ISO- und Filmtyp-Einstellscheiben sind reine Reminiszenzen.

Große Fußstapfen also für das, was heute Rollei ist – im wesentlichen ein Handelsunternehmen, das eine Palette von Fotozubehör vom Stativ über (ganz ordentliche) Studio-Lichtanlagen bis zu Filmscannern herstellen lässt und dann unter dem alten und bis heute durchaus prestigeträchtigen Markennamen vertreibt. Schon von daher ließ die Ankündigung einer modernisierten Neuauflage der Rollei 35 aufmerken. Als Rollei 35AF sollte sie alte Tugenden mit moderner Technik wie einen Autofokus auf Lidar-Basis und automatische Belichtungssteuerung verbinden.

Produktbild zeigt neue Rollei 35AF Analogkamera mit ihrem historischen Vorgängermodell.
Alles in allem ist die Wiederaufnahme des alten Designs nicht schlecht gelungen.

In der silbernen Box ruht die Rollei 35AF

Und was erwartet Nutzerinnen und Nutzer heute, wenn sie eine Rollei 35AF kaufen? Zunächst einmal ein silbern glänzender Karton, in dem die Kamera recht hübsch inszeniert ist. Nimmt man sie in die Hand, fällt wohl als erstes ihr geringes Gewicht auf: 284 Gramm inklusive Batterie und Film gegenüber 380 Gramm der ursprünglichen Rollei 35S. Viele Designelemente wirken vertraut wie die beiden Einstellräder vorn (rechts wie gehabt die Blende, links Korrekturwerte und Belichtungszeit). Sucher und Filmaufzug sind wie gewohnt links, die Rückspulkurbel unten. Gegenüber dem Vorfahr ist die Kamera merklich größer, und das Objektiv (jetzt ein fünflinsiges 2.8/35) lässt sich nicht mehr versenken.

Produktbild zeigt neue Rollei 35AF Analogkamera
Hübsch inszeniert: Die Rollei 35AF kommt aufwändig verpackt.

Zum Handling im engeren Sinne: Das Filmeinlegen ist ein Gefummel, da hat sich nichts wirklich verändert seit den Ahnen dieser Kamera. Die Rückwand auch der neuen Rollei 35AF wird nach unten abgezogen und geht erst nach einigem Hin- und Hergeruckel wieder drauf. Und der Film wird offenbar so fest angedrückt, dass der Weitertransport und vor allem das Rückspulen fast ein kleiner Gewaltakt ist. 

In weiten Teilen ist die Rollei 35AF selbsterklärend

Davon abgesehen, ist alles sehr einfach und intuitiv. Die Bildbegrenzung und das AF-Messfeld sind durch einen (nicht sehr präzisen) Leuchtrahmen markiert, die wenigen Einstellmöglichkeiten sind ziemlich selbsterklärend. Das Zählwerk ist eine der Anzeigeoptionen auf einem winzigen OLED-Display und wird per Druck auf den Auslöser aktiviert. Zwei LEDs neben dem Okular zeigen Scharfstellung und Blitzbereitschaft an. Das alles ist clever gelöst. Wer sich einlesen mag: Hier ist die komplette Betriebsanleitung.

Beispielfoto, aufgenommen mit Rollei 35AF Analogkamera.
Rollei 35AF, Ilford FP4+

Aber: Schon das erste Gefühl, dass das alles ein bisschen leicht verarbeitet ist (um nicht zu sagen, billig), hat sich bei mir zweimal bestätigt. Nach dem zweiten Film kam mir beim Abnehmen der Rückwand ein Stück Kunststoff entgegen, das wohl die Filmpatrone an Ort und Stelle halten soll. Der Kleber hatte sich gelöst. Ich habe ein Foto gemacht, zu Rollei geschickt, und prompt eine Ersatzkamera bekommen. Alternativ wurde angeboten, den Kaufpreis zurückzuerstatten. Toller Kundenservice! Das habe ich bei Rollei an anderer Stelle übrigens auch schon mal erlebt, das sei hier ausdrücklich betont. 

Auch das zweite Exemplar macht die Grätsche

Nach dem insgesamt vierten Film versagte der Knopf auf der Rückspulkurbel und brach aus. Ich konnte dann mit Fingern und Schraubenzieher (der auch sehr hilfreich ist, die Batteriefachklappe zu öffnen) den FP4 noch retten, reklamierte aber erneut. Hey, wir reden hier nicht über ein Spielzeug aus dem Kaugummi-Automaten, sondern über eine Kamera mit UVP 849 Euro – und meine war kein Leih- oder Testexemplar. Schade an diesem Punkt.

Die Bilder aus der Rollei 35AF? Gut!

Und wie sind die Bilder so? In der Regel super! Ich hatte verschiedenes Filmmaterial zum Testen in der Kamera, und limitierender Faktor beim Objektiv ist ganz klar das Korn. Das ist eine beeindruckende Leistung, und wenn es einmal eine verbesserte Version der Kamera gibt, hoffe ich sehr, dass sie an der Optik möglichst nichts machen. Auch bei Streu- und Gegenlicht hält sich das 35er wacker, die Schärfe passt auch an den Rändern noch.

Wobei ich relativ wenig mit ganz offener Blende fotografiert habe. Ich habe dem Autofokus nicht so ganz getraut, und das hat sich punktuell auch bewahrheitet. Das kann in Einzelfällen sicher auch ein Bedienfehler sein, aber auf kurze Distanz ist die Scharfstellung mittels Lidar-Technologie offenbar noch nicht ganz optimal. Was am Handy mit seinen winzigen Sensoren und superkurzen, tiefenschärfestarken Brennweiten funktioniert, muss im Vollformat noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss sein. 

Das Objektiv ist scharf, die Belichtung passt

Wenig zu mäkeln gibt es bei der Belichtung, wobei Negativmaterial da sowieso relativ gnädig ist. Aber ich lasse mir von Meinfilmlab die stets sehr sorgfältig entwickelten Streifen ja zurückschicken und lege sie auch mal aufs Leuchtpult, und da sieht man dann schon, ob es soweit passt. Und es passt. Auch etwas, das die Leute bei Mint in Hongkong (dem tatsächlichen Hersteller der Rollei 35AF, bekannt für die sehr gute Aufarbeitung von Polaroid-Kameras) gut hinbekommen haben. 

Die meisten Nutzer werden die Zeitautomatik verwenden, aber über das linke Einstellrad können auch Belichtungszeiten von 1 bis 1/500 Sekunde manuell eingestellt werden. Außerdem stehen lange Zeiten bis 60 Sekunden zur Verfügung, die aber etwas umständlicher ausgewählt werden müssen. Das Mini-Display zeigt im M-Modus die Abweichung in Blendenstufen, was recht clever gelöst ist (im Sucher gibt’s leider eine Über- oder Unterbelichtungsanzeige). Eine Blendenautomatik existiert nicht, aber mir fehlt sie auch kein bisschen. Die vollen technischen Daten gibt es übrigens hier auf der Rollei-Seite.

Was aber merkwürdig war: In mehreren Fällen musste ich den Film mehrfach vorwärts transportieren, bis der Auslöser wieder hochsprang und ich das nächste Bild machen konnte. Nach dem Aus- und Wiedereinschalten war das Problem zumeist gelöst, aber es ließ sich nicht wirklich reproduzieren. Die Folge sind ein oder mehrere unbelichtete Negative, bevor das nächste Bild kommt. Bei den heutigen Filmpreisen ist das sehr ärgerlich. Der Fehler tauchte aber nur bei der ersten der beiden Kameras auf, die ich benutzt habe. 

Gerne hätte ich die Rollei 35AF liebgewonnen…

Also Licht und Schatten. Ich hätte mir gewünscht, die Rollei 35AF wirklich liebgewinnen zu können, zumal ich zu der historischen Rollei 35 tatsächlich eine besondere Beziehung habe (nachzulesen in diesem Artikel). Am guten Willen hat es nicht gefehlt. Aber vielleicht ist man einfach sehr anspruchsvoll, wenn man seine Filme sonst mit einer Leica M6 oder einer Olympus OM-1 oder einer Yashica T4 belichtet. Oder einer originalen Rollei 35, die es gebraucht ja auch weiterhin in Hülle und Fülle gibt (zum Beispiel hier bei Kamerastore in Finnland, wo so viele analoge Schätzchen ein neues Leben geschenkt bekommen).

Vielleicht aber bin auch nicht so allein mit meiner Wahrnehmung. Nach dem anfänglichen Hype scheint die Nachfrage nach der neuen Rollei 35AF doch eher nachgelassen zu haben. Ab Hersteller gibt es Wartezeiten bis Juni, aber das könnte ein Marketing-Gag sein. Bei etlichen Händlern ist die neue Rollei 35AF inzwischen problemlos verfügbar. Vielleicht kommt sie auch zu einer Zeit, in der der ganz große Analog-Boom schon wieder am Abklingen ist. Oder in der sich die Neueinsteiger auf dem riesigen Gebrauchtmarkt längst so gut auskennen, dass sie wissen, wie man für ein Drittel des Preises neuen der Rollei35 AF immer noch eine komplette und gute SLR-Ausrüstung bekommt.

… aber am Ende wurde nichts draus

Wie geht es weiter? Ich habe das zweite Exemplar mit einer neuen Rückwand zurückgeschickt bekommen. Hätte Rollei noch einmal gefragt, hätte ich mich gegen einen neuerlichen Ersatz entschieden. Die Rollei 35AF ist ganz sicher eine interessante Kamera, aber sie hat für mich zu viele Dinge, die nicht gut gelöst sind. Von der mechanischen Verarbeitung über den etwas unzuverlässigen Autofokus bis zum fehlenden Filtergewinde. Schade, aber dann ist wohl nun mal so. Und wenn es keine Liebe ist, nun ja, bleiben wir ja vielleicht trotzdem gute Freunde.

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