Am vergangenen Sonntag führte die Kantorei St. Stephan ihr letztes Oratorium unter der Leitung von Han Kyoung Park-Oelert auf, »Elias«, von Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Ein dramatisches Werk mit großen Emotionen. Sowohl im Werk, als auch außerhalb, denn der Chor war wegen der scheidenden Kantorin sehr bewegt, ebenso wie diese selbst. Die Kantorin kämpfte am Dirigentenpult mit den Tränen, als sie nach der Orchesterprobe noch ein paar Worte zum Chor sagte und den Umstand berührte, dass dies das letzte Mal sei.
Dessen ungeachtet war sie bei der Aufführung wie alle Beteiligten hochkonzentriert, denn es gibt viele knifflige Einsätze und technisch herausfordernde Stellen. Überflüssig zu sagen, dass sie das Dirigat meisterte, als wenn sie das ganze Jahr nichts anderes macht.
Die Osnabrücker Symphoniker, die das erste Mal da waren, zeigten sich von ihrer Kompetenz beeindruckt, und das nicht aus purer Höflichkeit. Ich weiß noch, dass letztes Jahr Mitglieder der ›Hannoverschen Hofkapelle‹, die ganz oben in den Sphären des Musikhimmels schweben, Chormitglieder beiseite nahmen und wissen wollten, wo wir diese Wahnsinnsfrau herhätten!
Drei der vier Solisten waren bereits früher zu Gast und wussten, dass sie sich auf die Kantorin verlassen konnten. Im Übrigen leisteten die Gesangssolisten Titanisches, allen voran Rainer Weiss in der Partie des Elias. Die Fotos in diesem Beitrag habe ich während der halbstündigen Orchesterprobe kurz vor dem Konzert gemacht. Man schaue sich einmal an, wie sich Rainer Weiss wie eine Säule hinstellt und seinen gesamten Körper in ein Instrument verwandelt. Beeindruckend! Aber ebenso beeindruckend, was für einen Sound die zierliche Sopranistin Jutta Potthoff entwickeln kann. Dann der wunderbare warme Alt von Eike Tiedemanns und der strahlende Tenor von Hugo Mallet (der etwas unterbeschäftigt war, Mendelssohn hatte nicht so viel zu tun für den Tenor).
Die Generalprobe am Vortag (ein Fünf-Stunden-Marathon) war geprägt von der harmonischen (Wortspiel…) Zusammenarbeit der Professionellen. Ich behaupte, dass es das Endergebnis entscheidend prägt, wenn man sich gegenseitig respektiert. Die Stimmung (Wortspiel…) war sogar ausgesprochen gut!
Das Konzert gelang also. Man muss als Beteiligter immer etwas vorsichtig sein mit der Schwärmerei, klingt immer nach Eigenlob. Aber als einzelnes Stimmchen im Chor ist der Anteil am Gesamtergebnis nicht so hoch, da kann ich ruhig verbreiten, dass die Zuhörer sehr bewegt waren und sich entsprechend äußerten.
Am Montag hatte ich einen leichten »Elias-Hangover«. Die Nachwirkungen sind spürbar, zum einen die rein körperliche Anstrengung, das lange Stehen, die hohe Konzentration, zum anderen die bereits erwähnte emotionale Komponente. Ich wache mitten in der Nacht auf, sofort schmettert ein imaginärer Chor in meinem Hinterstübchen »Alsdann wird euer Licht hervorbrechen wie die Morgenröte«…
Und zwar Fortissimo. Ich muss jetzt erst mal was anderes hören.
Die Fotos habe ich, wie schon erwähnt, während der Orchesterprobe kurz vor dem Konzert gemacht. Die Letzten sind natürlich von nach der Aufführung, die verdienten Augenblicke des Triumphs und der Freude über ein gelungenes Konzert.
Wir wünschen unserer Kantorin noch ganz viele dieser Augenblicke!
Der Chor muss jetzt erst mal eine Durststrecke überwinden, denn das Ausschreibungsverfahren dauert… Vor Juli nächsten Jahres kann es keinen neuen hauptamtlichen Kirchenmusiker an St. Stephan geben. Zum Glück hat sich Sabrina Gründling, exzellente Musikerin und als Schülerin selbst Mitglied der Kantorei, bereit erklärt, das »Interregnum« zu überbrücken. Und das ist etwas, dem man mit Freude entgegensehen kann!
Foto unten einfach anklicken, dann kann man sich eine Dia-Show der Bilder ansehen.
Lieber Claus,
was die Kantorei St. Stephan am vergangenen Sonntag geleistet hat, war wirklich bemerkenswert! Knapp zweieinhalb Stunden Konzentration auf komplexe Vokalmusik, rhythmisch und harmonisch gespickt mit zahlreichen Herausforderungen, verlangt doch schon den Profis großes Können ab. Den musikalischen- aber auch physischen Ansprüchen sied ihr in hohem Maße gerecht geworden!
Jeder, der weiß, was es bedeutet, einen so gewaltigen Klangkörper von Solisten, Sängern und Orchester wie beim „Elias“ frei von „Unfällen“ zu steuern, kann der Dirigentin nur größte Hochachtung erweisen! Eine Musikerin, hoch kompetent und gleichzeitig so selbstlos, dass es dem Zuhörer möglich wird, die Aufmerksamkeit ganz der Musik zu schenken – welch Glücksfall!
Für mich war es besonders, zu beobachten, wie sehr ihr (der Chor) mit Frau Park-Oelert verbunden seid. Da wurden lange Passagen fast auswendig gesungen, um ihr jeden musikalischen Wunsch von den Lippen abzulesen und umzusetzen. Das ist das Vertrauen und die hohe Aufmerksamkeit, die sich jeder Chorleiter bei solchen Aufführungen wünscht und ich denke, das war das schönste Geschenk, das ihr eurer Kantorin zum Abschied mitgeben konntet!
Liebe Grüße
Christiane
Liebe Christiane,
herzlichen Dank für das Lob, das ich besonders von einer Musikerin deines Formats zu schätzen weiß! Wenn du Han Kyoung eine Freude machen willst, schreib ihr ruhig ’ne Mail!
Liebe Grüße,
Claus