Falls wir der Meinung waren, zum Tarn zu kommen war „Kurverei“, war das ein vorschnelles Urteil. Der nächste Streckenabschnitt definierte die Bedeutung des Wortes neu.
Unser Ziel war Meyrueis (von meiner Frau fortan in Gedenken an Frank Sinatra „My Way“ genannt), der Begriff „in the middle of nowhere“ wurde vermutlich hier geprägt.
Bild von unterwegs: Kurz vor dem Col du Perjuret
Klingt das etwa so, als wolle ich mich beschweren? Au contraire! Die Fahrt durch die Cevennen und über den Col de Perjuret dorthin war schon für sich ein Naturerlebnis.
Nach dem Col du Perjuret kamen wir in ein liebliches Tal, Meyrueis war nicht mehr weit. Das Bild habe ich später gemacht, ich war mit dem Rennrad noch einmal über den Pass und über die Hochebene gefahren. Wenn man Glück hat, sieht man dort Lämmergeier.
Die Gegend war fantastisch, die Schlucht des Jonte beeindruckend. Hier ist es nicht so stark touristisch geprägt wie am Tarn, alles geht etwas ruhiger ab. Nach unseren Erfahrungen mit der Campingplatzsuche am Tarn (obwohl wir dann ja einen sehr schönen fanden), hatte ich vorher bei einigen um Meyrueis herum gelegenen Plätzen angerufen, um festzustellen, das auch dort einige voll belegt waren. Schon mal Zeit gespart. Aber bei einem Platz nahe der Stadt konnte ich etwas reservieren. Es ist immer schöner, wenn man irgendwo mit der Gewissheit ankommt, auch eine Bleibe zu haben.
Kaum zu glauben, was dieses Rinnsal ausgebuddelt hat: Die Schlucht des Jonte. Bild mit Leica Q, von unterwegs mit dem Rennrad.
Ein Wort zur Sprache: Frankreich ist seit langem eines meiner liebsten Urlaubsländer und ich habe mich bemüht, mir „Gebrauchsfranzösisch“ beizubringen (denn in der Schule hatte ich Latein, was ich, nebenbei bemerkt, nie bereute, weil es mir das Tor zu allen romanischen Sprachen öffnete). Französisch ist eine wunderschöne Sprache. Leider finden das auch die Franzosen, sie beherrschen selten eine andere… also ist es ein guter Rat, wenigstens etwas davon zu verstehen! Ich will jetzt keine Verallgemeinerungen vornehmen, aber nach meinen Erfahrungen hat man es überall leichter, wenn man sich bemüht, sich in der Landessprache zu verständigen. Mit Englisch kommt man auf dem Land nicht weit… ohne französisch hätte ich nirgendwo anrufen können. Aber das hat eine Menge Stress gespart.
Dabei sollte man auch auf die höflichen Umgangsformen achten: Das Siezen ist für uns ja leicht nachvollziehbar, aber auch so Kleinigkeiten wie das Anhängen von „Monsieur“ oder „Madame“ an das „Bonjour“ macht schon den feinen Unterschied. Fragen oder Bitten beginnt man gerne mit dem Konjunktiv (Pourriez vous… ?, Voudriez vous… ?), äh…. schreibe ich gerade einen Sprachführer? Ich stoppe mal hier, sonst wird das episch.
Und mit dem Platz hatten wir wieder mal Glück. Wunderschön, von Bäumen beschattet am Lauf des Jonte (unglaublich, dass dieser Bach die Schlucht gegraben hat), sehr freundliche Begrüßung durch den Inhaber. Wir fühlten uns gleich wohl.
Anteilsmässig waren in der Gegend sehr viel mehr französische Touristen als die z.B. am Tarn dominierenden Niederländer. Und nichts gegen Niederländer! Ich kann mir kaum angenehmere Nachbarn auf dem Campingplatz vorstellen (zu einem Achtel bin ich selbst einer…). Das bringt mich dazu etwas auszusprechen, das ich noch nie zu fragen gewagt habe: Wohin man zur Ferienzeit auch kommt, ob es das Sauerland ist oder die tiefste Provence, unsere niederländischen Nachbarn sind zur Ferienzeit dort vertreten. Und wie ich schon sagte, sie sind angenehme Menschen. Aber… wer ist eigentlich noch in den Niederlanden? Da müsste es doch leer sein! Zu meiner Verblüffung ist dies nicht der Fall, denn vor zwei Jahren waren wir zur Ferienzeit eine Woche in Bergen (bei Alkmaar, sehr schön dort ), da war ganz normaler Betrieb. Steckt da irgendein Harry-Potter-Trick dahinter?
Meyrueis im Tal des Jonte
Ist die Gegend ein Geheimtipp? Naja… wer nicht wandert, angelt oder Rennrad fährt, hat hier nicht viel zu tun. Aber Ruhe hat man und viel Natur.
Um keinen falschen Eindruck zu erzeugen: Meyrueis ist alles andere als verschlafen. In den Cafés und Restaurants an der Hauptdurchgangsstrasse ist Nachmittags und Abends ganz schön was los. Es lohnt sich, im Schatten der Platanen am Béthuzon entlang Platz zu nehmen und alles an sich vorüberziehen zu lassen.
Es gab zwei Ziele, die uns in die Gegend gezogen hatten: Beide unterirdisch. Sorry, das eine ist schon wieder eine Höhle. Man ahnt es schon: Die Stunde der Leica Q…
Die „Grotte de Dargilan„, auch „La Grotte Rose“ genannt, liegt ein paar Kilometer von Meyrueis entfernt am Rand der Hochebenene, direkt an der Schlucht des Jonte. Wir fuhren vom Campingplatz aus mit den Rädern dorthin. Meine Familie ist allerhand gewöhnt und sie kletterten die gut 600 Höhenmeter bei ca. 6% Steigung über 4km klaglos hoch. Vom Ort bis zur Höhle sind etwa 9km. Wen bergauf fahren nicht stört: Eine schöne Tour mit gutem Ziel, denn am Empfangsgebäude der Höhle ist ein schattiger Platz mit Aussicht in die Schlucht. Ausserdem kann man sich aus einem Bistro dort mit Getränken etc. versorgen. Alles läuft dort sehr entspannt ab.
Es gibt dort wirklich was zu staunen.
[image_slider include=“id=4521,id=4522,id=4523,id=4524,id=4525,id=4526,id=4528″]Slideshow aus der Grotte de Dargilan. Die Leica Q ist ideal für solche Gelegenheiten. Sicher, die M mit 28er Summilux würde den Job auch erledigen, aber das Summilux allein kostet schon soviel wie die Q. Dazu kommt die Bildstabilisierung, und das hat die M nicht: Ich stelle die Blende auf f/1.7, ISO auf Automatik, Belichtungszeit fest auf 1/15 oder sogar 1/8 Sekunde, die Bilder werden aus der Hand gestochen scharf. Dabei komme ich dann selbst bei schlechter Beleuchtung kaum über ISO 1000. Weniger Rauschen kann nie schaden, auch wenn die Q in der Hinsicht sowieso keine Probleme macht.
Am nächsten Tag besuchten wir die „Abime de Bramabiau“, und so etwas hatte ich bis dato nicht gesehen. Es ist eine Mischung zwischen Klamm und Höhle, die der Fluss Bonheur in das Gestein gefressen hat. Wieder ein Fall für die Q, gleiche Routine wie in der Höhle, gleiche Einstellungen. Aber persönlich finde ich die resultierenden Fotos sehr plastisch, fast abstrakt. Jedenfalls sehr dekorativ. Für mich eine gute Erinnerung an einen beeindruckenden Ort.
In diesem kleinen Schlitz in der Felswand sind erstaunliche Dinge verborgen.
Cool, was? Zyklopische Formen und Dimensionen in dieser kleinen Rille… wahrscheinlich haben das doch die Zwerge aus dem Fels gehauen. Ein Stück weiter beginnen bestimmt die Minen von Moria. Einem Balrog sind wir zum Glück nicht begegnet.
[image_slider include=“id=4535,id=4536,id=4537,id=4538,id=4539,id=4540,id=4541,id=4542,id=4543,id=4544,id=4546,id=4547,id=4548″]Ich erspare mir jetzt, detailliert über meine Touren mit dem Rennrad zu berichten, bei denen man manchmal auf Überraschendes zukommt, z.B. das Dorffest, bei dem über einem Pétanque-Turnier ein Seiltänzer zum Kirchturm spazierte:
Unweit des Campingplatzes, ein paar hundert Meter nur den Jonte entlang, war eine Uralte Brücke aus dem 11.Jahrhundert, die Pont de six Liards (der Name rührt wohl vom Brückenzoll her, den man zahlen musste. Der Liard war eine Art Kupferpfennig. Hab ich selbst recherchiert… pure Neugier). Jedenfalls fand ich sie sehr fotogen. Und weil der Bach darunter ein bisschen Gefälle hat, nahm ich den Graufilter mit zehn Blendenstufen, die M und das 35er Summilux und machte eine Langzeitbelichtung davon:
Weil der extreme Graufilter Einfluss auf die Lichttemperatur hat, kam mal meine selten benutzte Whibal-Graukarte zum Einsatz: Vor dem Foto machte ich eine individuelle Lichttemperatur-Bestimmung damit. Das geht sehr schnell. Einach im Set-Menü bei Weissabgleich „Graukarte“ wählen und ein Bild machen. Schon passt die Farbe.
Und dann… fuhren wir weg aus den „wilden“ Cevennen wieder in die zivilisierte Provence. Wir besuchten einen Ort, an dem wir vor ein paar Jahren schon einmal waren, aber zu dem man immer wieder zurückkehren kann: Vaison la romaine.
Und jetzt mache ich es mir mal ganz einfach, denn hier oben über Meran geht jetzt die Sonne unter und ich will noch in Ruhe ein „Forst“ bei einem guten Buch trinken. Bilder aus Vaison sind hier in meinem alten Blog zu sehen, die M9 hat damals alles eingefangen, die M240 hat auch nichts Besseres geliefert.
Aber eine Sache war Besonders: Dort war nämlich seit zwei Wochen ein Chortreffen im Gang, mit Chören aus ganz Frankreich und dem benachbarten Ausland. An jeder Ecke hörte man Gesang, die Stadt war voll mit Chorsängern, und das sind wir (meine Familie) ja auch. Zum Abschlusskonzert im antiken römischen Theater an einem lauen Sommerabend konnten wir noch Karten bekommen. Bei dem offenen Singen vor dem eigentlichen Konzert konnten wir gut mithalten. Saint Saens, aber auch „Happy“ von Pharell Williams oder ein Samba wurden gesungen. unsere französischen Sitznachbarn hielten uns die Noten hin. Über das gemeinsame Singen kamen wir schnell ins Gespräch und wir fanden heraus, das die zu unserer Rechten aus Belleu bei Soissons angereist waren, das wiederum eine Partnerschaft mit Stadthagen hat, nur 20km von uns. Sie hatten also eine genaue Vorstellung, woher wir kamen. Das zeigt mal wieder, das Musik als gemeinsame Basis alle Menschen verbindet. Wir fühlten uns voll integriert.
Offenes Singen vor dem Konzert, Leica M mit 21mm Super-Elmar
Über das Werk, das aufgeführt wurde, schweigt des Dichters Höflichkeit, die „Sea-Symphony“ von Vaughn Williams. Chor und Orchester machten alles sehr gut, aber wir vermuteten später, das der Name der Komposition wohl daher rührte, dass man sie besser im Meer versenkt hätte.
The „Sea-Symphony“, Leica M mit 35mm Summilux, schon sehr viel dunkler, als das Bild vermuten lässt.
So, das war mein Urlaubsbericht. Heute war ich in Meran, bin die Passer-Promenade und die Gassen der Altstadt rauf und runter und habe natürlich Fotos gemacht. Ausserdem habe ich mir ein sehr schönes neues Nalini-Trickot für’s radeln gekauft. Die Bilder (wie auch die neuen aus Vaison) kommen in den Fundus. Hier eins zum Abschluss:
Leica M240 mit 50mm Summicron bei f/4.0 1/180sec ISO 200 ND-Filter 0,9 (der Filter nur, weil ich zu faul war, ihn abzuschrauben)
Hallo Claus,
herrlich zu lesen ist Dein zweiteiliger Reisebericht. Die Landschaftsaufnahmen der teils zerklüfteten Natur sind wunderbar. Geradezu hineinfühlen kann man sich in. Der Bericht vermittelt mir ein aufkommende Bedürfnis, sofort los reisen zu wollen.
Gut, ich schaffe es noch die zwei Wochen auszuhalten, bis es bei uns los gehen wird. 🙂
Schön auch Dein Hinweis auf die interkulturelle Kultur und die Brücke, über die sie hier ihren Raum findet. Das sind mit Abstand wohl auch mit die gewinnbringendsten Momente, die man in einem Urlaub erleben darf.
Vielen Dank …
Viele Grüße,
Martin