Ich bin in letzter Zeit öfter über einen Begriff gestolpert: ISO-Invarianz

Seitdem ich mich mit Low-Light-Fotografie befasse, sind mir bestimmte Gesetzmässigkeiten aufgefallen, was Belichtung, auch gezielte (absichtliche) Unterbelichtung betrifft, um die Sensordynamik besser auszunutzen. Das bedeutet bessere Rückgewinnung der Highlights, bessere Farbdynamik auch bei höheren ISO-Werten. Das darf man nicht auf die Spitze treiben, denn irgendwann rächt sich das in den Schatten, die es einem mit Farbartefakten und hässlichem Rauschen vom Ausmass der Niagarafälle heimzahlen.

Als ich vor zwei Jahren das erste Mal mit „Invarianz“, auch „partieller Invarianz“ einiger Sensoren in Berührung kam, ging mir ein Seifensieder auf, warum man in bestimmten Situationen mit Bildern im mittleren ISO-Bereich besser klar kommt, wenn man leicht unterbelichtet, statt die an sich erforderliche höhere ISO-Zahl einzustellen.

Wohlgemerkt, das rüttelt überhaupt nicht am Grundsatz ETTR (Expose to the right) bei „normaler“ Tageslichtfotografie (dieser Grundsatz ist angesichts bei der Dynamik moderner Sensoren auch schon aufgeweicht). Ebenso wenig muss man derartiges bei Langzeitbelichtungen anwenden, für die man normalerweise die native ISO-Zahl der Kamera einstellt.

Es geht um die Situationen, bei denen man aus der Hand bei Low-Light fotografiert und auch noch „Kontrolle“ über Bewegung im Bild behalten will, also entsprechend kurze Belichtungszeit braucht. Bei gegebener Blende muss dann die ISO hoch. Wie hoch, das kann von der Kamera abhängen, und genau das ist der Punkt mit der Invarianz. Aber die Überlegungen, die damit verbunden sind und die Konsequenzen für die einzustellenden Belichtungsparameter können sogar für Kameras interessant sein, die nicht „Invariant“ sind. Ein Beispiel dafür ist die M9, bei der es günstiger ist, ab ISO 640 Unterbelichtung in Kauf zu nehmen, weil die nachträglich in Lightroom „hochgezogenen“ DNG’s weniger Rauschen und bessere Farben zeigen, als wenn man die ISO in der Kamera weiter erhöht. Ich bin mir nicht sicher, ob die M 240 möglicherweise partiell Invariant ist, aber ich bin mir sicher, dass es ebenso wie bei der M9 günstiger ist, ungefähr ab ISO 1600 nicht mehr weiter zu erhöhen. Eine Unzahl von Low-Light-Aufnahmen aus den letzten Jahren bestätigen diese Annahme.

Darüber habe ich ein neues Tutorial geschrieben.  Was sich also dahinter verbirgt, hat große Bedeutung für denjenigen, der sich mit Low-Light-Fotografie befasst. Es lohnt sich, da mal reinzuschauen.

Bild unten: Aufnahme bei ISO 1600,  im Postprocessing um zwei Blendendstufen hochgezogen.  Das entspricht ISO 6400 in der Kamera. Normalerweise wird man dann mit „Banding“ in den dunklen Bildbereiche bestraft. Hier keine Spur davon. Keine Rauschunterdrückung, Highlights um 40% zurückgenommen.

Invarianz
Leica M ( Typ 240) mit 50mm Summilux asph. bei f/4.0 1/45sec ISO 1600

5 Comments

  1. Pingback:Leica CL – Umfassender Testbericht | cetus-a

  2. Matthias Skorning

    sehr interessant, ich werde es ausprobieren

  3. Christiane Pesendorfer

    Lieber Claus,

    es ist wahrscheinlich absolut nichts ehrenrühriges, hier zuzugeben, dass Low-Light eine große Herausforderung beim Fotografieren für mich darstellt! Wenn ich bei schwachem Licht Bewegung fotografierte, fielen die Ergebnisse in den allermeisten Fällen sehr unbefiedigend für mich aus; es fehlte mir an Kontrast und Farbsättigung. Hinterher daran „herumzubasteln“ machte das Ganze noch gruseliger. Ich kam derart an meine Grenzen, dass ich mehr und mehr dachte „komm, lass es lieber“. Super ärgerlich, denn ich liebe kuschelige, schummrige Lichtstimmungen auf Fotos.

    Nachdem ich deinen Blog hier las, bin ich also mit unserer Fuji XT1 los, um deine Tipps auszuprobieren: erstmal fiel es natürlich schwer, die ganze Zeit unter zu belichten, weil ich mich dem Gefühl nicht entziehen konnte, dass das eh alles für die Tonne ist, zumal ich ja in der Rückschau nicht mal irgendwas erkennen konnte. Aber der „WOW-Effekt“ kam bei der Bearbeitung. Die Farben werden viel schöner, die Lichtstimmung insgesamt viel natürlicher. Das erste Mal z.B., dass die Flammenfärbung eines Kaminfeuers naturgetreu aufs Bild kam (und scharf ist es auch noch) – ich bin begeistert! Während mir sonst bei hoher Iso die Kamera blöderweise das ganze Bild aufhellt, kann ich bei niedriger(er) Iso z.B. das Rauschen in dunklen Bereichen weitestgehend selbst beeinflussen.

    Die Jahreszeit bietet sich erfreulicherweise an, weiter zu experimentieren, um herauszufinden, wie die eigene Kamera unter welchen Bedingungen die schönsten Ergebnisse erzielt, damit ich in Situationen, in denen es wirklich drauf ankommt, relative Sicherheit habe, brauchbare Bilder zu bekommen. Denn wenn ich so fotografiere, muss ich mich ja im wahrsten Sinne des Wortes blind darauf verlassen können. Ich bin gespannt, wie sich das bei Personen in Bewegung auswirkt – das habe ich noch nicht getestet.

    Es ist super spannend, sich mit dieser, für mich neuen Technik auseinander zu setzen. Danke für dein wertvolles Tutorial!

    Liebe Grüße
    Christiane

  4. Danke für den Beitrag und das „kleine“ Tutorial. Werd die Tipps ausprobieren und sehen ob meine OMD EM1 RAW Daten das auch so mit 2-3EV hergeben. Auf Grund von m4/3 ist hier bei ISO1600 realistischerweise das Maximum erreicht.
    Ich lese ganz gerne auch den einen oder anderen Testbericht. In keinem Bericht zur Sony A7 RII hab ich einen Hinweis zu dem Thema ISO-Invarianz gelesen, sondern nur Lobeshymnen auf den Sensor. Gibt mir ein wenig zu denken.

    • Claus Sassenberg

      Gern geschehen!

      Bitte bedenken: In der Quelle, die ich über den Link im Tutorial („Was zur Hölle ist Invarianz„) angegeben habe, wird die OMD EM1 nur als „irgendwie Invariant“ bezeichnet. Über den praktischen Nutzen bei dieser Kamera will ich also lieber meine Hand nicht ins Feuer legen…

      Das diese Eigenschaft in den Testberichten nicht erwähnt wird, macht mich auch stutzig. Bei Dpreview wird darüber gesprochen. Könnte es sein, dass davon im deutschen Sprachraum nichts angekommen ist? Ich habe keine deutschen Testberichte gelesen.
      Als ich „ISO Invarianz“ oder „ISO Invariancy“ in Vorbereitung des Artikels googelte, fand ich keine einzige deutsche Seite, die den Begriff erwähnte.
      Ich googelte eben nochmal…jetzt wird mein Artikel an 10. Stelle gelistet.
      Ich bin verblüfft. Mir war nicht klar, dass diese Sache nicht Allgemeingut für „Kamera-Nerds“ ist.

      Falls das zutrifft, wurde es ja höchste Zeit, dass das hierzulande auch mal einer merkt…

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