Mike Evans: Review der M 262
(hier der Original Artikel auf Macfilos)
Aus verschiedenen Gründen ist die neue, abgespeckte Version der M, die M Typ 262 eine interessante Kamera. Wenn man sie als Indikator für die zukünftige Leica-Strategie betrachtet, ist sie vielleicht die signifikanteste Neuvorstellung seit der M 240 auf der Photokina 2012.
Obwohl die 262 als Fotoapparat genau die gleiche Leistung zeigt wie die deutlich teuerere 240, fasziniert sie durch ihr Konzept der Einfachheit und der Rückkehr zum Purismus der Messsucherfotografie. Kein Wunder also, dass sie von den eingeschworenen Fans der Leica-M Reihe mit offenen Armen aufgenommen wurde.
Es ist also ein Schritt zurück zur reinen Messsucher-Kamera, die von vielen seit dem Ende der Produktion der M9 vermisst wurde. Der Drang zur Nostalgie und der Einfachheit zeigt sich in der steigenden Nachfrage für das Vorgängermodell, der M9. Vor allem, seit Leica das Sensor-Problem gelöst hat. Ich kenne einige M240 und M-P Besitzer, die sich kürzlich eine „günstige“ M9 als Zweitkamera zugelegt haben und sich über das geringere Gewicht und die einfache Bedienung freuen. Manche sind deswegen sogar ganz zur M9 zurückgekehrt.
Vielfalt
Die M brachte mehr davon. Obwohl der CMOS-Sensor der M von den meisten (nicht von allen) vor allem wegen der höheren ISO-Kapazität begrüsst wurde, war die Möglichkeit, Videos zu machen und einen elektronischen Sucher aufzustecken nur bei wenigen auf der Wunschliste.
Im Rückblick spricht eigentlich vieles dafür, dass die einfachere M 262 eigentlich das ist, was die M 240 von Anfang an hätte sein sollen. Eine reine, zeitgemässe Messsucher-Kamera. Es ist eine M9 mit CMOS-Sensor ohne weitere unliebsame Komplikationen. Im Vergleich mit der 240 bietet die 262 weniger, also kein Live-View oder alles was damit zusammenhängt, nämlich Video, elektronischer Sucher, alternative Belichtungsmessung-Methoden, Auswahl der Sucherrahmen und der Wahlhebel für die Rahmen (den es nur an der M-P gibt). Der Verzicht auf diese Funktionen erlaubt eine Gewichtsersparnis von attraktiven 80g und eine ebenso willkommene Verschlankung des Menüs.
Es gibt auch kleine Änderungen im Design. Am Auffälligsten ist die Stufe links oben auf der Deckkappe. Leica sagt, es sei eine Reminiszens an die M9, tatsächlich liegt es am fehlenden Mikrofon.
Die scheinbaren Mängel der Kamera erzeugen in Wirklichkeit eine M im traditionellen Sinn, die bei den eher konservativen Leica-Anhängern genau ins Schwarze trifft.
Während der ursprünglichen Entwicklungsphase im Jahr 2010 und 2011 schaute Leica auf die damalige Entwicklung im spiegellosen Sektor und fühlte sich verpflichtet, mehr Funktionen zu implementieren, um mit der Konkurrenz Schritt zu halten.
Also wurde die Checkliste von Funktionen deutlich erweitert, um der M eine breitere Zielgruppe zu geben. Irgendjemand hatte wohl das Gefühl, dass die M hinterher hinkt, macht man nicht solche Zugeständnisse an Möglichkeiten, die auch andere Hersteller bieten. Video, yes! EVF, yes! Schicke bunte Sucherrahmen, yes! Live View, yes! Genug Kästchen wurden abgehakt, um die Non-Leica Reviewer glücklich zu machen. Leica hielt Schritt mit der Entwicklung, aber nur fast, denn selbst bei Vorstellung der neuen Kamera waren die Konkurrenten schon wieder davongeeilt.
Seither ist noch mehr passiert. Die M 240 bleibt eine tolle Messsucherkamera, aber kann auf dem Gebiet der Elektronik nicht mehr auf Augenhöhe agieren.
Der grosse Unterschied zwischen 2012 und 2016 ist, dass die M sich nicht mehr mit den Mitbewerbern messen muss. Leica hat jetzt die SL, die der M in Bezug auf Technologie, Videoeigenschaften, Live View und Sucher meilenweit voraus ist.
Also, zurück zur 262. Ohne die überflüssigen Funktionen kehrt die M zurück zu dem, was sie am besten kann: Nämlich als optimale Platform für Messsucher-Objektive mit der unzweifelhaft besten Methode, manuell zu fokussieren, die je erfunden wurde. Darüber hinaus macht sie die Gewichtsersparnis und das leicht geänderte Äussere zu einer würdigen Nachfolgerin der immer noch populären M9. Sie fühlt sich sogar ähnlich an.
Bildqualität
Ich erzähle hier nicht, dass die 262 bessere Bilder macht als die 240 oder die M-P. Aber sie sind auch nicht schlechter. Das Ergebnis ist immer dasselbe, egal welches Objektiv, egal welche Kamera.
Man opfert absolut gar nichts in Bezug auf die Bildqualität. Ich reite jetzt nicht weiter darauf herum: Es gibt „da draussen“ -zig Tests von der M und M-P, manche erschöpfend, die keine Fragen offen lassen.
Um ehrlich zu sein: Ich musste nicht viel Zeit mit der Kamera verbringen, um den Review zu schreiben. Aber es geht nichts darüber, sie ein paar Tage zu benutzen um die Unterschiede zur M 240 wirklich deutlich wertzuschätzen. Als also Leicas Presseabteilung mir mitteilte, dass eine Verfügbar sei, griff ich schnell zu.
Design
Ohne eine Menge zusätzlicher Elektronik, dem EVF-Interface und einem Mikrofon konnten die Leica-Ingenieure die Deckkappe wieder wie bei der M9 gestalten. Diese ist statt aus Messing nun aus Aluminium. Das Gehäuse aus Magnesium-Druckguss ist das gleiche wie bei der M 240 und M-P. All das bringt eine willkommene Gewichtsersparnis von 680 auf 600g.
Es gibt die Kamera zur Zeit nur in Schwarz (obwohl ich bald eine Chrom-Version erwarten würde) und hat den roten Punkt und den fehlenden Sucherrahmen-Hebel mit der M 240 gemeinsam. Die M-P hat den Hebel, aber keinen roten Punkt.
Gefühl, Handling
Die 80g weniger spürt man, sobald man die Kamera in die Hand nimmt. Sie fühlt sich besser an als M oder M-P, mehr wie die M8 oder M9, die M7 nicht zu vergessen. Wem dieses traditionelle M-Design gefällt, fühlt sich sofort zur 262 hingezogen.
Wer mehr Griffsicherheit braucht kann sich eines Thumbs Up (eines meiner Lieblings-Accessoires überhaupt) und des Leica-Handgriffs bedienen. Sowohl der einfache als auch der Multifunktionelle passen, aber das interface des letzteren ist nur für diagnostische Zwecke. Die meisten M262 Besitzer werden sich die Gewichtsersparnis nicht durch die Griffe kaputt machen, sondern bestenfalls beim Thumbs Up bleiben.
Schlankeres Menü
Durch Verzicht auf Live-View und Video haben es die Leica-Ingenieure geschafft, das Menü von sechs auf drei Seiten zu schrumpfen, das Set-Menü eingeschlossen. Also, bescheidene 2 Menüseiten durch eine Seite Set-Menü ergänzt. Das ist einer der Haupt-Anziehungspunkte der 262. Ein Schritt zurück zur verlorenen Einfachheit. Die meisten modernen Kameras leiden unter aufgeblähten Menüs. Speziell bei Sony und Fuji kommt man nach meiner eigenen Erfahrung nur schwer damit klar. Leicas Entscheidung, die Dinge einfach zu halten ist lobenswert. Die M262 ist eine einfache Kamera mit einfachen Kontrollen aber einem reichhaltigen Fotografie-Erlebnis. Alles was man braucht, aber nichts darüber hinaus.
Verschluss
Den technischen Daten kann man entnehmen, dass die M262 einen neuen Metall-Lamellen Schlitzverschluss mit vertikalem Ablauf aufweist, im Gegensatz zum dualen Verschluss der M240, der sowohl die klassische als auch die Live-View Öffnung unterstützt.
Man sagt er sei leiser und diskreter, designed um Street-Fotografen anzusprechen, die Wert auf so etwas legen. Trotzdem, nach einem direkten Vergleich mit meiner M240-P kann ich das ehrlich nicht bestätigen.
Er hat einen anderen, markanten Ton, kaum dass die minimale Differenz der Lautstärke, wenn es sie überhaupt gibt, ein Kaufargument ausmacht. Vielleicht finden ihn manche angenehmer, aber ich bin mit dem Auslösegeräusch meines alten Verschlusses ganz zufrieden. Ich habe ein etwas improvisiertes iPhone-Video gemacht, auf dem man den Unterschied der Verschlüsse von M 262 und M240-P (derselbe wie der der M 240) hören kann. Es findet sich am Ende des Beitrags.
Wetterfestigkeit
Von Anfang an war die M240 Wetterfest, aber es wäre ein Fehler, eine Versiegelung auf dem Standard anderer Kameras, z.B. der neuen X Pro-2 zu erwarten. Leica sagt darüber:
Die M ist so effektiv wie möglich versiegelt, um die Möglichkeit der Penetration von Wasser in das Kamerainnere auf ein absolutes Minimum zu verringern. Das bedeutet zum Beispiel, dass leichter Regen kein Problem ist. Nichtsdestotrotz sollte bedacht werden, dass das M-Bajonett ebensowenig wie die M-Objektive gegen Spritzwasser versiegelt sind.
Das ist klar genug und die Objektivfassung, die nicht geschützt werden kann, bleibt die Achillesferse. Aber schliesslich kann man mit dem M-Bajonett Objektive aus über 80 Jahren verwenden, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg.
Die M 262 bietet exakt dasselbe Niveau an Wetterfestigkeit, mit einer Ausnahme. Die mit Live-View ausgestatteten grossen Brüder haben eine Schwachstelle im EVF-Anschluss. Wenn der mitgelieferte Blitzschuh-Stecker nicht angebracht ist, der auch den EVF-Anschluss schützt, kann dort Wasser eindringen. Die 262 hat diesen Anschluss nicht, ist also etwas sicherer.
Im Vergleich zur M 240
Die 262 hat die 240 ziemlich weggefegt. Wie ich schon früher gesagt habe, die M-P bietet mehr Preis-Leistung als die 240, die man meiner Meinung nach ignorieren sollte (ausser Gebraucht). Man sollte sich entweder für die M 262 oder die voll ausgestattete M-P entscheiden.
Im Vergleich zur M-P
Zur Zeit ist die M-P mit ihrem 2GB Arbeitsspeicher (der die dreifache Geschwindigkeit bietet), dem Saphirglasbildschirm und dem Sucherrahmen-Wahlhebel ( der aus irgendeinem Grund bei der M 240 und 262 wegrationalisiert wurde), den manche immer noch brauchbar finden, die weit bessere Wahl, wenn man Live View und EVF möchte.
Das Saphirglas ist beständiger als das Gorilla-Glas der M 240/262, das schlichte Design der M-P ist mit dem traditionellen Schriftzug auf der Deckkappe gefälliger. Wenn man also mehr möchte als die M 262 bietet, sollte man zur M-P greifen und nicht zur 240.
Im Vergleich zur SL
Selbst wenn man sie nur mit M-Objektiven benutzt (vom einzigen Systeminternen Zoom mal abgesehen), könnte die SL für die, die viele technische Spielereien und einen guten EVF möchten, attraktiv sein. Und was für ein Sucher: Der wahrscheinlich beste EVF, den ich je benutzte, besser noch als der der Q, und das will was heissen. Im Vergleich ist der VF-2 der M geradezu lächerlich veraltet und für eine solch teure Kamera eine bittere Enttäuschung. Für den Schrott soll man auch noch 400 Euro bezahlen. Weiterhin hat die SL einen fantastischen (eingebauten) Handgriff, bei der M muss man dafür auch extra in die Tasche greifen.
Würde ich noch mal anfangen und nicht schon einen M-P besitzen käme ich in Versuchung, mir eine puristische M 262 zuzulegen, mit einer SL als Zweitkamera.
Vorbote der Veränderung
Die auf das Wesentliche reduzierte M262 trifft aus dem Blickwinkel eines Messsucher-Enthusiasten so ins Schwarze, dass sie ein Ausgangspunkt für das nächste M-Modell sein sollte. In gewisser Weise vermute ich, das sie ein Experiment ist, um zu sehen wie die Verbraucher reagieren. Ich würde mir wünschen, dass Leica für die nächste M mal genau hinsieht, wie das Fortbestehen der Messsucherkameras aussehen kann. Ich persönlich bin mehr denn je überzeugt, das es eine strahlende Zukunft gibt.
Mit der SL, die die Techno-Freaks bei Laune hält hat Leica eine Chance, die nächste M in einen wahren Nachfolger der Film-M’s zu verwandeln. Die Funktionen einfach halten, etwas Gewicht und Grösse verlieren (Sony hat mit der A7-Serie gezeigt, wie es geht), schon sind wir bei einer digitalen Version der M7, oder gar dem heiligen Gral, der originalen M3. Messsucher-Fanatiker hätten nichts lieber als eine digitale M3 in Feel und Look. Es gibt definitiv eine Nische für solch eine Kamera und Leica kann sie füllen.
Schlussfolgerung
Die M262 is der natürliche Nachfolger der M9, mehr als die M oder die M-P die, wie ich glaube, eher überambitioniert sind und mehr bieten als der Messsucher-Enthusiast wirklich braucht oder will.
Die Gewichtsersparnis und geringeren Kosten sind ein guter Ausgleich gegen Live-View, von dem ich weiß, dass ihn die meisten selten nutzen. Es ist eine reine Messsucher-Kamera und daher für Fans eine bessere Wahl als die M oder M-P. Es ist die Kamera die denen, die von der M9 oder M-E upgraden, am ehesten gefallen wird, Gewicht und Form sind mehr oder weniger identisch.