Von Mike Evans

Leica M-D

Keine Lust mehr, versehentlich Knöpfe zu drücken? Null bock, endlose Listen mit Einstellungen für JPG’s durch zu scrollen, die man sowieso nie braucht? Entmutigt durch die sich immer mehr aufblähenden „digitalen Errungenschaften“? Immer das Gefühl zu haben, die eigene Kamera ist schon wieder veraltet, weil beim Händler um die Ecke gerade ein neues Schmuckstück angekommen ist?

Wem es so geht, der ist nicht allein. Die neue Leica M-D könnte genau die Kamera sein, auf die man gewartet hat. Keine Knöpfe zum drücken, weder versehentlich noch überhaupt, keine endlosen Menüs (weil es keine gibt) höchstens ab und zu mal ein Update.

Ich hatte die M-D für die letzten 72 Stunden in Händen und machte ungefähr 600 Probeaufnahmen, um mich an die Bedienung zu gewöhnen. Für einen erfahrenen M240-Benutzer ist das „business as usual“. Sie verhält sich wie die M, macht aber nur RAW-DNG’s und hat nur die allernötigsten Kontrollen.

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Genau wie die M und M-P wiegt sie 700g, und obwohl sie dieselben Abmessungen hat, fühlt sie sich irgendwie kleiner und komfortabler an als ihre Verwandten. Das ist natürlich Einbildung, hervorgerufen durch die flache, schlichte Rückwand. Aber sie wirkt anders.

Design

1462199214760Die allgemeine Erscheinungsform der Kamera ist wie die der M-P, mit einer Schraube in der Mitte oberhalbes M-Bajonetts statt des Leica-Logos. Diese Schraube wird gebraucht, um den Messsucher zu justieren, also nicht daran herumfummeln! Auf der Deckplatte ist der bekannte Leica-Schriftzug und „Leica Camera Wetzlar Germany“, ebenso identisch mit der M-P. Auf der Rückseite ist, anders als bei der M-P, eine zusätzliche Gravierung „Made in Germany“.

Die Deckplatte aus Messing hat links eine kleine Stufe, wie es bei der M9 und der M262 der Fall ist, weil das Mikrofon fehlt, das den Platz in der M240 und M-P beansprucht.image

An der kleinen Daumenmulde auf der Rückseite befindet sich ein Rädchen, das für Grundeinstellungen und zur Belichtungskorrektur benutzt wird. In der Mitte der grossen freien Fläche der Rückwand schliesslich befindet sich ein rundes verchromtes Einstellrad für die ISO-Zahl, ganz ähnlich wie bei den analogen M-Kameras. Es erlaubt, ISO-Werte zwischen 200 und 6400 einzustellen, Auto-ISO ist nicht möglich.

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Bedienelemente

Das ist die einfachste digitale Kamera, die man sich vorstellen kann. In einer Viertelstunde hat man alles über die Einstellungsmöglichkeiten gelernt.

Die Bedienelemente sind extrem spartanisch, kaum anders als bei einer analogen Kamera. Das Zeitenrad ist mit dem der „Geschwister-Modelle“ identisch – kürzeste Zeit 1/4000s und eine „A“-Position für Blendenpriorität, d.h., auf  „A“ stellt die Kamera die Belichtungszeit passend zur ausgewählten Blende ein. Der Hauptschalter oben auf der Deckplatte ist identisch mit dem auf allen M-Modellen, mit Stellungen für Einzel- und Serienbilder und dem Selbstauslöser.1462199277379

Nahe dem Hauptschalter ist ein kleiner Chrom-Knopf, der gebraucht wird, eine Anzahl verschiedener Funktionen auszuwählen. Genau das gleiche Ding war dazu da, Video an der M und M-P einzuschalten, ich hatte ihn immer deaktiviert, jetzt ist er zu was nutze.

Anders als bei der M240 und M262 hat die M-D wieder einen Wahlhebel für die Sucherrahmen, genau wie die M-P.

Das auffälligste Element der wenigen Kontrollen ist das grosse ISO-Wahlrad auf der Rückseite – genau da, wo man es auf einer M erwartet, angefangen bei der M3 von 1954 bis hin zur M7 oder der M-A von 2016. An den frühen Modellen diente es als Erinnerung, welchen Film man eingelegt hatte, in den späten Modellen mit Belichtungsmessung steuerte man damit die Empfindlichkeit der Messung je nach ASA-Zahl des Films.

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An der M-D stellt man die ISO-Empfindlichkeit also mit diesem einfachen Rad vom Wert 200 bis 6400 in 1/3-Schritten ein. Kein Auto-ISO. Ich dachte, das würde mir fehlen (ich hatte es standardmässig bei der M-P eingestellt), aber diese einfach zugängliche Einstellungsmöglichkeit ist wirklich sehr praktisch. Ich konnte ruckzuck umstellen, wenn ich zum Beispiel von draussen nach drinnen kam, und das man sich dann erinnert, wieder auf niedrigere Werte zurückzustellen, ist nur eine Sache der Gewohnheit. Das Rad ist präzise und wunderbar gedämpft, gerade so, dass man es leicht mit einem Finger betätigen kann, aber nicht versehentlich verstellt.

Das Schöne an diesem Wahlrad ist, dass es ein sichtbares Element des Belichtungsdreiecks „Blende – Belichtungszeit – ISO“ darstellt. Es ist wirklich unkompliziert und total überzeugend. Es könnte nicht einfacher sein. Ich kann mir vorstellen, dass Die M-D ein wertvolles Hilfsmittel sein könnte, Fotografie zu lehren. Wenn sie nicht so teuer wäre.

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Der Sucher

Eigentlich würde ich über den Sucher einer M-Kamera kaum ein Wort verlieren. In diesem Fall allerdings ist er der Ursprung allen Wissens. Keine Menüs, kein Bildschirm, also muss alles über eine Reihe roter LED’s am unteren Rand des Suchers eingestellt werden. Sie erscheinen erst kryptisch, werden aber bald zur gewohnten Informationsquelle. Nach dem Wochenende mit der Kamera bin ich mit den Dingern auf du und du.

Im Sucher findet sich das einzige Kontroll-Display der M-D: 1) Rahmenlinien in hell leuchtendem Weiss, 2) Messfeld, 3) Ziffern, um alle anderen Funktionen anzuzeigen. Einfach.

Im Sucher findet sich das einzige Kontroll-Display der M-D: 1) Rahmenlinien in hell leuchtendem Weiss, 2) Messfeld, 3) Ziffern, um alle anderen Funktionen anzuzeigen. Einfach.

Die hellen elektronischen Sucherrahmen erscheinen in Paaren, abhängig von Brennweite des Objektivs oder der Stellung des Wahlhebels vorne. Die Paarungen sind 28 und 90mm, 35 und 135mm und 50 und 75mm. Das ist auch Standard bei der M240, allerdings gibt es keine Option für rote Linien. Ebenso wie Auto-ISO ist diese Frivolität mit den Menüs verschwunden.

Die Rahmenlinien sind natürlich zum Parallaxe-Ausgleich mit dem Distanzring des Objektivs verbunden, das ist nichts Neues.

Bei Blendenpriorität  zeigen rote LED-Ziffern die automatisch gewählte Belichtungszeit, im manuellen Modus zeigt das Display zwei gegenüberliegende Dreiecke mit einem zentralen roten Punkt. Das rechte oder linke Dreieck zeigen die Richtung, in der entweder Blende oder Zeitrad bewegt werden müssen, um die korrekte Belichtungszeit zu erlangen. Wenn das erreicht ist, leuchtet der rote Punkt in der Mitte. Das ist Benutzern der M6TTL und späteren Film-Kameras vertraut, ebenso wie denen der digitalen M’s.

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Im normalem Gebrauch muss man sich nur an den Status-Check der Speicherkarte erinnern. Ein schneller Druck auf den Funktion-Knopf lässt die Anzahl der verbleibenden Aufnahmen erscheinen. Da allerdings offenbar nur dreistellig angezeigt werden kann, zeigt das Display so lange 999, bis die Kartenkapazität unter diesen Wert fällt (ungefähr 24GB verbleibend), ab dann beginnt der Countdown. Aus purer Neugier nahm ich eine alte 1GB-Karte, angezeigt wurden dann 26 Aufnahmen. Es ist interessant, mal über den Gebrauch so kleiner Karten nachzudenken, weil es die Limitation von Film wiederbringt. Würde man vorsichtiger bei Komposition und beim Auslösen sein, wenn einem bewusst ist, dass man vielleicht nur 36 Bilder machen kann ( um mal eine völlig willkürliche Zahl aus der Luft zu greifen…)?

Mit grossen Karten ist es jedenfalls schwierig abzuschätzen, wieviele Bilder man gemacht hat, bis man Zuhause ist und Lightroom öffnet (ausser eben, man hat eine Karte, die nicht mehr als 1000 Bilder fasst). Eine 32GB Karte ist die glücklichste Lösung, 870 Bilder werden angezeigt und der Countdown ist offensichtlich. Ich hatte eine 64GB Karte drin, daher die länger währende Anzeige von 999.

Drückt man die Funktionstaste zweimal, erscheint der Ladestand des Akkus in Prozent. 100 bedeutet, der Akku ist voll geladen, dann geht’s bis null runter.

Die roten Ziffern liefern auch eine Reihe weniger offensichtlicher Informationen über die Kamera. Es gibt codierte Ziffernfolgen, um diverse Statusanzeigen oder Fehlermeldungen abzugeben.  „Sd“ (SD-Karte fehlt oder nicht kompatibel), „Full“ (Karte voll), „bc“ (Akku leer), „UP“ (Firmware-update läuft oder ist abgeschlossen) oder Err (Firmware-Update nicht möglich) wird dann angezeigt. Es ist ein bisschen wie die Einstellung mit einem digitalen Casio-Assistenten in den 80ern.

Der Funktionsknopf zur rechten des Hauptschalter auf der Deckplatte dient auch, das Datum einzustellen und Firmware-Updates einzurichten. Alles wird durch die roten Leuchtziffern im Sucher angezeigt.

Ich habe eine 1.25x Sucherlupe von Leica benutzt, die man vor dem Okular des Messsuchers einschrauben kann. Das vergrössert das Sucherbild, man kann sie für 35mm Brennweite und länger gebrauchen. Meiner Meinung nach verbessert das die Fokussier-Genauigkeit, indem es auch das zentrale Messfeld grösser darstellt. Dieses Zubehör-Teil verwandelt den Standard-Sucher 0.68x in einen mit 0.85x. Die 1.4x Sucherlupe vergrössert sogar auf 0.95.

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Handling

Die Kamera fühlt sich genauso an wie die M240 oder M-P, gleiches Gewicht, Grösse und alles. Aber in einer wichtigen Sache unterscheidet sie sich. Die glatte Hinterwand, völlig ohne Knöpfe und Ausbuchtungen, ist eine Freude, ein taktiler Triumph, ich fühlte mich gleich zuhause. Man schlendert so die Strasse entlang, hat die Kamera am Handgelenk, streichelt das glatte Hinterteil und verliert sich in ungewohnter Sinnlichkeit. Das ist so erfrischend nach all den Knöpfen, die die Finger verhöhnen und darum betteln, fehlerhaft betätigt zu werden.

Fotografieren mit der M-D ist gewohntes Terrain für erfahrenen M-Benutzer. Man hat die Auswahl zwischen manueller Belichtung, sucht sich also Blende und Belichtungszeit aus, oder der Halbautomatik, also Blendenpriorität. Genau wie bei jeder anderen digitalen M auch, oder sogar der M7. Egal ob man vorher mit einer digitalen oder analogen M-Kamera vertraut war, man ist sofort im Bilde.

Der überwältigende Eindruck der M-D ist der von Einfachheit, Reinheit des Anspruchs und intelligenter Umsetzung. Ich erwarte nicht, dass das eine Mehrheit von Fotografen für ein gutes Konzept hält, aber eine wichtige kleine Zielgruppe von Leica-Enthusiasten wird es ansprechen.

Die einzige andere mögliche Option ist die Belichtungskorrektur, indem man den Funktionsknopf festhält und am Daumenrad dreht. Im Display wird wird die Korrektur im Bereich von +/- 3 EV in 1/3-Schritten angezeigt. Danach wird der Wert jedesmal angezeigt, wenn man den Auslöser halb drückt. Das ist eine gute Erinnerung, um Irrtümer zu vermeiden.

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Der Auslöser soll, vermutlich im Vergleich zur M, genau wie bei der M262 leiser sein. Ich bemerke keinen grossen Unterschied, aber der Verschluss ist wirklich schnuckelig. Er ist leiser als der der M-A und der M3, die Adam Lee und ich gestern zum testen hatten und überhaupt ist das eine sehr diskrete und wenig bedrohliche Kamera. Ich benutzte sie das ganze Wochenende für Street-Fotografie, sie ist nur einen Schritt entfernt von einer analogen Kamera.

Ausser den roten Lichtern im Sucher gibt es keinen Hinweis auf das, was passiert, keine Bestätigung, ob das, was man tut, richtig ist. Alles ist Vertrauenssache, wie mit Film. Da ist allerdings eine kleiner Hinweis, das es keine analoge Kamera ist: Am unteren rechten Rand der Rückwand ist eine verborgene LED, die rot leuchtet, wenn die Kamera auf die Karte schreibt oder anderweitig beschäftigt ist. Mit dem langsameren Pufferspeicher von 1GB der M240 (im Vergleich zu den 2GB der M-P) wird die Kamera keine Geschwindigkeit-Rekorde bei Serien-Aufnahmen brechen. Es reicht für zwei Bilder pro Sekunde und nach sechs Bildern bemüht sich der Puffer, aber die Sache geht dann langsamer vonstatten. Subjektiv jedoch speicherte sie schneller als ich erwartet hatte, und mir ist nicht bewusst, dass sie mich beim fotografieren in irgendeiner Weise ausgebremst hätte.

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Die Kamera hat keine Einstellmöglichkeit für die Zeit, wann sie in Stand-By-Modus geht. Der Belichtungsmesser schaltet sich nach etwa 12 Sekunden aus, das ist dann schon Stand-By. Ein kurzer Druck auf den Auslöser reanimiert Sucher und Belichtungsmesser praktisch ohne Verzögerung. Mir war keine Wartezeit bewusst, die es bei den meisten digitalen Modellen gibt, es war mehr wie bei einer analogen Kamera, hochnehmen und auslösen. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber mir scheint es super-schnell zu sein. Ich vermute, die elektronischen Funktionen sind so limitiert, dass der Prozessor weit weniger Schritte durchlaufen muss, um aufzuwachen. Subjektiv also fühlt sich die Kamera schneller an als die M oder M-P.

Eine schnelle Bemerkung zum Weissabgleich. Da die Kamera in verlustfrei komprimierten DNG’s abspeichert,  ist der Weissabgleich automatisch und kann nicht verstellt werden.

Was gibt’s mehr zu sagen? Diese total abgespeckte Digitalkamera ist in Wirklichkeit eine Analoge mit digitaler Rückwand. Sie wird nicht jedem gefallen, mich begeistert sie.

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Objektive

Es gibt keine Möglichkeit, Objektiv-Profile auszusuchen, aber die Einstellungen für die 6-Bit kodierten Objektive (d.h., aller modernen M-Objektive) sind in der Firmware enthalten. Die Kamera identifiziert das Objektiv und die Brennweite, beides wird in die Metadaten des Bildes geschrieben.

Nicht codierte Objektive können aber ebenso gut eingesetzt werden, die Kamera erkennt dann halt nur die Brennweite. Da es keine Verarbeitung in der Kamera gibt, bezweifle ich, das fehlende Kodierung ein Problem darstellt. Die Kamera funktionierte zum Beispiel wunderbar mit meinem 1963er „festen“ Summicron.

Leica sagt, dass im Allgemeinen alle M-Objektive benutzt werden können, kodiert oder nicht. Wenn kodiert, benutzt die Kamera die Information, um Belichtungswerte und Bilddatei zu optimieren. Aber auch ohne diese Informationen sollte die Kamera in den meisten Situationen hervorragende Bilder abliefern, geht man nach dem, was die Bedienungsanleitung sagt.

Die Anleitung enthält einige Warnungen und Einschränkungen, was den Gebrauch verschiedener älterer Objektive betrifft (eingeschlossen das Summicron DR mit Nahbereich, das nicht benutzt werden darf), versenkbare Objektive dürfen nicht auf der Kamera eingefahren werden. Die zwei Tri-Elmar Objektive verdienen eine besondere Erwähnung. Das Mittel-Weite (MATE) Tri-Elmar hat eine mechanische Verbindung zur Kamera, was wiederum die korrekten Rahmenlinien im Sucher erscheinen lässt und in die Exit-Daten geschrieben wird. Das geht mit dem Weitwinkel Tri-Elmar (WATE) nicht.

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SD-Karten-Formatierung

1462135447674Was seltsamerweise in der M-D fehlt, ist die Möglichkeit, die SD-Karte zu formatieren. So ist das eine Sache, die man am Computer erledigen muss, wenn nötig. Mein Leser Brett Patching empfahl in einem Kommentar zu einem früheren Artikel den SD-Karten Formatierer der SD-Association. Das ist eine Simpele Anwendung, die ich vollen Herzens empfehlen kann. Sie ist effektiv, dabei einfacher und sicherer als in-computer-formatting. Wahrscheinlich haben sich viele daran gewähnt, die Karte jedesmal zu formatieren, wenn sie sie in die Kamera stecken, aber tatsächlich ist das nicht nötig und kann leicht am Computer erledigt werden. Man darf nur nicht vergessen, die alten Dateien zu löschen, bevor man die Karte vom Computer auswirft. Das macht man automatisch in einer PP-Software wie Lightroom, ich persönlich bevorzuge, es manuell zu tun, um auf der sicheren Seite zu sein.

Verarbeitung

Da die M-D nur DNG’s produziert ist eine Art Post-Processing-Software obligatorisch. Die Dateien direkt aus der Kamera sind flach und uninteressant, obwohl sie vor eingebetteten Details überfliessen. Ich benutze Lightroom, dort ist es möglich, die Dateien bereits mit bevorzugten Einstellungen zu importieren. Es ist unvermeidlich, dass ich natürlich meinen „Keepern“ mehr Beachtung schenke.

Es gibt keine Besitzer/Benutzer Information aus der Kamera, aber man kann Copyright und andere Metadaten in Lightroom hinzufügen.

Ist die M-D zu groß?

Bis jetzt bin ich absolut begeistert von der Kamera. Ich liebe sie fast. Wenn sie noch ein winziges bisschen kleiner wäre, würde ich mich überschlagen vor Freude. Ich vermute, dass die Leica Ingenieure versuchen, den Body verschlanken, wenn die M-D nur erfolgreich genug ist. Es muss drinnen genug freier Raum sein. Mein Freund Kai-Elmer Sotto merkt an, dass die Ingenieure auf die ausreichende Distanz zwischen Sensorebene und Linsenelementen bedacht sein müssen. Das ist ein guter Einwand. Sony hatte dasselbe Problem bei den RX1 und A7 Kameras. Sie entschieden sich für einen schmaleren Body, aber machten den Objektivanschluss erhaben, um den Abstand zu bekommen.

Ich bin nicht sicher. Ohne Schirm, Knöpfe und elektronisches Gewusel innen müsste Platz sein. Ich sprach mit einem sehr erfahrenen Kamera-Ingenieur, der vermutete, das die Einsparung an Kosten für die nicht benötigten Elektronik-Teile höher sind, als ich vermutete. Wenn das so ist, sind die Einsparungen nicht im Preis reflektiert, trotz der Deckplatte aus Messing.

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Man kann nur hoffen, dass die M-D Mark II etwas dünner wird. In der Zwischenzeit ist die Kamera in meinen Augen so etwas wie ein Triumph und ich bin schon von ihr abhängig. Da die Elektronik in dem Ding nun so spartanisch ist, ist es da zuviel, auf so etwas wie ein Sensor/Prozessor-Upgrade zu hoffen, so dass wir unsere abgewetzten Bodies für viele Jahre behalten können, ohne uns rückständig zu fühlen? Ich schreibe das mal auf meiner Wunschliste dazu.

Bereits zwei meiner Freunde, Kai-Elmer und John Cartwright, haben eine M-D erworben. Das macht schon mal wenigstens drei an diesem ersten Wochenende. Soweit ich höre, standen die Telefone bei den Händlern seit der Vorstellung der Kamera nicht still. Mich erinnert das an den Start der Monochrom, die von allen Seiten kritisiert wurde, das sie weniger böte für mehr Geld. Stattdessen war sie ein grosser Erfolg für Leica und ist überraschenderweise noch von keinem andern Hersteller kopiert worden. In diesem Geist ist Leica der einzige Hersteller, der bereit ist, die digitalen Gesetze zu brechen. Und das haben sie mit der M-D sicherlich getan.

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Akku-Kapazität

Mit dem Monster an Akku, der für die Video-Exzesse der M240 erschaffen wurde, sollte dieser bescheidene Knipskasten eigentlich das Standvermögen eines Kamels besitzen. Könnte sie die beste Akkulaufzeit haben, die je eine digitale Kamera besass? Falls man es nicht vorzieht, ein paar Autobatterien über der Schulter zu tragen, gibt es wohl kaum eine bessere Kraftquelle für die M-D. Wenn man Live-View deaktiviert, ist die Akku-Kapazität schon bei der M240 bemerkenswert. Es ist nicht unüblich, 750 Bilder mit einem Akku zu machen. So waren meine Erwartungen hoch, obwohl ich das nicht sofort realisierte.

Heute, am zweiten Tag fiel die Anzeige bei einem frisch geladenen Akku fast sofort auf 90%, blieb dann aber stur die nächsten zwei Stunden da stehen, um dann langsam abzufallen. Am Ende hatte ich 166 Bilder gemacht, der Akku zeigte immer noch 75% Kapazität.

Ich könnte das auf 665 Aufnahmen pro Ladung extrapolieren, tue das aber nicht. Die Kapazität wird sich noch verbessern, wenn der Akku mehr im Gebrauch ist und ich wäre nicht überrascht, 1000 Bilder aus einer Ladung zu quetschen. Ich werde den gegenwärtigen Akku mit seiner 75%-Ladung auslutschen und dan die Anzahl Aufnahmen errechnen. Die optimale Kapazität wird nicht erreicht, bevor der Akku nicht mehrmals geleert und wiederaufgeladen wurde.

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Schlusswort

Mal von dem Vergnügen abgesehen, dass ich durch den Gebrauch der M-D erlebe, bin ich der festen Überzeugung, dass dies eine digitale Kamera ist, die bleibt und bleibt. Sicher, der Sensor der M240 sieht sein Ende nahen (sowohl die Q als auch die SL haben bereits eine verbesserte Version),  aber der Sensor in der M-D ist gut genug für den Zweck. Die M-D wird keine Verbesserungen brauchen, die mit einem neuen Sensor kommen, insbesondere höhere Iso-Performance, da sie durch das physische Design auf eine Bandbreite von 200 bis 6400 limitiert ist. Es gibt nur wenig Raum für Verbesserungen, ich würde sagen, fast nur im Bereich von mehr Megapixeln (wer will die schon, ich nicht) oder einem schnelleren Prozessor (ebenso von zweifelhafte Nutzen für die Kamera) — so dass ich schon ahne, dass sie etwas wie ein Klassiker wird.

Sie macht heute gute Bilder (Tut sie!), sie wird auch noch in zehn Jahren gute Bilder machen, genau wie eine analoge Kamera. Sogar die M9, mit ihrem antiquierten CCD-Sensor, schlechter Iso-Performance und dem Stummfilm-Monitor macht noch gute Bilder. Tatsächlich gibt es da so eine Art Revival, ich kenne mehrere Fotografen, die von ihrer M240 oder M246 zur M9 und M9 Monochrom zurückgegangen sind. Leica-Benutzer sind eine komische Spezies, und die M-D ist extra für sie gezüchtet.

Schon nach zwei Tagen bin ich der Kamera mit Haut und Haaren verfallen. Ich bin bereit, sie zu meiner Standard-Messsucher-Kamera zu machen, weil sie für mich genau richtig ist.  Die SL und andere digitale Kameras können mein technologisches Alter Ego streicheln, wenn mich das Bedürfnis überkommt. Aber wenn es darum geht, etwas passendes für jede Gelegenheit dabei zu haben, dann setzte ich auf die M-D, vor allem, was Street-Fotografie betrifft.

Alle Fotos in diesem Artikel (bis auf die Leica Produkt-Fotografien) wurden mit der Leica M-D und dem 50mm Apo-Summicron asph. am 1. Mai 2016 gemacht.

Der Original-Artikel ist am 1. Mai 2016 auf Macfilos erschienen.

Übersetzt von Claus Sassenberg

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6 Kommentare

  1. Wenn das Ergebnis wahrhaftig und authentisch ist, wird es auch Gefallen und viele Betrachter inspirieren. Mein Wunsch an alle Blogleser ist: möge das Fotografieren Ihnen so gelingen, dass das was jemandem an einem Werk gefällt nicht ausschließlich Verdienst des (austauschbaren) Werkzeugs, sondern einer wertvollen und unikaten Sichtweise ist.

  2. Ich kann auf den „Schirm“ gut verzichten da ich ihn eh meist ausgeschaltet habe.

    Eine Weile hatte ich überlegt, letze Woche dann bei meinen Leicahändler angerufen ob er sie im Store hat. So kam es dass ich mir sie anschaute und mit eine Leica M-D 262 nach Hause ging.

    Mir gefällt sie.

  3. Also ich sehe genau eine Erweiterung, die sie für mich interessant machen würde: Die Möglichkeit, den EVF aufzustecken (also Live-View über EVF; Video kann gerne wegbleiben). Aktivierung (Verschluss öffnen) mit dem Knopf am EVF, tatsächliches Einschalten über den IR-Sensor. Und gut ist’s. Sucherlupe könnte über die Funktionstaste aktiviert werden (oder, wie jetzt auch schon, beim Drehen an der Entfernung – das bekommt die Kamera bei Leica-Objektiven ja mit; für Objektive ohne Kopplung könnte dann doch die Funktionstaste herhalten).

    Dann wäre sie sowohl einfach als auch universell. Aber ich gebe zu: Mein Faible für den Nahbereich (nicht unbedingt Macro) macht eine digitale M ohne EVF für mich eher unbrauchbar (das Macro-Elmar-M ist kein Ersatz für das nicht mehr verwendbare Nah-Summicron). Schade, sonst wäre das meine Traumkamera, von der ich nun schon seit Jahren fantasiere …

    VG, Christian

    • Claus Sassenberg

      Diesen Wunsch kann ich gut nachvollziehen, da ich auch so meine Probleme habe mit „ohne Schirm„. Cool wäre auch, sich dann im EVF mal ein Histogramm anschauen zu dürfen… und da geht’s wahrscheinlich los: All das weicht den Simplifizierungs-Anspruch auf, jemand wie wir bekommt dann halt von Leica gesagt: Dafür gibt’s schliesslich die M240 oder M-P!
      Wie ich schon Martin schrieb: Falls es in unbestimmter Zukunft ein schlankeres Modell geben sollte, weiss ich nicht, ob ich nicht doch schwach werde. Immer wenn ich die M2 oder M3 in die Hand nehme, kommen mir die Dimensionen absolut Perfekt vor. Das in Digital… Wow.

      LG,

      Claus

  4. Hallo Claus,

    hier betreibt Leica konsequent den Weg der Enttechnisierung auf die Spitze.

    Eine, so finde ich, absolut interessante Sache um den Vorgang des reinen Fotografierens zu erlernen bzw. sich auf diesen ablenkungsfrei zu konzentrieren. Nicht umsonst wird ja so oft empfohlen, den LV auszuschalten und sich erst später die Aufnahmen anzuschauen.

    Zum Lernen aber dürfte sie sich kaum jemand kaufen … für Enthusiasten aber wohlmöglich die erste Wahl.

    Viele Grüße aus SR,
    Martin

    • Claus Sassenberg

      Hallo Martin,

      Leica beweist erneut Mut, gegen den Strom zu schwimmen. Die Leica-Kritiker (um sie nicht „Hasser“ zu nennen) haben mal wieder Schaum vor dem Mund. Oder vielleicht machen sie sich auch lustig. Aber das ist völlig egal, denn bei dem ganzen Konzept der Kamera kommt die Firmenphilosophie durch, wegen der ich Leica so gut finde: Einfachheit.

      Und erinnern wir uns nicht noch gut, als sich beim Start der Monochrom die „Experten“ das Maul zerrissen? Wem hat „die Geschichte“ am Ende recht gegeben? Genau – Leica.

      Ich hatte einen angeregten E-Mail-Austausch mit Mike (der, wie man ja lesen kann, voll im M-D-Rausch ist) in dem ich ihm offen zugab, dass ich auf einen Schirm nicht verzichten möchte, und wenn ich es tue, bewusst zur M3 greife.
      Aber dennoch finde ich die Entwicklung gut. Und wer weiß, wenn eine M-D Mark II sich vielleicht wirklich wieder an die Dimensionen der analogen M’s annähert, könnte ich auch schwach werden, denn ich liebe die Kompaktheit…
      Viele Grüße,
      Claus

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