‚Forth now, and fear no darkness!‘
Théoden in J.R.R. Tolkien’s „The Return of the King“
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Die erste analoge Leica, die ich mir vor Jahren angeschafft hatte, ist eine M3 aus dem Jahr 1955. Sie ist ein „DS“ (Doublestroke), „Doppelschwung“-Modell, d.h. man muss den Transporthebel zweimal betätigen um den Verschluss zu spannen und den Film zu transportieren. Dann hat sie noch ein „Vorlaufwerk“ (VLW), sprich Selbstauslöser, ein niedlich schnurrendes Federwerk. Dass diese Kamera vollmechanisch ist, sage ich nur für die, die mit analogen Leicas nicht so vertraut sind. Das heisst: Selbstverständlich kein Belichtungsmesser. Dafür sind alle Komponenten der Kamera aus erstklassigem Material, verschleissfest, zuverlässig. Ein leiser Schlitzverschluss aus gummiertem Tuch, der bis zu einer 1/1000 Sekunde Belichtungszeit zulässt, dazu der damals neu konzipierte Messsucher, der bis heute als einer der Besten jemals hergestellten gilt.
Die M3 ist legendär und wird von Leica-Enthusiasten als die beste Kamera aller Zeiten gehandelt. Das werden die Nikon-, Canon-, Fuji-, Rollei- oder Hasselblad-Leute möglicherweise nicht unwidersprochen hinnehmen, aber einigen wir uns mal darauf, dass sie auf jeden Fall Geschichte gemacht hat. Und zwar sowohl Industriegeschichte als auch Weltgeschichte, denn diese wurde in den 20 Jahren nach Einführung der M3 wohl hauptsächlich damit dokumentiert. Gerade die oben zitierte Zuverlässigkeit machte sie zum Standard-Werkzeug fast jedes Fotoreporters. Sie wurde durch den Dreck aller Krisen- und Kriegs-Gebiete der 60er und 70er Jahre geschliffen.
Als ich Anfang 2012 meine M3 bekam, hatte sie möglicherweise vorher einige Zeit im Lager verbracht. Trotzdem funktionierte sie einwandfrei, schon die erste Rolle Kodak TMax, die ich verschoß, blieb ohne Fehlbelichtungen. Ich benutzte die Kamera von Zeit zu Zeit ohne Probleme, das letzte Mal 2015 bei der Aufführung vom „Tanz der Vampire„. Danach bevorzugte ich die M2, und zwar weil ich bei ihr auch 35mm-Objektive benutzen kann, ohne Extra-„Brille“ für den Messsucher ( bei der M3, deren Messsucher auf 50mm optimiert ist). Nachdem ich die M2 dann noch zur Überholung ins Werk gesandt hatte, wurde sie mein „Favorit“. Dann kam plötzlich ein gewisser Sammelwahn auf, eine M4 und M6 gesellten sich dazu, die M3 war völlig abgeschrieben.
Ein Kittschaden?
Trotzdem nahm ich sie gelegentlich zur Hand. Das Sucherbild war recht gelblich geworden, und das wunderte mich. Das und das recht trockene Vulkanit der Belederung bewogen mich dazu, sie auch zur Überholung einzusenden. Tatsächlich war das mit dem Messsucher ein ernsthaftes Problem, ein sogenannter „Kittschaden“. Im Lauf der Jahre würde das Sucherbild immer dunkler werden, der Original-Messsucher war irreparabel geschädigt. Man könnte sagen, das ehrwürdige Stück litt unter dem grauen Star. Der Customer Care teilte mit mit, dass es diesen Sucher als Ersatzteil nicht mehr gibt, aber ein Sucher einer M6 TTL eingebaut werden könne. Dazu gab ich mein Einverständnis.
Ein echter Sammler hätte möglicherweise anders entschieden, um die Kamera im Originalzustand zu erhalten. Aber darum ging es mir nicht. Das Teil hat 62 Jahre tadellos funktioniert, und mit dem neuen Messsucher kann sie ohne weiteres noch mal so lange machen, statt in einer Vitrine zu verstauben (eigentlich eine dämliche Redewendung, „verstauben“ wohl eher nicht, dafür sind Vitrinen ja da). Wenn ich auch zugebe, dass ich eine gewisse Sammelleidenschaft entwickelt habe, so lege ich Wert darauf, dass meine Kameras tadellos funktionieren. In diesem Fall kommt mir der erzwungene Austausch des Messsuchers sogar entgegen, denn das nimmt mir die Haupt-Hemmschwelle zur Benutzung der Kamera. Endlich kann ich problemlos ohne lästigen Aufstecksucher 35mm-Objektive daran verwenden. Der neue Sucher hat eine Vergrösserung von 0,85 (gegenüber 0,73 bei der M10) und fünf Sucherrahmen (35, 50, 75, 90, 135). Die zusätzliche Option von 35 und 75mm erhöht die Vielseitigkeit der Kamera.
Sie kam kurz vor dem Sylt-Urlaub wieder bei mir an (ich hatte sie im August eingeschickt), just zu der Zeit, als mich das Mittelformat-Fieber packte und ich die Texas-Leica in Gebrauch nahm. Beide Kameras kamen also mit nach Sylt, mit dem Unterschied, dass ich mir um die tadellose Funktion der M3 keine Sorgen machen musste. Bei der Fuji GW 690 riskierte ich es einfach. Die M3 war eigentlich meine Hauptkamera in dem Urlaub, weil ich die Fuji ja nur „testete“.
Diese Jahr wird vermutlich in meine persönliche „Entwicklungsgeschichte“ (Wortspiel beabsichtigt) als „analoges Jahr“ eingehen (z.B. war 2016 das Jahr der „Q“), soviel Film habe ich vermutlich seit 1998 nicht mehr verschossen. Im Frühjahr mit der M2 (z.B. die Hochzeit), im Sommer mit M4 am Gardasee und in Frankreich, im Herbst mit M6 in Schottland. Und jetzt Sylt.
Aber nein, ich betone es immer wieder: Das ist keine Abkehr vom Digitalen. Wenn ich es mir bequemer machen will, greife ich selbstverständlich zur M10 und zur Q, beides die besten digitalen Kameras, die ich mir vorstellen kann.
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Ganz zum Schluss, für die, die vielleicht nicht so weit weg von Vlotho wohnen, noch eine Einladung zum Oratorienkonzert der Kantorei St.Stephan, in der ich im Bass (mal bass , mal besser) mitsinge. Der absolute Klassiker dieser Jahreszeit, das Weihnachtsoratorium von Bach. Wer da nicht in Weihnachtsstimmung kommt, dem ist nicht zu helfen. Hier das Konzertplakat:
Moin, Claus!
Sehr schön geschrieben, wie immer. Mich würde mal interessieren, was denn so eine Überholung kostet. Falls meine M4 (Shift-Taste gedrückt gehalten: M$) auch mal nicht mehr sauber funktioniert…
LG, Jochen
Hallo Jochen,
das hätte ich ruhig im Artikel erwähnen können, weil das vermutlich auch andere Interessiert. Das war schon eine kostenintensive Geschichte, weil ein neuer Messsucher und der Einbau natürlich kräftig ins Geld gehen. Also nicht hinten ‚rüberfallen: Der Spass hat 1600 Euro gekostet. Jetzt könnte man sagen: Warum für den Preis nicht einen andere kaufen? Aber genau dieses recht „frühe“ Modell mit Doppelschwung und Vorlaufwerk findet sich nicht so leicht, dazu ist mein Exemplar schon vorher in recht gutem Zustand gewesen. Jetzt ist sie fast so, als hätte ich sie 1954 vom Händler geholt…
Aber zum Vergleich: Die M2, die ich auch komplett restaurieren liess (inklusive neuer Belederung) hat 800 Euro gekostet. Ein reiner CLA-Job (= clean, lubricate, adjust) einer solchen Kamera erzeugt eine Rechnung von 695 euro (die M6 hatte ich auch dort, identischer Preis). Also das ist der Preis, den du eigentlich erfahren wolltest.
Viele Grüße und gutes Licht,
Claus
Ach, Claus, der Bericht geht mir ans Herz, Was braucht man mehr. Ich liebe Mechanik, sie ist so unmanipulierbar und ehrlich. Übrigens habe ich für die M7 auch ein Vorlaufwerk, aus dem Zubehör zum Aufschrauben, Leider nur zwei Sekunden.
Aber eigentlich ist die M3 ja eine Königin, oder 🙂 Und vielleicht sogar zugleich auch ein Bettler- genauso bescheiden.