…oder: No risk, no fun!
(Beitragsbild oben: Leica M6 TTL mit 35mm Summilux bei f/1.4 1/4sec, Kodak Portra 160)
Im vorausgegangenen Blog-Beitrag hatte ich leichtsinnigerweise preisgegeben, dass ich zur Generalprobe der Lasershow „Der Hermann leuchtet“ nicht nur die Leica Q und M10 mit hatte, sondern auch die M6 TTL. Eine analoge Kamera in diesem Meer von digitalen Vollformat-Monstern war vermutlich so deplatziert wie ein Goldfisch im Piranha-Becken, aber die pure Experimentierfreudigkeit trieb mich voran. Dass meine Q und M10 einen voraussagbar guten Job abliefern würden, daran hatte ich keinen Zweifel, aber bei Film – da lehnt man sich doch weiter aus dem Fenster.
Hier noch einmal die Gesetzmässigkeiten, die der Fotograf zum Ablichten einer Lasershow beachten sollte:
- Relativ kurze Belichtungszeiten. Eigentlich gilt: Je kürzer, je besser, aber das wird durch die anderen beiden Parameter limitiert. Meist reicht als Kompromiss 1/125s aus, gelegentlich auch mal viel länger.
- Hohe ISO, also relativ rauschfreier Sensor.
- Lichtstarke Optik. Dabei rede ich von Blendenöffnungen von wenigstens f/2, besser f/1.7 oder f/1.4. Das trifft in der Regel nur für Festbrennweiten zu.
Das bedeutet, dass eine qualitativ gute Wiedergabe einer Lasershow leider eine Hardware-Schlacht ist, jedoch nicht zwangsläufig Vollformat erfordert. Im APS-C und im Micro-4/3 Bereich sind bei gutem Glas auch alle Voraussetzungen erfüllt.
Aber das gute Glas… seltsam, dass es so wenig Leute gibt, denen dieser einfache Zusammenhang vor allem zur effektiven Available-Light-Fotografie klar ist. Und so eine Lasershow fällt eigentlich in die Kategorie. Selbst an dem Abend der Generalprobe, als fast nur Zeitgenossen anwesend waren, die mehr oder weniger professionell fotografieren (hauptsächlich Presse), dominierten um mich herum sehr gute Kameras… mit lahmen Objektiven. Das ist so, als wenn man seinen Ferrari mit zwei Mühlsteinen beschwert, um die Bodenhaftung zu verbessern.
Nun hatte ich vor meiner M6 das 35mm Summilux, Lichtstärke also kein Problem, aber leider haperte es bei der Filmempfindlichkeit. Die schlappen 160 ASA des Kodak Portra, mit dem die Kamera geladen war, kann man nur als Spassbremse bezeichnen. Leider hatte ich nichts empfindlicheres da, denn die ganze Schnapsidee war ja ziemlich spontan entstanden.
TTL-Belichtungsmessung hin oder her (die nützte mir da wenig, ich hätte ebensogut die M2 nehmen können), bei einer Kamera ohne Belichtungsautomatik braucht man bei solch erratischen Lichtverhältnissen zumindest irgendeinen Anhaltspunkt, was einzustellen ist. Ich machte also das, was der Angelsachse als „educated guess“ bezeichnet. Nach Auswertung der Metadaten einiger Bilder aus den Vorjahren hatte ich herausgefunden, dass die bei dieser Lasershow entstehende mittlere Lichtmenge, um Sensor oder Film mit 160 (ISO oder ASA) richtig zu belichten etwa 2s bei Blende f/4.0 entspricht. Mit dem Summilux erreichte ich also höchstens 1/4s bei voller Öffnung. Naja, immerhin. Ich beschloss, damit zu pokern.
Es gab an diesem ersten Abend nur einen Durchgang der Show, und da ich die Q und die M10 auch einsetzen wollte, hatte ich für’s Analoge wenig Ruhe. Eigentlich war ich von mir selbst genervt, dass ich es mir antun musste, mit drei Kameras zu jonglieren. Das lag aber auch daran, dass ich zuvor schon einen anstrengenden Arbeitstag hatte. Wie auch immer, ich machte sechs oder sieben Bilder mit der M6, dann pflanzte ich die M10 aufs Stativ, die Q konnte ich aus der Hand bedienen. Später (nach der Show) machte ich noch eine Reihe Standbilder von der Illumination, aber das zählt technisch als „Langzeitbelichtung“, da ich die Blende etwas schloss und 4-6 Sekunden belichtete.
Kurz entschlossen
Das war Mittwochabend. Den ganzen Donnerstag und Freitag wurmte es mich ein bisschen, dass ich so wenig Ruhe für die M6 gehabt hatte. Dass die Langzeitbelichtungen was werden würden, daran hatte ich keinen Zweifel, aber der Rest? Am Samstag beschloss ich, schon wieder spontan, noch einmal hinzufahren. Das ist nämlich trotz der relativen Nähe von Detmold zu Vlotho kein Katzensprung, sondern erfordert fast eine Stunde Kurverei durch die sprichwörtlichen „Kalakutten“.
Ich hatte immer noch keinen empfindlichen Film. Das heisst, ich hatte Kodak Portra 400, aber nur als 120er Rollenfilm. Seit ich letztes Jahr mit der Texas-Leica auf Sylt war, hatte ich Mittelformat-mäßig aufgerüstet: Über den Winter ist eine Hasselblad 501c dazu gekommen. Mit der faszinierenden 500er Serie des V-Systems hatte ich schon länger geliebäugelt. Die Hasselblad ist modular gebaut, der eigentliche Body ist ein Würfel wie ein Borg-Cube (ich wusste, dass die irgendwas mit Schweden zu tun haben müssen, schon der Name…), der Spiegel, Aufzug-Mechanismus, Hilfs-Verschluss und Mattscheibe trägt. Die Belichtungszeit wird durch einen Lamellenverschluss im (Wechsel-) Objektiv gesteuert. Über die Mattscheibe kommt entweder ein Lichtschachtsucher oder ein Prismensucher, letzterer hat den Vorteil, noch einen Belichtungsmesser zu enthalten. Ansonsten handelt es sich mal wieder um eine rein mechanische Kamera, sehr sympathisch. Hinten wird das Film-Magazin angesetzt, das man mitten im Film mit einem „Magazinschieber“ abdichten und auswechseln kann. Das Abbildungsformat ist übrigens quadratisch, die produzierten Negative etwa 6X6 cm.
Update 28.03.18: Die Bilder aus der Hasselblad hatte ich zunächst als Rohscans eingestellt, jetzt habe ich sie gegen Scans aus dem Epson V700 getauscht! Die Scans aus dem Epson zeigen zwar immer noch nicht das, was wirklich in den Mittelformat-Negativen steckt, aber sind natürlich deutlich besser als die Rohscans (aber Pixelgrain behauptet ja auch gar nicht, dass die zu mehr taugen sollen als eine Übersicht zu bieten).
Die Intensiven Farben der Bilder geben die recht grelle Lichtstimmung real wieder. So eine Lightshow lebt nun mal von knalligen Farben, in zarten Pastelltönen ist da nichts zu machen. Weisse Flecken vor dem dunklen Nachthimmel in einigen Fotos sind übrigens Schneeflocken, die der starke Wind von den Bäumen wehte.
Ich habe zwei Objektive für die Kamera: Das 80mm Planar f/2.8 und das 50mm Distagon f/4.0, entsprechend 50 und 35mm Kleinbild-Brennweite. Trotz 400er Film leider kein Vorteil gewonnen, bei f/2.8 gilt dann immer noch 1/4s Belichtungszeit, aber ich hatte einfach Lust, die Kamera anzuwenden.
Das sperrige Ding würde ich übrigens nie wie meine Kleinbildkameras ausführen (auch, wenn sie mit Apollo 11 auf dem Mond war, aber da war sie ja auch 6X leichter!), gedacht habe ich sie für gezielte Einsätze in der Landschaftsfotografie. So ein Teil ist am bequemsten auf einem Stativ zu bedienen. Als ich damit beim Hermann aufkreuzte, hatte ich ein Gefühl, als brächte ich ein Korkengewehr zu einer Großwildsafari mit. Da dieser Klotz nicht zu übersehen ist, starrten die Umstehenden verwundert auf den Kasten. Sie konnten das Gerät gar nicht einordnen, vor allem, als ich noch daran herumkurbelte und einen Drahtauslöser anschraubte. Die meisten hielten es für eine antiquierte Video-Kamera, hat durchaus Ähnlichkeit.
Arktische Verhältnisse
Der Vorteil an so einem „normalen“ Abend am Hermann ist, dass es mehrere Durchgänge nacheinander gibt, ich mich also jedesmal ausschliesslich nur mit einer Kamera befassen musste. Es hätte ganz entspannt sein können. War es aber nicht. Wetterbedingt. Schon am Vortag hatte es kräftig geschneit, die Temperatur war am Abend auf -7° gesunken. Warm genug angezogen war ich, aber der Windchill bei den Böen um 60km/h und mehr, die durch die Waldschneise zum Denkmal fegten, war so mörderisch, dass man sich auf dem Alpenhauptkamm wähnte. Meine Finger waren trotz Handschuhe in kürzester Zeit so durchgefroren, dass ich nicht mehr fühlen konnte, was wo an der Kamera war. Ich fand bei der Q nicht mal mehr den Auslöser. Wegen der widrigen Bedingungen konnte ich während der Show nur eine Rolle Film belichten, es war einfach zu kalt. Das hatte ich mir anders vorgestellt.
Das Aufwärmen der Finger im Empfangsgebäude war schmerzhaft. Es dauerte fast zehn Minuten, bis ich in der Lage war, den Film im Magazin zu wechseln. Danach machte ich mit der Hasselblad noch ein paar Langzeitbelichtungen, brachte sie zum Auto und machte noch eine Reihe Aufnahmen mit Q und M10 (die man in der Galerie am Ende des vorigen Blog-Beitrags sehen kann).
Wegen der prinzipiell zu langen Belichtungszeit hatte ich nicht allzu viel erwartet, aber dafür ist doch etwas dabei herausgekommen. Schliesslich habe ich auch nur wenige Bilder zur Auswahl, statt dutzender digitaler Dateien. Aber ich weiss jetzt, dass es geht (was ich mir selbst zu beweisen hatte), und wenn ich nächstes Jahr dabei bin, nehme ich hochempfindlichen Film mit, dann kann ich mit Digital locker gleichziehen!
Hallo Claus, tolle Bilder des beleuchteten Hermanns, gerade vor dem Hintergrund Analog ziehe ich mein Hut noch mehr. Gibt es zu der Hasselblatt eine ausführliche Vorstellung bspw. Wie bei der Texas Leica, oder wolltest Du die uns “einfach so unterjubeln“.
Die Hasselblad kam im Winter „so dazu“ (Mittelformat-Fieber), ich wollte allerdings mit einem erschöpfenden Bericht dazu warten, bis ich mehr eigenes Bildmaterial daraus habe. Im Winter war zu wenig Gelegenheit und Zeit.
Ein faszinierendes Stück Technik, aber nicht, um sie so bequem dabei zu haben wie eine Q- oder M-Leica (oder gar die IIIf).
lg Claus
Lieber Claus
Respekt, tolle Bilder. Du beherrscht Dein Handwerk wirklich gut. Gelernt ist gelernt. Hätte Dich gerne gesehen, wie Du mit Deinen 3 Kameras im Einsatz gewesen bist.
Schöne Ostertage und lieben Gruss aus der Schweiz
Hihi, eigentlich ist mein Handwerk ja Löcher bohren und so… aber das hat alles miteinander zu tun… sozusagen (hüstel) holistisch.
Mit den drei Kameras war noch halbwegs geordnet, die Q umgehängt, eine auf dem Stativ und die dritte in der Tasche. Trotzdem, stimmt schon: Jede Kamera erfordert anderes Denken bei der Bedienung, und das erfordert Konzentration. Entspannt fotografieren ist was anderes. Die ganze letzte Woche war ich mit „One Lens, one camera“ unterwegs, sehr viel beruhigender, davon in Kürze mehr.
Schöne Ostern und liebe Grüße in die Schweiz,
Claus
Lieber Claus,
ich bin beeindruckt von Deinen analogen Nachtaufnahmen einer Luminale, die mir hervorragend gefallen. Was mich noch interessiert: wie ist die Bildwirkung auf Fotopapier oder als Inkjetprint in den Details und in der Gesamtwirkung ab Din A3? Konntest Du das schon feststellen? Für mich ist immer das physische Resultat das fotografische Ziel 🙂
Die Hasselblad 501 ist schon iptisch und haptisch super, oder? Ich habe „nur“ die 500C, bei der der Sucher für meinen Geschmack leider etwas dunkler ist. Dennoch ist der Sympathiefaktor sehr hoch. Zusätzlich verwende ich sie gern als Requisite.
Nochmals danke für den inspirierenden Artikel und Gratulation zu den tollen Bildern!
Grüße von Thomas
Hallo Thomas,
genau wie du lege ich Wert darauf, dass die fertigen Bilder nicht nur „mini“ im Internet hübsch aussehen, sondern auch das Ausdrucken/Ausbelichten in größerem Format „aushalten“. Mein Epson Drucker zuhause gibt nur DIN A3+ aus, aber das machen sogar die Nikon Coolscan-Scans der Kleinbild-Negative locker mit. Ein interessantes Phänomen ist, das Körnung, die man auf dem Monitor sieht, im Print kaum auffällt, dafür fein aufgelöste Details des Motivs hervorkommen.
Die Mittelformat-Negative kann ich leider nur mit dem Epson V700 scannen, daher kommt längst nicht das Potential ‚rüber, das drinsteckt. Aber trotzdem liegt die Auflösung schon bei ca. 50MP, Dynamik ist einigermassen gut und Ausdrucke von diesen Dateien sind in der Feinheit der Details geradezu verblüffend. Es liegt nahe, dass die wesentlich mehr abkönnen. (btw: Die Rohscans im Artikel habe ich jetzt gegen die Epson-Scans getauscht. Ein deutlicher Unterschied, vor allem in der Dynamik)
Was würde man da erst mal rausholen, wenn man die „vernünftig“ sannt? Mit einem Imacon oder so? Von so einem Ding träume ich ja…
Ich sah in deinem Blog, dass du in Berlin in der Ausstellung von/über Irving Penn warst. Da war ich vorgestern auch! Hat mich sehr stark beeindruckt! Habe gewisse Lehren aus dem gezogen, wie er mit Licht und Schatten umgeht, ausserdem habe ich neue Inspiration mitgenommen.
Viele Grüße,
Claus
P.S. Ich finde den Lichtschacht-Sucher der Hasselblad auch zu dunkel, acute-matte-Mattscheibe hin oder her. Darum habe ich mir einen Prismensucher besorgt.
Lieber Claus
Da sag ich doch nur: Na? Geht doch! Wenn man sein Handwerk versteht kann auch Analog tolle Bilder machen.
BTW: ich habe am Samstag in Bern in der Nacht die M 240 „gequält“, während ich mich dabei „Puddelwohl gefühlt habe hat meine Frau ihre ersten Nachtaufnahmen aus der „Kuh“ gequetscht. Da kann ich auch nur sagen: Na? Geht doch! 🙂
LG aus der Schweiz
Brr, sorry, deutsche Sprache, swere Schprache 🙂 Das hat getippt, aber nicht das was das Hirn gedacht hat. Ich bitte dies zu entschuldigen.
Hallo Matthias,
Nachtaufnahmen haben immer was „handwerkliches“ an sich, digital wie analog, weil man sich da eher nicht (manchmal schon) auf Automatiken verlassen kann. Das macht auch den Reiz aus, sich damit zu befassen.
Viel Freude weiterhin, möge die Nacht mit dir sein…
Claus