Leica hatte immer schon ein Talent für skurrile Bugs. Aber vielleicht ist die Aussage ungerecht. Insofern, dass Bugs definitionsgemäss skurril sind und ich nicht beobachte, was bei Canon, Nikon etc. in der Hinsicht schief läuft. Zudem befand sich dieser spezielle Bug auch nicht in der Kamera, daher hat auch die Lösung des Problems nichts mit dem Firmware-Update zu tun, das gestern veröffentlicht wurde.

Wie auch immer, jedenfalls waren bei der Leica Q3 von Anfang an bei den DNG’s  die Kelvin-Werte des Weissabgleichs in den unterschiedlichen Raw-Konvertern (z.B. Lightroom oder Capture One) absurd hoch. Der Weissabgleich war dabei an sich durchaus stimmig, mit den normalen Abweichungen je nach Lichtbedingungen, die ich gewöhnlich „nach Gefühl und Wellenschlag“ korrigiere. Oft genug kann man aber den automatischen Weissabgleich der Kamera durchaus als realistisch akzeptieren.

Leica Q3
Blick vom Jöchele, Tannheimertal. Erinnert mich irgendwie an Windows XP…. Leica Q3 bei f/5.6 1/800s ISO 100

Das betraf nicht nur den automatischen Weissabgleich. Wenn man z.B. den Kelvin-Wert in der Kamera fest auf 5500 K einstellte (ein normaler Wert für Tageslicht), wurden die resultierenden DNG’s in LR mit 7050 K und in Capture One mit 7569 K angegeben. Wären das die korrekten Kevin-Zahlen für die betreffenden Dateien, müssten die quittegelb sein.

Die hohen Zahlenwerte bei den Q3-Dateien machten eine Vergleichbarkeit mit DNG’s aus der Leica M10 oder M11 schwierig, weil von Farbtemperatur und Tönung identisch aussehende Bilder um mehrere tausend Kelvin differierten. Das war gelinde gesagt unpraktisch, wenn man z.B. ein Event mit Leica Q3 und M11 fotografierte und einen einheitlichen Look anstrebte.

Korsika
Korsika, Küste bei Porto. Leica Q3 bei f/5.6 1/640s. ISO 100

Eine Anfrage zur Leica Q3

Anfang November letzten Jahres stellte ich diesbezüglich eine Anfrage an den Customer Care und legte das Problem dar. Zwei Tage später bekam ich Bescheid, dass man das Problem an die Entwickler weitergeleitet hätte und man mich kontaktieren würde. Leicatypisch passierte dann lange gar nichts. Vor ein paar Tagen dachte ich, es sei Zeit, mal wieder nachzuhaken. Und wirklich: Umgehend traf die Antwort ein, bei Adobe sei das Problem inzwischen gelöst, aber Capture One und Apple stünden noch aus.

Ich war verblüfft, weil ich eben erst jede Menge Bilder aus der Leica Q3 vom Skiurlaub in Lightroom Classic importiert hatte und die Kelvin-Werte so hoch wie immer waren. Ich machte Lightroom (das normale für Desktop) auf und staunte nicht schlecht, weil dort die identischen DNG’s endlich realistische Kelvin-Werte aufwiesen.

Wie immer in solchen Fällen war ein wenig „reverse engineering“ gefragt. Warum wurde die Farbtemperatur identischer Dateien unterschiedlich dargestellt? Das herauszufinden war allerdings kaum Reketentechnik, denn die Antwort steht direkt über der Anzeige der Farbtemperatur: Das Profil ist des Rätsels Lösung! Lightroom ist das letzte Mal im Lauf des Dezember upgedatet worden und  seither wird für Leica Q3 Dateien beim importieren standardmässig das Profil „Adobe Farbe“ verwendet, bei dem die korrekten Kelvin-Zahlen der Kamera angezeigt werden. Auch die anderen Farbprofile behalten das bei. „Adobe Standard“ hingegen gibt es für die Q3 gar nicht mehr, stattdessen findet sich „Adobe Standard v2“ als Alternative, wenn man ein Farbprofil mit moderater Farbsättigung und Kontrast wünscht.

Bei manchen Fotos ist es nicht ratsam, einfach von Adobe Standard auf ein anderes Profil zu wechseln. Beim obigen Beispiel ist links Adobe Standard und rechts Adobe Farbe bei identischem Weissabgleich (wie Aufnahme, vermutlich würde ich das Bild eigentlich etwas „abkühlen“). Adobe Farbe hat (bei dieser Beleuchtung) zu viel Rot-Anteil für meinen Geschmack. Dann sollte man besser zu „Adobe Standard v2“ gehen. Es ist sogar etwas kontrastärmer und weniger gesättigt als das ohnehin moderate Adobe Standard, aber das kann man leicht ausgleichen (Tonwerte, Dynamik).

Und das ist in LR Classic genauso, nur hatte ich es nicht gecheckt, weil ich bisher gewohnheitsmässig DNG’s aus M11 und Leica Q3 mit dem gleichen „selbst gestrickten“ Grundeinstellungs-Preset importiere, in dem Adobe Standard als Profil vorgesehen ist. Wenn ich das Preset auf Q3-Dateien anwende, wird weiterhin die falsche Kelvin-Zahl angezeigt. Bei der M11 ist alles ok, darum findet sich beim Import von M11 DNG’s nach wie vor das Profil „Adobe Standard“.

Leica Q3
St. Leonhard, Defereggental. Am frühen Abend aus der Hand fotografiert, gelobt sei die Bildstabilisierung. Leica Q3 bei f/1.7 1/4s ISO 2000

Der Wert für die Tönung (grün-cyan) war gleichermassen „off“ und ändert sich proportional. Was nicht geht: Man kann nicht einfach von „Adobe Standard“ auf ein anderes Farbprofil schalten, wenn man den Weissabgleich „benutzerdefiniert“ verändert hat. Dann werden die Zahlen 1:1 übernommen und der resultierende Weissabgleich ist natürlich völlig daneben.

Nun kann man nach wie vor die Farbtemperatur-Werte zwischen M11 und Q3 nicht einfach gleich machen, denn auch die Optik vor der Kamera und vermutlich auch unterschiedliche Filter vor dem Sensor erzeugen bei der Messung der Lichttemperatur abweichende Werte. Selbst bei der M11 kommt nicht unbedingt das gleiche heraus, wenn ein Apo-Summicron davor ist oder ein, sagen wir, Schraubleica-Summitar. Die M11 legt z.B. als (festen) Tageslicht-Wert 5100 Kelvin fest, bei der Leica Q3 sind es 5500 Kelvin. Aber immerhin liegen die Weissabgleich-Werte jetzt nah beieinander.

Leica Q3
Langzeitbelichtung: Hochwasser an der Weser. Leica Q3 bei f/4 15s. ISO 400

Fazit

St. Jakob
Leica Q3 bei Serienbildeinstellung und Autofokus auf Verfolgung

Das mit den Kelvin-Werten war zwar irgendwie irritierend, hat mich aber nicht an der Bildbearbeitung gehindert. Trotzdem besser, dass die jetzt im realistischen Bereich liegen. Obwohl ich unheimlich gern zur M11-P greife, gibt es Gelegenheiten, wo die Leica Q3 einfach bequemer zu handhaben ist. Die vielen familiären Events um die Weihnachtszeit herum (Kekse backen, Heiligabend, Einsatz der Kantorei im Spätgottesdienst, boßeln mit Freunden etc.) und gerade erst wieder im Skiurlaub. Die Leica Q3 mit dem schnellen Autofokus kann einhändig bedient werden (bei Bedarf auch während der Fahrt) und nagelt bei Serienbildeinstellung (4B/Sek.AF) und „Verfolgung“ vorbeiflitzende Skifahrer Bild für Bild scharf ab. In der dunklen Jahreszeit mangelt es beim Besuch von Weihnachtsmärkten u.ä. zudem meist an Licht und die Bildstabilisierung macht es leicht, ISO zu sparen. Überhaupt habe ich in letzter Zeit (auch im Winterurlaub) einige Langzeitblichtungen mit der Q3 gemacht. (Nimmt man den Sternenhimmel auf, sollte man vorher manuell auf „Unendlich“ stellen, weil der Autofokus bei der Dunkelheit Schwierigkeiten hat) Die Leica Q3 ist einfach unglaublich flexibel in der Anwendung und bietet eine exorbitante Bildqualität. Ob es einem das Preis-Leistungsverhältnis wert ist, muss jeder für sich entscheiden.

Leica Q3
Defereggental. Langzeitbelichtung. Obwohl ISO und Belichtungszeit zur besseren Darstellung des Sternenhimmels großzügiger gewählt werden müssten, erkennt man schon die Milchstrasse. Mehr ging aber nicht wegen der Light-Pollution durch die Beleuchtung von Strasse und Häusern. Leica Q3 bei f/2.8 15s. ISO 200

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