Im März 2020 wurde das öffentliche Leben weitgehend gestoppt und die Bevölkerung in eine Art Massenquarantäne versetzt, den sogenannten Lockdown. Grund war eine bis dahin in dem Ausmass unbekannte weltweite Pandemie, die uns die nächsten Jahre beschäftigen würde. Ich zeige in diesem Artikel ein paar Bilder aus März/April/Mai/Juni 2020 die illustrieren, was mit uns passiert war.

Viele der damaligen, staatlich verordneten Massnahmen werden heute sehr kritisch hinterfragt und sind von hoher politischer Brisanz. Aber hinterher ist man immer schlauer. Damals gab es für etwas derartiges keinerlei Erfahrungswerte. Auf keinen Fall möchte ich mit diesen Bildern die sprichwörtliche „Büchse der Pandora“ öffnen und hier eine politische Diskussion entfachen. Ich werde nicht zulassen, das jemand die Kommentare dafür missbraucht. Ansonsten ist jeder willkommen, seine persönlichen Erinnerungen zum Besten zu geben.

Lockdown
Die Eisdiele in Vlotho hiess übrigens schon seit den 60er Jahren „Corona“, nach dem Besitzer. Leere Stadt, fast alles zu. Das öffentliche Leben kam zum erliegen. Leica M6 TTL, TMax 400

Die eigentlichen Helden waren damals die Verkäufer/innen in den Läden, Poststellen und an den Supermarktkassen und alle, die zur „kritischen Infrastruktur“ gehörten:

Da die Versorgungskette nicht reibungslos funktionierte, wurde viele Artikel zur Mangelware, was zu Hamsterkäufen führte. Daraufhin beschränkten die Supermärkte den Abverkauf bestimmter Produkte.

Lockdown
Und was soll dieses Bild? Es zeigt einen der meist-gehamsterten Artikel (neben Nudeln und Mehl): Klopapier! Offenbar konnte sich keiner das Leben ohne diese Produkt vorstellen. Auch der Rat: „Beidseitig benutzen! Der Erfolg liegt auf der Hand!“ war keine Lösung.

Das Beitragsbild zeigt übrigens ein leeres Tattoo-Studio. Aber auch zum Friseur konnte keiner gehen. Wir kauften uns selbst Haarschneidemaschinen. In meiner Praxis wurde alles auf Sparflamme heruntergefahren, es wurden nur akute Fälle behandelt. Meine Prophylaxe-Helferinnen schickte ich in Kurzarbeit. Über die Haupt-Infektionswege war noch wenig bekannt, aber jeder nahm an, eine Zahnarztpraxis sei in dieser Hinsicht der siebte Vorhof der Hölle. Was sich nicht bewahrheitete, die Hygiene war schon „standardmäßig“ auf einem derart hohen Stand, dass tatsächlich gar nichts passierte. Bis ich mich wirklich mal mit Covid-19 ansteckte, verging noch über ein Jahr und das war ironischerweise im Wanderurlaub, natürlich im Hotel. Auch die Helferinnen holten sich das überall woanders, nie in der Praxis.

Lockdown
Der Renner der Saison: Plexiglas als Spuckschutz über der Anmeldung in der Praxis

Wir trugen in der Praxis fortan alle ständig Mundschutz. Weil jetzt FFP-Masken empfohlen wurden, die wir bis dahin nie benutzten, waren die plötzlich totale Mangelware. Ein Kollege berichtete mir, er hätte welche zum Preis von 25 Euro pro Stück (!!) im Internet gekauft. Mir schenkte ein Patient, der Handwerker ist, einige aus seiner Werkstatt mit dem Hinweis, er wolle nicht, dass ich mich anstecke. Das rührte mich fast zu Tränen.

Ich muss meinen Mitarbeiterinnen heute noch Anerkennung zollen: Keine drückte sich, die notwendige Arbeit in der Praxis zu machen (und das habe ich auch anders gehört), obwohl noch niemand das Risiko einschätzen konnte. Anders als z.B. in Großbritannien, wo die Schliessung aller Praxen zu extremen Notfällen führte, hielten wir die Versorgung aufrecht, denn Zahnkrankheiten sind nicht nur „lästig“, sondern können in bestimmten Fällen zu lebensbedrohlichen Zuständen führen.

Insgesamt zeigte allerdings der Staat mal wieder, was er von uns Zahnärzten hielt: Wir waren nicht „Systemrelevant“. Zahnärzte-Ehepaare durften z.B. ihre Kinder nicht in die Notfall-Kindergärten geben. Die Patienten waren dankbar, dass wir da waren, der Staat ignorierte uns weitgehend.

Praxis-Verbrauchsmaterial wurde zur Mangelware und die Preise stiegen um 500% (das ist bis heute so!) Hand-Desinfektionsmittel wurde überall von den Wänden geklaut und wir mussten unseren Praxis-Vorratskeller extra sichern. Andererseits wurden teilweise absurde Medizinproduktegesetz-Vorschriften null und nichtig: Wir durften z.B. unsere 1-Liter Sterillium Flaschen (für die Wand-Halter) nach dem Gesetz nicht selbst nachfüllen, weil wir dazu nicht die „Fachkunde“ hatten (nein, die hat nämlich nur ein Apotheker!). Plötzlich durften wir auch Vodka  in die Behälter füllen, Hauptsache es desinfiziert irgendwie.

Ich hatte das Pech, dass in dem Frühjahr meine Leukämie akut wurde und ich das ganze Jahr Infusionen bekam. Vor den Krankenhäusern war Security, in den nächsten 2-3 Jahren wurde das zur Gewohnheit.

Lockdown
Der sonntägliche Gottesdienst wurde aus einer leeren Kirche übertragen. Chorsingen war eingestellt, und daran gingen einige Chöre kaputt. Unsere Kantorei hat „überlebt“

Die Kirche musste sehr schnell IT-mässig auf den neuesten Stand kommen, und wir alle lernten viel in der Hinsicht dazu. Facetime und Zoom boomten und die ITler waren in Goldgräber-Stimmung. Ich selbst habe auch mal einen Gottesdienst (in dem ich selbst an der Musik mit Querflöte beteiligt war) mit Leica Q gefilmt und das Ergebnis war  durchaus akzeptabel. Wir trafen uns mit Freunden öfter auf Facetime, um zusammen ein Glas Wein zu trinken.

Es war nicht ganz klar, wie die Versorgung weitergehen sollte, da viele Transportwege nicht mehr liefen. LKW-Fahrer waren auch allein gelassen, als plötzlich alle Raststätten (zumindest kurz) geschlossen wurden. Darum legten wir wie viele wieder Gemüsebeete an.

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Im übrigen gingen wir wandern. Den Vorteil hatten wir auf dem Land gegenüber der Stadtbevölkerung: Viel Gegend und frische Luft.

Im Lockdown hatten wir „auf dem Land“ den Vorteil, dass wir keine Einschränkungen hatten, das Haus zu verlassen. Wir wanderten viel (was für uns nichts neues war, aber plötzlich kamen viele auf den Gedanken). Ausserdem hatten wir unsere Gärten (im Gegensatz zu einer Stadtwohnung). Eine gute Freundin, die in Strassburg wohnt, durfte nur eine Stunde am Tag das Haus verlassen und das wurde streng kontrolliert.

Der Wetterbericht war nicht mehr so akkurat, weil ganz viele Flieger mit Wettersonden am Boden blieben. Dafür ging die Feinstaub-Belastung deutlich zurück, die Natur erholte sich.

Im Mai machte die Eisdiele „Corona“ wieder auf und alle freuten sich. Maskenpflicht kam erst kurz danach.

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Gisle Viken Sunde, Singer/Songwriter aus Norwegen, nach Ostwestfalen „versprengt“

Ich habe ja viele Kontakte in die Musikszene und was da ablief, war wirklich Mitleid erregend. Die meisten hatten keine Chance auf Engagements, öffentliche Konzerte würde es noch lange nicht (wieder) geben. Auch unsere Kantorei hätte in dem Jahr ein Oratorium aufgeführt, das wurde natürlich abgesagt. Das nächste größere Werk wurde erst 2022 aufgeführt (Mozart Requiem).

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Noch mehr gestrandete Musiker. In Minden traf ich die Mitglieder der Rockband Illumenium. Plaubel Makina 67, Kodak Tri-X

Einige Bilder aus Bielefeld, nachdem die Maskenpflicht eingeführt war (alle mit Plaubel Makina 67 und Ilford HP5):

Im Juni waren wir ein langes Wochenende in Bergen und Alkmaar in den Niederlanden und trauten unseren Augen nicht: Kein Mensch trug hier eine Maske oder kümmerte sich (ernsthaft) um Kontakt-Beschränkungen. Das war für uns geradezu unheimlich und auch wieder zu das andere Extrem. Zurück am Montag las ich in der Zeitung: „Große, krawallige Demo in Den Haag wegen der Corona-Massnahmen“. Was für Massnahmen?, dachte ich.

Der Lockdown war ja schon beendet und wir fuhren sogar in Urlaub (womit ich nicht gerechnet hätte) ins Kleinwalsertal. Es gab viele fantasiereiche Lösungen, irgendwie soziale Kontakte zu pflegen und Kultur stattfinden zu lassen, die Pandemie war  noch lange nicht beendet. Weihnachten war ich das erste Mal nicht im Spätgottesdienst, um Musik zu machen. Wir machten zuhause das Beste daraus.

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Weihnachtsfeier. Das einzige Nicht-analoge Bild in diesem Beitrag.

Aber 2020 war erst der Anfang. Die nächsten Jahre standen stark im Zeichen der Pandemie. Die Entwicklung von Schnelltests, Impfstoff, Corona-App, Maskenpflicht und viele mit der Pandemie verbundenen Einschränkungen des sozialen Umfelds bestimmten unser Leben. Die letzten gesetzlichen Schutzmassnahmen liefen am 07. April 2023 aus, das offizielle Ende der Pandemie wurde erklärt. Das heisst nicht, dass wir nicht weiterhin mit dem Virus und den Folgen zu kämpfen haben.

7 Kommentare

  1. Olaf Reichardt

    Ein schöner Beitrag über eine in jeder Form ungewöhnlichen Zeit, der viele Erinnerungen wieder an die Oberfläche bringt…dafür vielen Dank!
    Wie ist denn das Übel mit Ihrer Leukämie ausgegangen bzw. weiter gelaufen?

    • Claus Sassenberg

      Ein Jahr lang bekam ich alle drei bis vier Wochen Infusionen. Ein Triumph der modernen Pharmazie, die Leukos wurden nur so weg gebrutzelt. Seither ist die Leukämie (eine CLL) bei mir auf Sparflamme.

      • Hallo Claus,

        dass ist doch die erfreulichste und beste Information/Nachricht dieses Beitrages überhaupt! Ich hoffe und wünsche Dir weiterhin solch gute Erfahrung.

        Beste Wünsche Dir, auch für Deine Gesundheit
        Martin

      • Claus Sassenberg

        Hallo Martin,

        damals habe ich nichts darüber im Blog geschrieben, es war für die Webseite nicht relevant. Ich kam durch und lebte weiter (dann kam die blöde Prostata, auch Geschichte), heute bin ich fit wie immer.

        Hoffentlich ist bei dir auch alles ok, schreib mal wieder!

        Liebe Grüße,

        Claus

      • Olaf Reichardt

        Neben dem wunderbaren Artikel ist dies der erfreulichste Inhalt dieses Beitrag. Freut mich für Sie !

  2. Danke für diesen Beitrag – und die Bilder. Ich habe damals gar nicht so viele gemacht. Am meisten erinnere ich mich hier in Berlin an die Rückkehr der Tiere mitten in der Stadt. In Ruhe auf Hauptverkehrsstraßen watschelnde Enden, der Reiher, der plötzlich auf dem Balkon stand und ich dachte, „die brauchen uns nicht, das wird ganz schnell gehen“ und war sehr beruhigt.

    • Claus Sassenberg

      Ja, wenn etwas gut war, dann die Ruhe. Die Natur erholte sich überraschend schnell. Und – wenn das auch für manche existenziell bedrohlich war, weil ihre Jobs daran hingen – viel Hektik verschwand aus unserem Alltagsleben, man „kam runter“.

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