Nächste Runde bei den M-Files: Diesmal geht es erneut um Zeiss-ZM-Objektive; diese Reihe fristet ja doch eine Art Schattendasein. Vorgestellt werden drei Brennweiten, die für die Messsucherfotografie besonders attraktiv sind: das Biogon 2,8/21 T*, das Biogon 2,8/28 T* und das Tele-Tessar 4/85 T*.

Biogon
Berlin. Zeiss Biogon ZM 2,8/28 an Leica M10, f/2.8, 1/125sec, ISO 8000. Alle Bilder in diesem Artikel wurden aus DNG-Dateien entwickelt – mit dem Ausmaß an Post-Processing, das für die meisten wohl einen normalen Workflow darstellt. Kein Nachschärfen, kein Beschnitt.

Es war hier schon mehrfach die Rede davon, dass es auch jenseits von Leica interessante Optik-Optionen gibt, die objektiv attraktiv sind. Claus Sassenberg hat ja mehrere Voigtländer-Linsen vorgestellt, und auch im Zeiss-Programm gibt es einige Schätzchen. Davor kann und sollte man auch als Leica-Fan und bei allem Respekt vor der Geschichte der Marke und der aktuellen Arbeit der Leica-Leute die Augen nicht verschließen. Finde ich, und das war ja auch der Auslöser für das M-Files-Projekt (https://www.messsucherwelt.com/die-m-files-einleitung/). Heute nehme ich mir drei weitere Objektive aus dem Zeiss-Programm vor: Wie gut sind die Biogone 2,8/21 und 2,8/28 sowie das Tele-Tessar 4/85 im praktischen Gebrauch?

Biogon
Ein sympathisches und vielseitiges Trio: Zeiss Biogon ZM 2,8/21, Biogon 2,8/28 und Tele-Tessar 4/85. Sie kosten zusammen übrigens weniger als fast jedes einzelne Leica-Objektiv. In einem Kit würde ich das 28er allerdings gegen ein 35er austauschen.

Zeiss, Voigtländer, Zeiss: Menage à trois

Die Zeiss-ZM-Objektive kamen 2004 als Neukonstruktionen auf den Markt, begleitend zur Zeiss Ikon Messsucherkamera. Die analoge Kamera ist längst vom Markt genommen (und gilt inzwischen als Sammlerstück), doch die meisten Objektive sind weiterhin neu erhältlich. Das trifft jedenfalls auf den Jahreswechsel 2021/22 zu, mehr dazu weiter unten. Wie ich höre, sind die Verkaufszahlen der ZM-Objektive sehr überschaubar, und das trotz eines sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnisses. 

Voigtländer kommt immer wieder mit spannenden Neuheiten um die Ecke, während bei Zeiss in dieser Hinsicht nichts mehr geht. 

Der gemeinsame Ursprung in der Cosina-Fabrik in Japan ist gleichwohl nicht zu übersehen, und sei es bei der besonderen Weise, wie die Gegenlichtblenden montiert werden. Zeiss und Cosina nutzen dafür ein Bajonett. Funktioniert super, hält perfekt, nur wenn der Bajonettring nicht so spiegelnd verchromt glänzen würde, wäre es noch besser. So geht von ihm nämlich ohne angesetzte, teuer als Zubehör zu erwerbende, Blende eine leichte Flare-Gefahr aus.

Zeiss ZM: Mehr ein Echo aus der Vergangenheit als eine Verheißung für die Zukunft

Biogon
Nicht nur mal kurz um den Block: Alle Kameras und Objektive, die in den M-Files vorgestellt werden, wurden ausgiebig und in der Praxis getestet.

Bei Zeiss sieht alles so aus, als sei das 2014 auf der Photokina vorgestellte, optisch überragende Distagon 1,4/35 (https://www.messsucherwelt.com/m-files-11-zeiss-distagon-zm-liebe-auf-den-ersten-und-den-zweiten-blick/) das letzte Objektiv für M-Bajonett, das entwickelt wurde. Von einer sehr zuverlässigen Quelle habe ich gehört, dass Zeiss die gesamte Photosparte auf den Prüfstand gestellt hat. Es wäre ein Jammer, und der (sorry, erwartbare) Flop mit der teuren Digitalkamera ZX-1 sollte dafür doch nicht ausschlaggebend sein. Also von hier aus nach Oberkochen: Liebe Leute bei Zeiss, vergesst nicht, wo Euer Weltkonzern herkommt, und werft die Flinte nicht vorschnell ins Korn. 

Konventionelle Konstruktionen und eine legendäre Vergütung

Wer sich mit dem Thema Zeiss ZM grundsätzlicher beschäftigen will, kann gerne Teil 5 sowie Teil 11 (Links siehe ganz am Ende) der M-Files lesen und sich auch gerne in der englischen Version die vielen und oft sehr kompetenten Nutzerkommentare zur englischen Episode 5 (Links siehe ganz am Ende) und zur englischen Episode 11 ansehen. 

Hier soll es bei dem Hinweis bleiben, dass Zeiss bei der ZM-Serie auf Asphären und flaoting elements weitgehend verzichtete und eher darauf setzte, konventionelle Konstruktionen weiter auszureizen. Im Ergebnis sind die Objektive oft ein wenig größer, aber sie sind günstiger herzustellen. Dass mehr Linsen im Spiel sind und damit das Streulicht-Risiko steigt, soll die exzellente T*-Vergütung ausgleichen.

Getestet an der M10, aber die Ergebnisse sind auf analog übertragbar

Die drei hier vorgestellten Objektive sind also nicht besonders klein, und es handelt sich im Kern um Konstruktionen aus der analogen Ära, die nun auch schon 15 Jahre oder so auf dem Buckel haben (und das waren 15 Jahre, in denen sich bei der Objektiv-Technologie viel getan hat!). Daher war die Teststellung mit der M10 als primärem Gehäuse recht anspruchsvoll. An der M Typ 262 wäre es vermutlich noch sportlicher gewesen, weil sie viel anfälliger für Farbverschiebungen ist, mehr dazu in den Abschnitten über die einzelnen Objektiven. 

Auf Film habe ich nicht systematisch getestet, aber die Erfahrung mit elf Teilen M-Files zeigt mir: Wenn ein Objektiv an einer digitalen M gut funktioniert, darf man auch auf Film gute Qualität erwarten. Nur bei den chromatischen Aberrationen fehlen im Analog-Workflow natürlich die einfachen Korrekturmöglichkeiten der gängigen Bildbearbeitungs-Software.

Das Biogon 2,8/21: Scharf und vielseitig

Biogon
Das Biogon 2,8/21 ZM T* von Zeiss, hergestellt durch Cosina in Japan

Das erste Objektiv in diesem 12. Teil der M-Files hat eine wahrhaft klassische Messsucher-Brennweite. Das 21er gehört seit Jahren zu den Favoriten, und das nicht ohne Grund. Denn gerade die Superweitwinkel waren ja sehr lange die Domäne der (Mess-)Sucherkameras – für die Spiegelreflex galten sehr kurze Brennweiten früher als recht problematisch, weil ja wegen des Schwingspiegels ein großes Auflagemaß einzuhalten war.

Das 21er ist so sehr zu einem festen Standard geworden, dass ich tatsächlich Fotografen kenne, die diese Brennweite ohne Sucher beherrschen. Sie haben einfach ein über Jahrzehnte geschultes Gespür, was der 90-Grad-Bildwinkel (diagonal) hergibt. Ich gehöre nicht dazu, aber es bleibt festzuhalten, dass Leitz, Zeiss, Schneider-Kreuznach und andere über die Jahrzehnte eine fast unübersehbare Vielzahl von 21ern auf den Markt gebracht haben. In dieser Ahnenreihe gehört das ZM Biogon mit 1:2,8 zu den lichtstärkeren Vertretern.

Biogon 2,8/21: Ein paar technische Daten

Das Biogon 2,8/21 ist gegenüber den früheren (und meist lichtschwächeren) Konstruktionen nicht besonders klein. Es sieht aus und fühlt sich an wie die meisten ZM-Optiken, hat wie viele seiner Geschwister ein 46er Filtergewinde und wirkt mit 62 Millimetern (ohne Deckel, mit sind es 75) eher länglich bei 53 Millimetern Durchmesser. Das Gewicht habe ich mit 294 Gramm gemessen (mit beiden Deckeln).

Sagen wir’s mal so: Fürs Unboxing-Video taugen die dünnen Zeiss-Kartons und die spartanische Ausstattung nicht. Auch eine Gegenlichtblende ist nicht mit dabei; zum  

Biogon 2,8/21 gehört die Blende mit der Teilenummer 000000-1365-665 (eckig, passt auch auf das Biogon 2,8/25 und das C Biogon 4,5/21). Die Blende kostet etwa 80 Euro und bringt nicht sehr viel außer mechanischem Schutz. Und sie deckt den chromblitzenden Montagering ab, was tatsächlich nicht ganz unwichtig scheint.

Biogon 2,8/21: Optik und Abbildungsleistung 

Konstruktion: Das Biogon 2,8/21 ist eine recht konventionelle Konstruktion, die ohne asphärische Linsen, floating elements und dergleichen auskommt. Wer nun die Sirenengesänge der Marketingabteilungen in den Ohren hat, wird die bange Frage haben, ob man unter diesen Prämissen überhaupt ein brauchbares Objektiv rechnen kann. Oh ja, man kann. Das 21er ist optisch klasse, hat wenig Verzeichnung und tolle Schärfe, ab Blende 4 auch in die äußersten Ecken. Aber auch voll geöffnet kann man es selbst in kritischen Situationen wie Architektur oder bestimmten Landschafts-Motiven super verwenden. Etwas Vignettierung ist voll geöffnet sichtbar.

Farbverschiebungen: Leider habe ich noch keine perfekte deutschsprachige Entsprechung zu colour drift gefunden. Dabei geht es um Farbstiche zu den Bildrändern hin, die entstehen können, wenn Lichtbündel in einem sehr flachen Winkel auf den Sensor treffen. Hier in der Messsucherwelt und vor allem auf der großartigen Seite von Sean Reid (www.reidreviews.com) kann man einiges darüber nachlesen. Blog-Gastgeber Claus Sassenberg hat es hier sehr gut wie folgt zusammengefasst: „Schon mal versucht, eine Zielscheibe auf dem Grund eines Brunnenschachts zu treffen, wenn man 10 Meter vom Rand entfernt steht?“ Colour drift tritt nach meinen Erfahrungen vor allem bei gleichmäßig bewölktem Himmel auf und ist natürlich nicht bei allen Motiven gleichermaßen sichtbar bzw. störend. Beim Biogon 2,8/21 habe ich an der M10 kaum Farbverschiebungen wahrgenommen, an der älteren M (Typ 262) dagegen sehr wohl. Helfen kann es, direkt an der Kamera manuell das Korrekturprofil für das Leica 2,8/21 (11134) zu wählen. Zeiss empfiehlt überdies auch das Profil für das ältere 2,8/28 (11809), allerdings mit Bezug auf die M9. 

Chromatische Aberration: Früher was das (in mancherlei Hinsicht fragwürdige) Gütesiegel APO ja vor allem auf Teleobjektive bezogen. Inzwischen werden auch Weitwinkel mit APO im Namen vermarktet, und tatsächlich gibt es durchaus an kurzen Brennweiten ebenfalls das Phänomen der chromatischen Aberration – vielleicht nicht ganz so unmittelbar sichtbar, aber vorhanden. Auch bei aktuellen Leica-M-Objektiven übrigens. Das Biogon 2,8/21 macht in diesem Bereich selbst ohne klingenden Namen eine gute Figur. Wenn man es darauf anlegt, kann man chromatische Aberrationen erzeugen oder sehen. Aber als störend habe sich sie bisher nie empfunden. 

Schärfe: Das Biogon liefert tolle Schärfe und sehr viel Mikrokontrast. Ich habe es nicht wissenschaftlich ermittelt, aber ich fand die Leistung bis in die Ecken gut und ab Blende 4 sogar sehr gut. Dazu trägt auch bei, dass es kaum Abbildungsverluste durch Streulicht gibt (dazu gleich mehr) und dass das Biogon in gut gesättigten Farben zeichnet. Klar, Letzteres spielt digital nicht mehr die ganz große Rolle, aber auf Film ist es schon schön. „Thorougly modern“, liest man in solchen Fällen gerne in englischen Reviews. Was immer das heißt, vor allem, wenn dann auch noch ein Mangel an „soul“ konstatiert wird. Ich sage einfach: Das ist ein technisch hevorragendes Objektiv.

Bokeh und Streulichtverhalten: Da war ja noch was aus dem Buzzword-Vorrat. Bokeh und Flares. Von einem 2,8/21 würde man nun nicht direkt erwarten, dass es spektakuläre Möglichkeiten zum Freistellen mittels Tiefenschärfe bietet. Aber innerhalb der optischen Grenzen von Brennweite und Ausgangsöffnung macht sich das Biogon richtig gut, und man kann mehr mit der Schärfe spielen als man vielleicht erwartet hat. Was dann in der Unschärfe liegt, kommt ganz schön rüber, wenn auch nicht super-cremig. Aber das sind dann ohnehin mehr Geschmacksfragen. Klar bin ich dagegen bei Flares: Blendenflecke und Linsenreflexionen sind für mich ein Mangel, beim Biogon 2,8/21 tritt beides kaum auf. Die ausgezeichnete Vergütung hat daran sicher einen großen Anteil. Die Störlichtblende (Zeiss-Jargon) eher weniger, die ist eher als mechanischer Schutz zu empfehlen.

Gesamteindruck Optik: Das ZM-Biogon 2,8/21 lässt in puncto optische Leistung und Bildwiedergabe nichts zu wünschen übrig.

Biogon 2,8/21: Mechanik und Ergonomie

Biogon
Zeiss trifft Leica: Biogon 2,8/21 an der M6, aufgesteckt ist ein älterer Leica 21er Sucher. Wer auf Film arbeitet, wird um so ein Zubehörteil kaum herumkommen.

Erster Eindruck: Wer schon Erfahrung mit ZM-Objektiven gemacht hat, dem wird das Biogon 2,8/21 sehr schnell vertraut sein. Der Tubus ist fast gleich wie der des 2,8/25 – eher länglich, zurückhaltend im Design und ausgesprochen wertig. Das ist Glas und Metall pur (bis auf den blauen Markierungspunkt am Bajonett). Das alles sorgt für eine feine Haptik und ein angenehmes Gewicht, das an der M für eine gut ausbalancierte Kombo sorgt.

Fertigungsqualität: Die ZM-Objektive sind toll verarbeitet und wirken sehr langlebig. Es gibt das Problem des „Zeiss wobble” – da wird der Fokusring erst etwas locker, dann ziemlich lose, und am Ende hat er keine richtige Verbindung zum Innenleben mehr, so dass das Fokussieren schwierig bis unmöglich wird. Ich habe das einmal einem Objektiv erlebt, das mir ausgeliehen wurde, aber an einem eigenen bisher nicht. Trotzdem etwas, was man, gerade bei einem Gebraucht-Kauf, im Auge haben sollte.

Biogon
Das ist der Blick durch den Leica-Aufstecksucher für 21 Millimeter Brennweite. Das Zeiss-Biogon verdeckt einen Teil des Bildausschnitts – vor allem, wenn die Blende aufgesetzt ist.

Fokussieren: Einige Kontroversen gibt es bei dem Zeiss-Objektiven zum Thema Fokussierhebel/-mulde oder besser zu der Tatsache, dass Zeiss stattdessen an einem recht gewöhnlichen Fokussierring eine kleine Erhebung (Nocken) eingebaut hat. Auch sie lässt es zu, mit „muscle memory“ zu fokussieren, aber es ist zugegebenermaßen weniger intuitiv. Wenn die Erhebung genau unten (auf sechs Uhr) ist, sind die Zeiss-Objektive einheitlich auf rund 1,2 Meter fokussiert. Ich persönlich finde die Zeiss-Lösung eigentlich ganz gut, aber da gibt es auch andere Meinungen.

Biogon
Ohne Blende ist es besser, und man könnte sogar einen Vorteil darin sehen, dass man mit etwas Augen-Gymnastik sogar den eingestellten Blendenwert ablesen kann.

Sucher: Wer mit dem 21er an der Messsucherkamera fotografieren will, braucht fast immer einen externen Sucher, denn lediglich die seltene Bessa R4A/M hat einen Sucher, dessen Feld auch den Bildwinkel des 21ers abdeckt (mehr über diese Kamera gibt es hier: https://www.messsucherwelt.com/die-m-files-teil-2-die-bessa-r4m/). Also wird man entweder den originalen Zeiss-Sucher (sehr groß, sehr hell, recht teuer) oder einen Leica-Sucher (auch gut, noch viel teurer) oder einen von Voigtländer nehmen. Rechnen muss man damit, dass das Objektiv einen Teil des Sucherbilds verdeckt (vor allem mit aufgesetzter Blende). An digitalen Ms mit Live-View ist natürlich auch der elektronische Aufstecksucher eine Option. Fotografieren übers Display geht ebenfalls, ich persönlich mag es aber nicht, weil ich die Kamera lieber stabil ans Auge halte und mich auf das Sucherbild konzentrieren will.

Naheinstellgrenze: Das Biogon 2,8/21 hat eine ungewöhnliche Naheinstellgrenze von 0,5 Metern. Das macht, gerade bei offener Blende, sicher ganz coole Bilder möglich, man braucht dafür aber entweder einen elektronischen Sucher oder ein extrem präzises Augenmaß. Auf jeden Fall beeindruckend, dass es Zeiss offenbar gelungen ist, die guten optischen Eigenschaften bis an diese Naheinstellgrenze sicherzustellen. 

Gesamteindruck Mechanik: In der Hand und in der Benutzung ist das Biogon 2,8/21 überzeugend mit einem gut dimensionieren Einstellweg (lang genug für Präzision, kurz genug für Geschwindigkeit) und einem haptisch tollen Blendenring (Drittel-Einstellungen, das hätte ich jetzt nicht gebraucht; man muss sich, von Leica oder Voigtländer kommend, daran echt gewöhnen). 

Biogon 2,8/21: Verfügbarkeit und Preis

Das Carl Zeiss Biogon 2,8/21 ZM T*, wie es vorne eingraviert steht, wurde 2004 eingeführt und ist zum Jahreswechsel 2021/22 neu erhältlich. Es kostet um 1000 Euro, gebrauchte Exemplare sind deutlich günstiger. Bei Ebay-Angeboten aus Japan, wo es eine Zeiss-Sammlerszene zu geben scheint, muss man Steuern und Abgaben dazurechnen (19% Einfuhrumsatzsteuer, 6,7% Zoll, evtl. noch Handlinggebühren). Und ein paar Euro sollte man auf jeden Fall für einen passablen Objektivdeckel einplanen, der von Zeiss ist miserabel. Erst kriegt man ihn nicht drauf, dann fällt er ständig runter.

Biogon
Das Zeiss Biogon 2,8/21 mit Artgenossen: Leica Super-Elmar 3,4/21/3.4, Voigtländer Color-Skopar 4/21, Zeiss C Biogon 4,5/21 (von links)

Biogon 2,8/21: Alternativen 

Für M-Bajonett sind schon sehr viele 21er hergestellt worden. Manche sind Klassiker geworden wie das Super-Angulon. Leica hatte mehrere Versionen des Elmarit, auch dies ein 2,8/21 im Programm, zuletzt eine mit asphärischem Element. Wer die Lichtstärke nicht braucht, fährt sicher mit dem Voigtländer 3,5/21 (soeben für sehr gut befunden von Claus Sassenberg hier) sehr gut. Für die analoge Nutzung ist das günstige Voigtländer 4/21 ebenfalls ein heißer Tipp (https://www.messsucherwelt.com/die-m-files-teil-2-die-bessa-r4m/ ) (digital gibt es ein colour drift-Problem). Das Zeiss 4,5/21 C Biogon ist noch etwas lichtschwächer; ich werde es in den M-Files noch ausführlich vorstellen. Und sonst gibt es natürlich das Super-Elmar 3,4/21 von Leica, das sicher zu den besten Optiken im aktuellen M-Programm gehört. Auf der schnellen Seite gibt es noch extrem teure Summilux 21 sowie ein Nokton (1,4) und ein Ultron (1,8) von Voigtländer, beides scheinen ziemliche Brocken zu sein.

Biogon 2,8/21: Unterm Strich

Biogon
In einem Satz: Das Zeiss Biogon 2,8/21 ZM, hier mit der extra zu erwerbenden Sonnenblende, ist ein großartiges Objektiv für wohl jede analoge Messsucherkamera und auch für neuere digitale Modelle.

Das Zeiss ZM 2,8/21 ist ein großartiges Objektiv, das ganz ähnliche Stärken hat wie das fast schon überirdische Biogon 2,8/25 (https://www.messsucherwelt.com/die-m-files-teil-5-zeiss-ikon/) und zugleich den für meinen Geschmack noch attraktiveren Bildwinkel bietet. Das Zeiss-Objektiv kommt augenscheinlich sehr nahe an das Super-Elmar von Leica heran und bietet, mit einer halben Blende mehr Lichtstärke, ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Nachteile sind mögliche Farbverschiebungen an älteren digitalen Ms und ein teilweise verdecktes Sucherbild.

Das Biogon 2,8/28: Sehr solide, aber nicht ideal

Biogon
Handlich, aber nicht gerade winzig: Biogon 2,8/21 ZM T* von Carl Zeiss

Zweiter Kandidat hier ist das Biogon 2,8/28. Es vertritt eine bedeutsame Brennweite, da die Messsucher fast aller neueren Leicas (beginnend mit der M4-P von 1980) die 28-Millimeter-Optik als kürzeste Brennweite unterstützen. Die 75 Grad (Diagonale) sind also der größte Bildwinkel, den man mit den meisten Messsucherkameras ohne extra Sucher aufnehmen kann (Ausnahmen sind die M-Leicas mit 0.85er Sucher und einige Voigtländer Bessas, siehe Folge 2 der M-Files). Während manche finden, dass das 28er zwischen dem 35er als dem neuen Normalobjektiv und den richtig weiten Brennweiten 21/24 weder Fisch noch Fleisch sei, halte ich ein 28er für sinnvoll und vielseitig. Man denke nur an die vielen Smartphones und ihren Einfluss auf unsere Sehgewohnheiten. Und an den dauerhaften (und verdienten) Erfolg, den Leica mit der Q und ihrem eingebauten Summilux 28 feiert.

Biogon 2,8/28: Ein paar technische Daten

Das Zeiss ZM 2,8/28 ist wie die meisten Weitwinkel aus der ZM-Reihe ein Biogon, und wie viele seiner Artgenossen verwendet es 46er Standardfilter. Das Biogon 2,8/28 ist mit einem Gewicht von 245 Gramm sehr handlich, nur geringfügig größer und schwerer als das aktuelle Elmarit von Leica. Mit einer Länge von nur 51 Millimetern ist es recht klein, der Durchmesser beträgt 53 Millimeter. Beides ist bedeutsam. Denn je weiter der Aufnahmewinkel eines Objektivs ist, desto mehr kommt es auf eine kompakte Bauform an, sonst werden wichtige Teile des Motivs im Sucher verdeckt. Hier gibt’s beim Biogon ein kleines Problem, siehe unten. Das gilt vor allem, wenn man die Streulichtblende verwendet. Sie wird mit dem schönen Bajonettmechanismus befestigt, hat die Nummer 000000-1365-666, kostet etwa 80 € extra und passt auch auf das Biogon 25/2.8. Und obwohl sie auch für die kürzere Brennweite gerechnet ist, muss ich sagen: Sie funktioniert am 28er echt gut.

Biogon 2,8/28: Optik und Abbildungsleistung

Konstruktion: Das 2,8/28 hat als Biogon-Typ ein annähernd symmetrisches Design und einen ziemlich konventionellen Konstruktionsansatz. Wer tiefer in die Geschichte der Zeiss-Objektive und ihrer Bezeichnungen einsteigen will, dem sei diese Lektüre wärmstens empfohlen (https://lenspire.zeiss.com/photo/app/uploads/2018/11/Nasse_Objektivnamen_Distagon.pdf). Das 2,8/28 kommt ohne Asphären und floating elements aus, aber laut Zeiss-Prospekt besteht das zweite Element aus einem speziellen Glas mit anomaler Teildispersion (für ein ZM-Objektiv eher ungewöhnlich). Das Biogon-Prinzip stand jedenfalls schon immer für eine gute Schärfeleistung bis in die Ecken, und das 28er kann sich in dieser Hinsicht absolut sehen lassen. Die Vignettierung ist weit geöffnet stark sichtbar und wird geringer, wenn das Objektiv abgeblendet wird.

Farbverschiebungen: Überraschenderweise konnte ich bei Verwendung an der M10 nur sehr geringe Farbverschiebungen feststellen, und auch bei der M262 war dieses colour drift-Phänomen nicht allzu schlimm. „Überraschenderweise“, weil ZM 35/2.8 da ein echtes Problem hat. Wäre das also bei einer kürzeren Brennweite vielleicht noch schlimmer? Ist es nicht, und an der M10 würde ich von einem manuellen Korrekturprofil ganz abraten. An älteren digitalen Ms wird empfohlen, das Profil für das Leica 2,8/28 Asph. (11606) händisch auszuwählen. Ansonsten gibt es für fast alle ZM-Objektive auch Korrekturprofile in Lightroom, die sich zumindest um Verzeichnung (eh kaum vorhanden) und Vignettierung kümmern. Voraussetzung ist, dass die Bilder als DNG-Dateien vorliegen.

Chromatische Aberrationen: Selbst in sehr kritischen Gegenlichtsituationen habe ich nicht viele chromatische Aberrationen entdeckt. Bei den berüchtigten Baumzweigen gegen den Himmel war meist alles gut, etwas ausgeprägter war CAs, wenn ich kleine Reflexe von Sonnenlicht im Bild hatte. Alles in allem ist das Biogon in dieser Hinsicht aber beeindruckend. Immerhin sind auch einige hoch angesehene Leica-Weitwinkelobjektive vor CA nicht vollkommen gefeit. Zeiss hat offensichtlich große Anstrengungen unternommen, um die chromatische Aberration zu korrigieren.

Schärfe: Ich möchte mich nicht wiederholen, aber das 2,8/28 ist ein weiteres typisches Zeiss-Objektiv. Es ist schon bei Offenblende bis in die Ecken scharf, verbessert sich ein wenig bis f/8 und hat einen hohen Mikrokontrast. Das bedeutet, dass das Bild sowohl scharf als auch knackig ist, so dass es technisch ziemlich perfekt aussieht. Und genau das gefällt mir. Ich denke, und das zur Frage „Does it have a soul?“, es liegt am Fotografen, eine Seele zu haben, und nicht am Objektiv.

Bokeh und Streulichtverhalten: Ein 2,8/28 wird man nicht mit der Erwartung einsetzen, ein Bokehwunder zu bekommen. Trotzdem geht da mehr, als ich zunächst dachte. Gerade auf kurze Distanz ist ein schönes Spiel mit der Tiefenschärfe möglich (freilich ist die Q da in jeder Hinsicht noch viel besser). Ich empfinde die unscharfen Bereiche als etwas unruhig; ich vermute, das hat etwas mit der generell sehr hohen Kontrastleistung der Zeiss-ZM-Optiken zu tun. Streulicht (Flares und Reflektionen) hat das Biogon super im Griff, vor allem mit der originalen Gegenlichtblende. 

Gesamteindruck Optik: An der Optik des Biogon 2,8/28 gibt es rein gar nichts zu bemängeln. Es ist ein leistungsstarkes Objektiv, auch wenn es nicht an die Qualitäten des ZM 35/1.4 heranreicht, über das ich in Folge 11 der M-Files (https://www.messsucherwelt.com/m-files-11-zeiss-distagon-zm-liebe-auf-den-ersten-und-den-zweiten-blick/) geschrieben habe. Und nochmals: Das Bokeh (und seine Bedeutung!) ist sicherlich Geschmackssache.

Biogon 2,8/28: Mechanik und Ergonomie

Biogon
Uneingeschränkt einsetzbar: An der M10 muss man sich beim Biogon 28 keine Sorgen wegen Farbverschiebungen und dergleichen machen. An älteren Digital-Bodys kann das anders aussehen.

Erster Eindruck: Fast alles, was ich über das 2,8/21 geschrieben habe, gilt auch für das 2,8/28. Das Objektiv liegt angenehm solide in der Hand, ist nicht zu schwer und hat gelungene Proportionen. Der Tubus ist kürzer als bei vielen anderen Objektiven und macht das 28er Biogon zu einem kompakten, aber nicht eben winzigen Messsucherobjektiv. Wie alle ZM-Objektive hat der Blendenring Drittel-Stufen. Er rastet schön ein, aber mir würden halbe Stufen reichen.

Fertigungsqualität: Das Objektiv ist wie die anderen ZM-Objektive (und übrigens auch die meisten Voigtländer-Optiken – sie kommen ja auch alle aus der gleichen Cosina-Fabrik) gut verarbeitet. Fokussier- und Blendenringe sind leichtgängig, und ich bin bisher vom „Zeiss wobble“ verschont geblieben. Vielleicht kann das Biogon nicht ganz mit einigen Leica-Objektiven mithalten, aber in Bezug auf die Verarbeitungsqualität ist es mehr als ordentlich. Kein Plastik, kein Spiel, nichts wackelt, nichts klappert.

Biogon
So sieht es aus, wenn man durch den Sucher einer M6 (0.72) schaut und das Zeiss 2,8/28 nebst Gegenlichtblende aufgesetzt hat. Oder besser: Das alles sieht man nicht vom Motiv.

Fokussieren: Anstelle der Leica-Fokussiermulde hat das 2,8/28 ZM wie die meisten anderen ZM-Objektive diese Erhebung (man könnte auch sagen: einen Nocken) am Fokussierring. Steht selbiger Nocken auf sechs Uhr, ist auch das Biogon 28 auf 1,2 Meter eingestellt. Der Verstellwinkel ist nicht großzügig, aber für präzises Arbeiten ausreichend. Tempo ist kein Thema, denn die Leichtigkeit und der Widerstand beim Drehen des Fokussierrings (mit oder ohne Nocken) sind perfekt.

Biogon
Ohne die Blende sieht es schon viel besser aus. Noch besser ist es natürlich an einer M mit 0.58-Sucher oder auch an der analogen Zeiss Ikon, für die das 28er Biogon einst entwickelt wurde.

Sucher: Dies ist wahrscheinlich der größte Nachteil des Biogon. Mit einem 28er würde man ja auf jeden Fall den eingebauten Messsucher einer M verwenden (deswegen entscheidet man sich vermutlich für diese Brennweite). Das wiederum bedeutet, dass der Bildausschnitt ziemlich genau dem gesamten Sucherbild entspricht. Und da stört es dann schon, wenn das Objektiv hineinragt. Das ist das Knifflige an der Entwicklung von 28ern und lichtstarken 35ern. Beim 28er Biogon ist es ohne Streulichtblende noch okay, finde ich – mit der originalen Blende braucht man schon einige Phantasie, was sich am Ende in der rechten unteren Bildecke am Ende so finden wird (oder Live-View). An der analogen Zeiss Ikon ist es übrigens viel besser, deren (traumhafter) Messsucher ist etwas anderes konstruiert. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es von Zeiss auch einen 25/28er-Sucher gibt. Die Zeiss-Sucher sind grandios, aber man kauft sich ja ein 28er gerade deshalb, weil man es gerade noch mit dem eingebauten Messsucher verwenden kann, oder?

Naheinstellgrenze: Das Biogon 28 fokussiert bis auf 0,5 Meter. Das ist großartig, denn Weitwinkel- und Nahaufnahmen mit großer Öffnung können einzigartige Bilder erzeugen. Bekanntlich reicht der Entfernungsmesser der Kamera nur bis 0,7 Meter. Also muss man entweder raten oder einen elektronischen Sucher verwenden, sofern man ein digitales Gehäuse benutzt. 

Gesamteindruck Mechanik: Während das Biogon 2,8/28 optisch sehr gut ist, hat es einige Nachteile in der Handhabung. Ich denke, dass es die Sicht durch den Leica-Sucher zu sehr behindert, was einer guten Bildgestaltung im Wege steht. Wenn man mit der Zeiss Ikon Film-Messsucherkamera aus den frühen 2000er Jahren fotografiert, ist dieses Objektiv nahezu perfekt.

Biogon 2,8/28: Verfügbarkeit und Preise

Das Carl Zeiss Biogon 2,8/28 ZM T* ist seit 2005 erhältlich und kann immer noch neu erworben werden. Die Preise beginnen bei etwas über 800 Euro, je nach Glück und Farbvorliebe (lange Zeit war Silber etwas günstiger, aber das scheint sich geändert zu haben). Die Preise für gebrauchte Objektive sind deutlich niedriger, aber da sollte man sich eine ausgiebige Prüfung vor dem Kauf ausbedingen. Vermeintliche Schnäppchen sind keine, denn auch ZM-Objektive sind keine Geheimtipps mehr.

Biogon
Das Zeiss Biogon 2,8/28 bewegt sich in diesem Feld: Leica Elmarit, Minolta Rokkor-M, Konica M-Hexanon (von links), alles 28er mit Ausgangsöffnung 2,8

Biogon 2,8/28: Alternativen

Wie dargelegt, sehe ich im 28er einen hohen Gebrauchsnutzen in jeder M-Ausrüstung. Abgesehen von Leicas aktueller Auswahl (Macro-Elmar, Summicron, Summilux), hat Voigtländer in dieser Brennweite das ebenfalls aufwendig konstruierte 28/2 Ultron; es hat einen ähnlichen Preis wie das Biogon und bietet eine Blende mehr Lichtstärke. Auf dem Gebrauchtmarkt findet sich mit etwas Glück noch das sehr wunderbare M-Rokkor 2,8/28, das mit der CLE herauskam (siehe https://www.messsucherwelt.com/die-m-files-teil-8-die-minolta-cle/ – hier auf eine intakte Frontlinse achten!) oder Konicas M-Hexanon 2,8/28. Außerdem gibt es viele ältere Leica 28er. Eine besondere Empfehlung verdient in meinen Augen die erste Auflage des lichtstarken Summicron 28. Solange man bei M-Gehäusen bleibt, hat es eine top optische Leistung, und es ist gebraucht manchmal recht erschwinglich. Man muss halt mit der riesigen und hässlichen Plastik-Sonnenblende leben können.

Biogon 2,8/28: Unterm Strich

Biogon
In einem Satz: Das Zeiss Biogon 2,8/28 ZM ist ein guter Allrounder mit ausgezeichneter optischer Leistung und ein paar ergonomischen Schwächen.

Das Zeiss ZM 2,8/28 ist eine gute, aber sicher nicht eine zwingende Wahl in dieser Brennweite. In der Abbildungsleistung entspricht es in etwa dem sehr guten Leica Elmarit Asph. (erste Version), das normalerweise mein Immerdabei-28er ist. Der Kontrast ist ähnlich, die Farbwiedergabe ist eher eine Frage des Geschmacks (ich mag die gesättigte Wiedergabe des Zeiss). Das Zeiss-Objektiv blockiert aber das Sicherbild weit stärker, so dass das Leica-Objektiv einfacher zu benutzen ist. Wer aber mit den Einschränkungen leben und auf 6-Bit-Codierung verzichten kann (ich würde sagen: kann man in diesem Fall), für den ist das Biogon 2,8/28 eine echte Alternative zum Leica-Objektiv zum weniger als halben Preis.

Schöne Bilder, verpasste Chancen

Tele-Tessar
Keine Rennomierwerte, aber doch ein attraktives Stück Fototechnik: Tele-Tessar4/85 ZM T* von Carl Zeiss

Als drittes kommt noch ein Tele dran. Mit 85 Millimetern vertritt es die längste Brennweite, die Zeiss in der ZM-Reihe je hergestellt hat – und das dafür gleich zweimal. Vom Sonnar 2/85 wurden nur wenige hundert Stück gebaut, und sie sind sehr teure Sammlerstücke geworden. Das 4/85 ist da zugänglicher. Und man denkt sich: Bei diesem Kompromiss in der Lichtstärke muss das Teil in jeder anderen Hinsicht fantastisch sein. Schauen wir also mal.

Tele-Tessar 4/85: Einige technische Daten

Das Tele-Tessar ist schon mal recht handlich und wiegt (mit Deckeln) 337 Gramm. Es misst 75 Millimeter in der Länge (ohne Deckel – 95 mit) und 54 im Durchmesser. So, und jetzt kommt’s: Das ist gerade einmal 20 Gramm leichter und minimal kleiner als das Leica 75er Summarit, das eineinhalb Blenden mehr Lichtstärke bietet. Für das Tele-Tessar ist die Streulichtblende (000000-1690-438) separat zu erwerben. Gleiches gilt für einen akzeptablen 43-Millimeter-Frontdeckel und evtl. Filter in dieser etwas exotischen Größe.

Tele-Tessar 4/85: Optik und Abbildungsleistung 

Konstruktion: Das Tele-Tessar ist recht konventionell aufgebaut mit fünf Elementen in drei Gruppen und nutzt einen der wohl am besten erforschen optischen Entwürfe  an. Daran ist nichts falsch, und man sieht daran, dass es bei einem Kompromiss zum Beispiel in der Lichtstärke eben auch ohne Asphären, super-Spezialglas usw. geht. Wobei das „es geht“ eher eine Untertreibung ist: Das Tele-Tessar ist bei allen Blenden scharf, und es leuchtet den Bildkreis super aus.

Farbverschiebungen: Nach meinen Erfahrungen kein Thema; die Bauform des Tele-Tessar sorgt dafür, dass der Sensor schön gleichmäßig und senkrecht beleuchtet wird. Das ist deutlich besser als beim alten Leica C-Elmar 90/4 übrigens. 

Chromatische Aberration: Kommt vor, und zwar etwas stärker als ich dachte. Ich war irgendwie davon ausgegangen, dass bei der geringen Lichtstärke im Gegenzug die CAs voll auskorrigiert sind. Kann sein, dass das eine stillschweigende Erwartung war angesichts dessen, was man von Leicas Macro-Elmar 4/90 so sieht. Trotzdem nichts, was einen vor allem von der digitalen Nutzung des Tele-Tessar abhalten sollte, zumal sich Lightroom sehr schön um CAs kümmert.

Schärfe: Das Tele-Tessar liefert ein super scharfes und fein detailliertes Bild. Seine Auflösung scheint die Grenzen eines 24-Millimeter-Sensors bei weitem zu überschreiten, und in der 1:1-Ansicht sind die Bilder atemberaubend – wenn man es schafft, absolut genau zu fokussieren. Eine Bildfeldwölbung scheint es so gut wie nicht zu geben, und der sehr hohe Mikro- und Makrokontrast verstärkt den Eindruck einer hervorragenden Schärfe. Das Tele-Tessar liefert in diesem Bereich einfach großartig ab.

Bokeh und Streulichtverhalten: Ich habe ja generell den Verdacht, dass das Bokeh-Thema von der Industrie und ihren Influencern so massiv gepusht wird, weil man ja immer noch lichtstärkere und noch teurere Objektive in einen hart umkämpften und schrumpfenden Markt drücken will. Für das Zeiss 85er kann ich konstatieren: Auch bei einer Ausgangsöffnung von 4 bietet es genügend Möglichkeiten zum Freistellen. Wie schön man dann den unscharfen Bereich findet, ist auch Geschmackssache. Auf mich wirkt er, gerade bei kontrastreichen Motiven, eher unruhig, und die Lichtpunkte haben einen hellen Saum. Ich könnte mir vorstellen, dass das der Preis ist, den man für die hohe Kontrastleistung bezahlt. Beim 2/50 Planar ZM hatte ich das auch schon so empfunden (https://www.messsucherwelt.com/die-m-files-teil-5-zeiss-ikon/). Und Flares? Gibt es, reichlich, vor allem wenn die Sonne knapp außerhalb des Motivs ist. Mit Streulichtblende ist’s immerhin deutlich besser. 

Gesamteindruck Optik: Das Tele-Tessar 4/85 hat einige herausragende Stärken (insbesondere Auflösung und Kontrast), aber auch einige Schwächen. Bei dieser geringen Lichtstärke wurden aus meiner Sicht ein paar Kompromisse zu viel eingegangen.

Tele-Tessar 4/85: Mechanik und Ergonomie

Erster Gesamteindruck: Das Tele-Tessar ist ein zierliches und hübsches Objektiv und teilt sein attraktives Äußeres mit den denen ZM-Objektiven. Es ist problemlos in der Nutzung: Entfernungs- und Blendenring sind durch die Riffelung ausnehmend gut zu greifen und laufen super. Einen Nocken am Fokusring gibt’s nicht, so dass das Tele-Tessar (wie auch die längerbrennweitigen Leica-Objektive) nicht ganz so intuitiv via  muscle memory zu bedienen ist.

Tele-Tessar
Das 85er funktioniert am besten an der Zeiss Ikon Messsucherkamera, weil sie als einzige Kamera die genau korrekten Rahmenlinien bietet.

Fertigungsqualität: Das Tele-Tessar ist in jeder Hinsicht auf ZM-Niveau, und das will etwas heißen. Alles aus Metall und Glas, kein Spiel, kein Klappern und Wackeln. Zum Thema „Zeiss wobble“ habe ich mich oben schon ausgelassen. 

Fokussieren: Wie erwähnt, hat das Tele-Tessar weder eine Fokussiermulde noch den sonst so typischen ZM-Nocken. Mich hätte wirklich interessiert, wie sich letzterer an einem kleinen Tele so machen würde. Der Verstellbereich beträgt weniger als 90 Grad; bei Ausgangsblende 4 und Naheinstellgrenze 0,9 Meter reicht das gerade noch für präzises Arbeiten.

Sucher: Obwohl das Tele-Tessar schon recht länglich ist, gibt’s da keine Probleme. Das Zeiss 4/85 lässt die 90er Rahmenlinien erscheinen, das passt schon ganz ordentlich. Man muss sich nur vorstellen, dass am Ende im Bild eben ein wenig mehr drauf ist als durch die Rahmenlinien eingegrenzt wird. Die Zeiss Ikon Kamera hat natürlich 85er Rahmenlinien. Habe ich schon mal gesagt, dass der Messsucher dieser Kamera einfach traumhaft…?

Naheinstellgrenze: Das Tele-Tessar lässt sich bis 0,9 Meter einsetzen. Das ist solider Standard für ein Messsucherkamera-Objektiv, nutzt aber die 0,7-Meter-Grenze des in die Kamera eingebauten Entfernungsmessers nicht aus. Bei maximaler Naheinstellung bildet das 85er etwa ein A4-Blatt formatfüllend ab. Für Kopfportaits reicht das super, für Gartenvögel, Blüten und dergleichen eher nicht. 

Gesamteindruck Mechanik: Alles in allem ist das Tele-Tessar in der Benutzung klasse. Es ist leicht, aber solide, gut ausbalanciert und intuitiv in der Handhabung. Mir gefallen die breiten Ringe für Blende und Fokus sehr gut. Genau wie das 35/1,4 ZM lässt es sich auch mit Handschuhen gut bedienen.

Tele-Tessar 4/85: Verfügbarkeit und Preise

Das Carl Zeiss Tele-Tessar 4/85 ZM T*, wie es auf dem Frontring prangt, kam 2008 auf den Markt und wurde um 2020 wieder eingestellt. Die letzten neuen Exemplare gingen für etwa 900 Euro weg, nachdem zuvor Ladenhüter immer wieder für 650 Euro zu finden waren. So ist es im M-Bereich – wenn das Gerücht einer Abkündigung rumgeht, steigen die Preise nochmals. Im Fall des unspektakulären Tele-Tessars ist aber nicht auszuschließen, dass noch neue Exemplare irgendwo vorhanden sind. Das sollte man auch angesichts der Gebraucht-Preise bedenken, die für das Tele-Tessar auch ganz ordentlich angezogen haben.

Tele-Tessar
Das Zeiss Tele-Tessar 4/85 steht in harter Konkurrenz. Zum Beispiel zum (von links) Minolta Rokkor-M 4/90, Leica Macro-Elmar 4/90, Leica Elmarit 2,8/90 (von links). Und nicht zu vergessen das superbe 75er Summarit.

Tele-Tessar 4/85: Alternativen

Grundsätzlich fährt man einer M mit einem 75er oder 90er sicher noch besser als mit einem 85er, einfach wegen der exakteren Rahmenlinien. Aus der immensen Auswahl von 90ern will ich hier wegen der vergleichbaren Lichtstärke die 4/90er-Objektive von Leica (zur CL) und Minolta (zur CLE) erwähnen, sie sind klein, leicht und ziemlich gut (siehe Teil 7 und Teil 8 der M-Files; https://www.messsucherwelt.com/die-m-files-teil-7-die-leica-cl/ und https://www.messsucherwelt.com/die-m-files-teil-8-die-minolta-cle/). Auch das Macro-Elmar 4/90 ist, wie erwähnt, eine Option, zumal es gebraucht ganz gut zu bekommen ist. Weitere 90er werden oder wurden von Konica und Voigtländer sowie in vielen Ausführungen natürlich von Leitz/Leica hergestellt. Bei den 75ern empfehle ich ganz dringend das Summarit von Leica, das leider wie die gesamte Reihe eingestellt wurde, mehr dazu gibt es hier: https://www.messsucherwelt.com/adieu-summarit/

Tele-Tessar
In einem Satz: Das Zeiss Tele-Tessar 4/85 ZM, auch hier wieder mit der separat zu erwerbenden Streulichtblende, ist ein schönes kleines Tele, aber weniger einmalig als andere ZM-Optiken.

Tele-Tessar 4/85: Unterm Strich

Das Zeiss Tele-Tessar 4/85 ZM ist ein schönes und insgesamt auch sehr gutes Objektiv, das aber die Nachteile der geringen Ausgangsöffnung nicht durchgehend auf anderen Feldern wettmachen kann. So hat es gegenüber entweder einem Leica-Elmarit oder -Summarit oder dem Macro-Elmar keine zwingenden Vorzüge. Im Gegenteil, denn außer an der analogen Zeiss Ikon Kamera muss man auch etwas Unsicherheit in der Wahl des Bildausschnitts in Kauf nehmen. Nimmt man dann noch den recht stattlichen Preis für das Tele-Tessar hinzu, werden die mannigfaltigen Alternativen noch etwas attraktiver.

***

Mit diesem zwölften Teil der M-Files liegen hier in der Messsucherwelt nun Artikel über acht ZM-Objektive vor:

  • Das Biogon 2,8/25, das C Biogon 2,8/35 und das Planar 2/50 waren Thema im Artikel über die analoge Zeiss Ikon Messsucherkamera: 
  • Das Distagon 4/18 und das Distagon 1,4/35 wurden in einem eigenen Artikel recht ausführlich beleuchtet:
  • Das Biogon 2,8/21, das Biogon 2,8/28 und das Tele-Tessar 4/85 sind nun in diesem Beitrag umfassend behandelt. 

Geplant ist noch mindestens ein weiterer Beitrag im Laufe des Jahres 2022, der die C-Linie genauer betrachtet, das sind die sehr interessanten Objektive C Biogon 4,5/21, C Sonnar 1,5/50 und dann auch nochmals etwas vertieft das C Biogon 2,8/35. Möglicherweise habe ich in der Folge noch die Gelegenheit, das Biogon 2/35 näher vorzustellen. Zu den beiden Exoten Distagon 2,8/15 und Sonnar 2/85 ist derzeit nichts geplant, zumal ich bisher keine Leihgaben für einen ausführlichen Praxistest auftreiben konnte.

An dieser Stelle nochmals der Transparenzhinweis: Meine Arbeit für die Messsucherwelt ist vollkommen unabhängig und verfolgt keinerlei kommerziellen Interessen. Ich bekomme von den erwähnten Herstellern oder Händlern keine Gegenleistung. Für meine Artikel relevante Leihgaben kommen von Privatpersonen. 

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Die M-Files: M-Mount-Objektive, -Kameras und passendes Zubehör jenseits von Leica M

Die M-Files sind ein Langzeit-Projekt, das sich auf Foto-Ausrüstungsteile mit oder für Leica M-Bajonett konzentriert, die von anderen Firmen als Leica hergestellt wurden oder die nicht zum M-System von Leica gehören. Es verfolgt einen mehr oder weniger enzyklopädischen Ansatz, ohne wissenschaftlich zu sein. Der Schwerpunkt liegt immer auf der praktischen Nutzung von Kameras, Objektiven und anderen Produkten. Zu den in den M-Files besprochenen Produkten gehören Kameras, Objektive, Sucher, Belichtungsmesser und mehr. Einige der Marken auf der wachsenden Liste sind Contax, Konica, Minolta, Rollei, Voigtländer und Zeiss.

Hier geht es zum M-Files Navigator, der einen einfachen Zugang zu allen Artikeln auf Deutsch und Englisch und Reviews nach Produkttyp und Marke ermöglicht.

Find out more about the project and get access to all English versions of the M Files episodes (including this article in English) on www.macfilos.com.

3 Kommentare

  1. Pingback:The M Files One Year On: A legend in the making - Macfilos

  2. Jörg-Peter

    Lieber Dirk,

    vielen Dank für die Rückmeldung. Das Schöne an Artikeln ist ja, dass man sie sich immer mal wieder vornehmen und darin schmökern kann. Im konkreten Fall allerdings muss ich schon einräumen, dass es ein mächtiges Brett geworden ist. Zwei Objektive hätten für einen substanziellen Beitrag auch gereicht.

    Für Deine 28er-Entscheidung kann ich Dir nur zurufen: Elmarit und Biogon sind beide ausgezeichnet – zumindest an der M10. An einer älteren digitalen M würde ich eher zum Elmarit greifen. Das Voigtländer kenne ich überhaupt nicht. Und das aktuelle Summicron ist zwar überirdisch gut, aber auch sehr, sehr teuer. Für Leica sprechen generell der sehr gute Werterhalt, die Service-Perspektive auch in Jahrzehnten noch und insgesamt eine gewisse mechanische Überlegenheit. Für Zeiss sprechen das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Farbwiedergabe (für meinen Geschmack, spielt digital aber auch nicht so die Rolle).

    Den Dank nehme ich natürlich gerne entgehen, will ihn aber auf meinen Gastgeber hier, Claus Sassenberg, ausweiten. Er ist Herz und Seele der Messsucherwelt, und ohne ihn (und seinen Bruder im Geiste, Mike Evans von Macfilos in London) würde ich das alles auch gar nicht machen.

    Und Youtube-Blogs mache auch deshalb nicht, weil ich zwar schreiben und ordentlich fotografieren, aber nicht so gut filmen kann (und schon gar nicht mich selbst). Außerdem finde ich, dass Standbilder in einem Text besser wirken als in einem Video. Da kann man sie sich irgendwie ganz in Ruhe ansehen. Und um die Bilder geht es ja am Ende, oder?

    Viele Grüße jedenfalls, vielleicht bis irgendwann am Bodensee, Jörg-Peter

  3. Lieber Jörg-Peter,

    ich bin überwältigt von dieser unglaublichen Informationsflut bezüglich der Zeiss-Objektive. Wahnsinn, wieviel Mühe Du Dir damit gemacht hast. Diesen Artikel werde ich noch einige Male lesen müssen, um wenigstens einen Teil der Informationen behalten zu können.
    Ein 28mm Objektiv fehlt mir für die M. Da schwanke ich zwischen Elmarit, Voigtländer und jetzt dem Zeiss. 85mm kann ich mit Sicherheit nicht sauber fokussieren. 75 sind schon schwierig.
    Bei den 21ern kann ich Dir bestätigen, daß das Voigtländer 21mm Nokton ein riesiges Teil ist. Die M10 fühlt sich damit einfach nicht richtig an. Optisch fand ich es super. Einzig das Coma in den Ecken, weit offen bei Nacht, hat mich gestört. Nach dem Artikel von Claus über das Color Skopar habe ich das Nokton in Zahlung gegeben.

    Ich freue mich auf die nächsten Artikel. So fundiert liest man in der Tat sehr selten. Und danke, daß das kein Youtube-Blog ist, sondern für Ältere zum Lesen.

    Viele Grüße, Dirk

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