Es ist ein echter Klassiker unter den Brennweiten. Trotz aller Versuche der Kamera- und Smartphone-Industrie, uns zu Weitwinkel-Fotografen zu erziehen, hält sich das gute alte 50er wacker. Und hier bietet Voigtländer interessante Optionen für M-Nutzer: Vorhang auf für zwei lichtstarke Voigtländer Nokton VM 50mm-Objektive: das 1.0/50 und das 1.5/50 II. Sind sie die klügere Wahl anstelle von Leicas Noctilux und Summilux?

Wie entsteht eigentlich ein Standard? Im Fall der Brennweiten für 35-mm-Fotofilmkameras ist das eine interessante Geschichte. Als Leica die Kleinbildkamera populär machte, brauchte man eine Objektivrechnung, die a) eine hohe Qualität bot aufgrund der massiven Vergrößerungen, die notwendig waren, um von den kleinen Negativen anständig große Abzüge zu erhalten, und b) eine einfache Produktion im industriellen Maßstab mit den technischen Mitteln und Materialien von vor hundert Jahren ermöglichte. 

David und Goliath? Voigtländer Nokton VM 50/1,5 und 50/1,0

Nimmt man noch hinzu, dass die Bilddiagonale des Aufnahmemediums unabhängig vom Negativ- oder Sensorformat ein universelles Maß ist, kommt man bei einem Bildwinkel von etwa 53 Grad raus. Dieser wird als „natürlich“ empfunden oder vermarktet und kommt angeblich dem Blickwinkel des menschlichen Auges nahe (was höchst fragwürdig ist, aber das ist eine andere Geschichte). Bei einem Standardnegativformat von 24×36 mm würde man auf jeden Fall bei 43,3 mm landen. Letzten Endes erwies sich das 50-mm-Objektiv als relativ einfach zu konstruieren und zu produzieren, da es eine vernünftige Lichtstärke und ein gutes fotografisches Ergebnis vereinte. Aber wie das „Porträtobjektiv“, das als Begriff erfunden wurde, um die kontrastarme Abbildungsleistung der frühen 90-mm-Objektive zu entschuldigen, ist auch das „Standardobjektiv“ eher ein Marketingbegriff.

Und irgendwie blieb es dann bei 50…

Leica hat es vorgemacht, und alle anderen sind gefolgt. Weil es so praktisch war, nehme ich an. Es gab immer mal wieder Versuche, 40-mm- oder 45-mm-Objektive als Standard einzuführen (zum Beispiel beim Contax-G-System), aber am Ende setzte sich das „Nifty Fifty“, das praktische Fuffziger, durch. Und es war, aus den oben genannten Gründen, die erste Brennweite, bei der die Industrie in puncto Lichtstärke die Grenzen des Machbaren immer ausreizte. Auf f/1,4 folgte f/1,2, oft mit Leica als Vorreiter, bis es zu unerhörten Konstruktionen mit f/1,0 und schließlich sogar f/0,95 kam. Wohlgemerkt, f/0,95 bedeutet natürlich nicht, dass das Objektiv Licht hinzufügen kann. Es bedeutet nur, dass der Durchmesser der Blende in Millimetern etwas größer ist als die Brennweite, ebenfalls in Millimetern.

f=5cm – die 50mm Brennweite hat eine lange Tradition. Hier ein Elmar 50 aus den späten 50er Jahren.

Voigtländer (oder besser: Cosina, die Muttergesellschaft der Marke) weiß das natürlich ganz genau. Während sich die Produktpalette zeitweise um die 35-mm-Brennweite als „neue Normalität“ zu drehen schien, wurden inzwischen viele 50-mm-Rechnungen auf den Markt gebracht. Es gibt Objektive mit einer Lichtstärke von f/1.0, ein APO-Objektiv mit f/2 (siehe Folge 14 der M-Files), klassische und moderne Designs, und die jüngsten Neuzugänge sind ein kleines f/2,2 und ein weiteres APO-Objektiv mit f/3,5. In dieser Folge der M-Files werde ich mich auf zwei Objektive konzentrieren, die als Leica-Alternativen besonders interessant erscheinen: Das Nokton f/1.0, das nur minimal lichtschwächer ist als Leicas Noctilux, und das Nokton f/1.5, das eine minimal geringere Ausgangsöffnung hat als das Summilux. Und nur damit es gesagt ist: Natürlich kosten beide nur einen Bruchteil der Leica-Objektive.


Voigtländer Nokton 1.5/50 II: Das Schweizer Taschenmesser unter den 50ern?

Das Voigtländer Nokton VM 50/1,5 kam 2023 auf den Markt.

Technische Daten, Lieferumfang, Preis und Verfügbarkeit

Das Voigtländer Nokton VM 50/1,5 kam 2020 als Version II eines Entwurfs aus dem Jahr 2013 auf den Markt. Es ist jedoch nicht der Nachfolger eines anderen 50/1,5 von Voigtländer, das als Heliar anders aufgebaut ist und Retro-Look erzeugen soll. Dass das neueste, hier besprochene Nokton „Vintage“ im Namen führt, macht es noch komplizierter. Hier bezieht sich das V-Wort nämlich auf das äußere Erscheinungsbild des Objektivs. Die Voigtländer-Nomenklatur…

Das Voigtländer Nokton VM 1.5/50 II, um das es hier geht, gibt es in Schwarz, Silber und gegen einen Aufpreis von 100 Euro auch zweifarbig (schwarz/nickel), wobei man zwischen ein- und mehrfach vergüteten Versionen wählen kann. Damit gibt es nicht weniger als sechs verschiedene Optionen! Für diesen Test wurde die MC-Version verwendet. Der Verkaufspreis beträgt 899 Euro; das Objektiv ist zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels überall neu erhältlich. Die durchbrochene Streulichtblende (LH-6, diese passt auch auf einige andere Voigtländer-Objektive) wird mit einem Bajonett befestigt, muss aber ärgerlicherweise separat gekauft werden (stattliche 79 Euro). Ein Etui ist nicht im Lieferumfang enthalten, aber ein OP/Tech Neopren-Köcher mit unverlierbarem Stülpdeckel ist eine gute und günstige Wahl.

Front- und Rückdeckel – das ist alles, was zum Lieferumfang des Voigtländer Nokton VM 50/1,5 II gehört.

Für ein so lichtstarkes 50er ist dieses Nokton ein recht kompaktes Objektiv. Es ist nur 37 mm lang (mit den die in die Kamera hineinragenden Teilen beträgt die Gesamtlänge 44 mm) und hat einen Durchmesser von 55 mm, wie viele Messsucherobjektive. Das Voigtländer Nokton VM 50/1,5 II wiegt 235 Gramm „wie in meiner Fototasche“ (also mit beiden Deckeln und der Original-Streulichtblende) oder 198 Gramm nackt. Die vordere Schraubfassung nimmt 43-mm-Filter auf. Das ist keine häufige Größe, wenn man von Leica kommt, aber bei Voigtländer- und Zeiss-Objektiven recht weit verbreitet (na ja, sie stammen ja auch alle aus demselben Cosina-Werk).

Optik und Abbildungsleistung

Aufbau

Das Voigtländer Nokton VM 50/1,5 II trägt den Zusatz „Vintage“ in seinem Namen, aber das ist etwas irreführend, denn es ist ein modernes Objektivdesign. Es besteht aus acht Linsen in sieben Gruppen. Ein Element hat zwei asphärische Flächen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Nokton stark von dem älteren Heliar Classic 50/1,5. Anders als das aktuelle Summilux von Leica hat es keine Floating Elements. 

Farbabweichungen und Vignettierung

„Colour Drift“ (ich habe noch keinen guten deutschen Begriff dafür gefunden) beschreibt das Phänomen, dass Bilder zu den Rändern hin einen seltsamen Farbstich aufweisen. Oft ist er auf der einen Seite grün und auf der anderen Seite rot (daher auch „Italian flag effect“). Die Ursache dafür sind Lichtstrahlen, die in einem flachen Winkel auf den Sensor treffen. Das Nokton VM 50/1,5 II neigt an einer digitalen Leica M-Kamera nicht zu diesem Verhalten. So darf man es von einem 50-mm-Objektiv auch erwarten (Weitwinkelobjektive sind viel anfälliger für diesen Fehler). Was allerdings auftritt, ist Vignettierung, vor allem wenn das Objektiv weit geöffnet ist. Sie kann mit einem Lightroom-Profil oder manuell recht einfach korrigiert werden, was aber verstärktes Bildrauschen in den Ecken nach sich ziehen kann. 

Chromatische Aberration

Das Voigtländer Nokton VM 50/1,5 II erhebt nicht den Anspruch, ein APO-Objektiv zu sein, und das ist es auch nicht. Chromatische Aberration (CA) in Längsrichtung kann zu Farbsäumen in unscharfen Details führen, besonders in Situationen mit hohem Kontrast. Man kann dies in der Nachbearbeitung korrigieren oder durch leichtes Abblenden des Objektivs beseitigen (aber dafür kauft man ja kein lichtstarkes Objektiv). In den Situationen, in denen ich das Objektiv verwendet habe, schien die seitliche CA (also der Farbquerfehler) kein großes Problem zu sein. Alles in allem ist CA sicherlich kein Grund, von diesem Objektiv die Finger zu lassen. Wer mehr wissen will, wird bei Fred Miranda fündig.

Schärfe

Für ein so lichtstarkes Objektiv ist das Voigtländer Nokton VM 50/1,5 II schon bei Offenblende bemerkenswert scharf (wenn man es schafft, den Fokus zu treffen). Sowohl die Auflösung als auch der Kontrast (beides zusammen ergibt das, was wir gemeinhin „Schärfe“ nennen) sind auf hohem Niveau. Die Schärfe verbessert sich weiter, wenn man auf f/2,8 abblendet, dann auch mit Top-Ergebnissen bis in die Ecken. Im Nahbereich führt das Fehlen von Floating Elements zu einer leichten sphärischen Aberration. Es liegt wohl im Auge des jeweiligen Nutzers, ob die daraus resultierende etwas weiche Wiedergabe in solchen Fällen einen Vor- oder einen Nachteil darstellt. Ab mittlerer Entfernung und leicht abgeblendet bietet das 50/1,5 II jedenfalls eine sehr gute Leistung.  

Bokeh und Streulicht 

Die heutigen Beschichtungstechnologien sind wirklich erstaunlich. Ich konnte das 50/1,5 kaum mit Gegen- und Streulicht in die Knie zwingen. Und wenn, dann waren die Effekte sehr subtil – zumindest für meinen Geschmack. Bokeh ist mit Sicherheit noch subjektiver, daher werde ich kein fixes Urteil abgeben. Aber ich teile gerne meinen Eindruck, dass die Zwölf-Lamellen-Blende zu einer schön weichen Wiedergabe von unscharfen Bereichen beiträgt. Es gibt jedoch Objektive mit einem Bokeh, das mehr meinem Geschmack entspricht, wie das aktuelle oder das Summilux 50 oder das 50 APO-Lanthar von Voigtländer. Aber wie gesagt: Your mileage my vary.

Mein Fazit, Optik

Es ist schwierig, etwas zu finden, was man an diesem Objektiv ernsthaft kritisieren könnte. Schärfe und Gegenlichtverhalten sind hervorragend, chromatische Aberrationen sind akzeptabel, und selbst subjektive Punkte wie Bokeh oder Farbwiedergabe lassen nichts zu wünschen übrig. Sicher, ein Floating Element hätte die Leistung im Nahbereich verbessert. Aber letztendlich ist der begrenzende Faktor für dieses Objektiv wahrscheinlich die Präzision des Messsuchers der Kamera und/oder natürlich die Fähigkeiten des Fotografen.  

Mechanik und Handhabung

Erster Eindruck

Wie gesagt, das Voigtländer Nokton VM 50/1,5 II ist ein recht kleines Objektiv. Der Blendenring hat zwei Nocken, um es besser zu greifen. Der Entfernungsring ist über den gesamten Umfang geriffelt, das unterscheidet sich hinreichend. Die Beschriftung im Helvetica-Stil ist klassisch in Weiß gehalten, es gibt keine feet-Entfernungsangaben, sondern nur Meter. Alles in allem ein nüchternes Design, nichts Ausgefallenes, nichts Nostalgisches, aber auch nichts Modernes. Man wird jetzt vielleicht nicht verzückt „wow“ rufen, wenn man dieses Objektiv zum ersten Mal in den Händen hält, aber ich habe es schätzen gelernt. Was ich mir anders gewünscht hätte, ist das chromglänzende Bajonett für die Gegenlichtblende, das sogar unerwünschte Streulichtreflexe hervorrufen kann, wenn keine Blende angebracht ist. 

Kleines Objektiv an kompakter Kamera: Das Voigtländer Nokton VM 50/1,5 II hat genau die richtige Größe für Messsucherkameras.

Verarbeitung

Cosina, die Firma, die die Voigtländer-Objektive herstellt, hat sich einen Ruf für gute Handwerkskunst erworben, und das Voigtländer Nokton VM 1.5/50 II ist ein weiteres Beispiel dafür. Beide Einstellringe weisen mit genau den richtigen Widerstand auf, die Blenden rastet auf halben Werten weich, aber gut definiert ein. Dieses Objektiv, in Japan nur aus Metall und Glas gefertigt, wird wahrscheinlich Jahrzehnte halten, und es kann gewartet werden, solange es Fachleute gibt, die wissen, wie man so einen Job macht. 

Scharfeinstellung

Die Naheinstellgrenze des Objektivs beträgt 0,7 m, was ja auch das untere Limit für alle neueren M-Mount-Messsucherkameras ist. Es gibt also keinen zusätzlichen Bereich für Benutzer elektronischer Sucher wie bei einigen anderen neueren M-Objektiven. Der Verstellweg beträgt etwa 90 Grad, ein guter Kompromiss zwischen Präzision und Arbeitsgeschwindigkeit. Man stelle aber sicher, dass der Messsucher gut justiert ist. Bei einer Entfernung von einem Meter beträgt die Schärfentiefe nur etwa vier Zentimeter

Sucher

Das nackte Voigtländer Nokton VM 50/1,5 II verdeckt im Leica-Leuchtrahmen bei Unendlich nichts und im Nahbereich nur ganz wenig. Mit aufgesetzter Original-Streulichtblende wird es ein bisschen anders, aber selbst bei 0,7 m und mit aufgesetzter Streulichtblende kann man den Bildausschnitt gut kontrollieren. Dabei ist die bemerkenswerte Kleinheit des Objektivs natürlich hilfreich. Und es ist ein wichtiges Argument dafür, das Nokton 1.5/50 als echtes Standardobjektiv zu empfehlen, hier gemeint als das Objektiv, das man standardmäßig auf seiner Kamera haben kann.

Mein Fazit, Handhabung

Das Voigtländer Nokton VM 50/1,5 II ist ein einfach zu handhabendes Messsucherobjektiv, dessen Verarbeitungsqualität sehr hoch wirkt. Das Fokussieren und Einstellen der Blende funktioniert super, wenngleich einige Benutzer die Leica-typische und auch bei Voitländer verbreitete Fokussiermulde vermissen könnten. Alles in allem ist es eine Freude, dieses Objektiv zu benutzen.

Alternativen

Wenn es um ein universell einsetzbares, lichtstarkes 50-mm-Objektiv geht, kommt einem das Leica Summilux in den Sinn. Es gibt mehrere Generationen dieses altehrwürdigen Klassikers. Die neuesten verfügen über asphärische Linsen und ein Floating Element für eine verbesserte Leistung im Nahbereich. Ich erinnere mich, dass Peter Karbe von Leica einmal sagte, dass das 50er Summilux ASPH. eines seiner Lieblingsobjektive im M-System sei. Und ja, es ist mit Sicherheit ein wunderbares Objektiv. 

Lichtstarke 50er für Leica M: Voigtländer Nokton VM 1.5/50 II mit (von links): Zeiss C-Sonnar 1.5/50; Leica Summilux 1.4/50 ASPH., TTArtisan 1.4/50, Zeiss Planar 1.4/50 für Contax/Yashica im großartigen Skyllaney-Umbau.

Eine weitere Option ist das Zeiss C Sonnar 50/1,5, das zwar die gleiche Lichtstärke wie das Nokton hat, aber in jeder anderen Hinsicht ein ganz anderes Objektiv ist. Das Zeiss ist mehr oder weniger eine Neuauflage eines Designs aus den 1930er Jahren mit einer sehr charakteristischen Abbildungsleistung. Manche finden sie schrecklich, andere nicht. Ich habe es noch nicht in einem Umfang ausprobiert, der mir ein Urteil erlauben würde. Mehr kann ich über den M-Bajonett-Umbau des Zeiss Planar 50/1.4 sagen, das ursprünglich für Contax/Yashica SLR gedacht war. Es ist groß, aber ausgezeichnet, siehe Teil 15 der M Files. Ein 50/1.4 ist auch von Thypoch und TTArtisan erhältlich. Schließlich hat Voigtländer ein 50/1.2, das sogar ein guter Kompromiss zwischen dem 1.5er und dem 1.0er sein könnte. Es hat einen guten Ruf, aber ich kann nichts darüber sagen. 

Das letzte Wort

Ich finde ja: Ein lichtstarkes 50er gehört in jede Fotoausrüstung. Es ist eine vielseitige Brennweite, und auch wenn die heutigen Sensoren das ultimative Quäntchen an Lichtstärke natürlich dank High-ISO-Performance ersetzen könnten, sind geringe Schärfentiefe und ein schönes Bokeh auch in Zeiten immer besserer KI-Nachbearbeitungsmöglichkeiten immer noch interessant. Und nicht zuletzt ist ein solch lichtstarkes Objektiv für die analoge Fotografie unerlässlich. Das Voigtländer Nokton VM 50mm f/1.5 II ist in jeder Hinsicht eine empfehlenswerte Option für ein lichtstarkes 50er. Es ist optisch überzeugend, gut gebaut und hat einen für seine Verhältnisse sehr günstigen Preis. 

Alpenblick auf dem Hohentwiel. Voigtländer Nokton VM 1.5/50II an Leica M10, ISO 200, f/1.5, 1/1500 Sek.

Voigtländer Nokton VM 1.0/50: Ist es dieser einzigartige Look?

Technische Daten, Lieferumfang, Preis und Verfügbarkeit

Das Voigtländer Nokton VM 50/1,0 ist die neueste Version des ultralichtstarken 50-mm-Objektivs aus dem Hause Cosina.

Das Voigtländer Nokon VM 1.0/50 ersetzte 2021 das 50/1.1 von 2009. Es ist zwar ähnlich in Größe und Gewicht, aber etwas lichtstärker (wobei die 1.0 auch eher dem Marketing geschuldet sein könnten). Das 1.0/50 ist neu erhältlich, es gibt nur eine schwarze Version, und sein Preis liegt bei 1749 Euro (09/2024). Eine Metall-Streulichtblende ist im Lieferumfang, sie wird (auch andersrum, für den Transport) über ein Bajonett befestigt. Köcher oder Etui müssen separat bei Drittherstellern gekauft werden. 

Es ist das teuerste Objektiv in der Reihe, aber das Voigtländer Nokton VM 1.0/50 wird dafür mit einer hervorragenden Streulichtblende geliefert.

Ein so lichtstarkes Objektiv kann nicht klein und leicht sein. Das Voigtländer Nokton VM 1.0/50 ist 55m lang (mit den in die Kamera ragenden Teilen 68mm). Aber der Durchmesser! Hier fordert die hohe Blendenöffnung ihren Preis. 74 mm sind für ein M-Objektiv wirklich dick, und die Streulichtblende erhöht die Größe noch weiter. Das Gewicht beträgt 540 Gramm mit beiden Deckeln und Blende, 485 Gramm ohne. Die Filtergröße (hier wichtig, man denke an ND-Filter!), beträgt 62 mm.

Optik und Abbildungsleistung

Aufbau

Das Voigtländer Nokton 1.0/50 VM ist eines dieser Objektive, die „alles haben“. Die Designer haben wirklich alle Register gezogen: Diese Optik kommt mit nur neun Linsen aus, laut Cosina dank der speziellen Frontlinse. Diese große Linse wird als „grinding aspherical“ bezeichnet, was bedeutet, dass sie nicht gegossen (was billiger ist), sondern geschliffen wird (ein Herstellungsverfahren, in das Leica vor einigen Jahrzehnten viel Forschung betrieben und enorme Summen investiert hat). Floating Elements sorgen für gute Schärfe bis in den Nahbereich, und die hintere Linse ist ebenfalls asphärisch. All diese teuren Details wurden gewählt, um eine kompakte Größe zu ermöglichen, behauptet Voigtländer. Es gibt keinen Grund, dies zu bezweifeln.

Farbabweichungen und Vignettierung

Die oben beschriebene Problem der Farbabweichung zum Bildrand hin ist bei diesem Objektiv kein Problem. Vignettierung dagegen ist vorhanden, und zwar in großem Ausmaß, wenn das Objektiv weit offen verwendet wird. Wer mag, kann das mit manuellen Korrekturen in Lightroom beseitigen (ich habe zunächst kein Adobe-Korrekturprofil für das Voigtländer Nokton VM 1.0/50 gefunden). Meiner Meinung nach sehen viele Bilder mit einer gewissen Vignettierung aber interessanter aus, weil sie den Blick führt, doch das ist Geschmackssache. Auf jeden Fall kann die Vignettierung dazu führen, dass Lichtquellen in den Ecken katzenaugen-förmig wiedergegeben werden. Ich denke, das ist der Preis, den man zahlen muss, wenn man ein f/1.0-Objektiv zu vernünftigen Kosten haben will. 

Chromatische Aberration

Bei einem super-lichtstarken 50-mm-Objektiv würde man erhebliche chromatische Aberration mit violetten und anderen Farbsäumen erwarten, die zu einer unschönen Wiedergabe kontrastreicher Bereiche und einem allgemeinen Mangel an Schärfe führen. Das Voigtländer Nokton VM 1.0/50 scheint jedoch sowohl die laterale als auch (in etwas geringerem Maße) die longitudinale chromatische Aberration bemerkenswert gut zu. Ich habe schon einige lichtschwächere Objektive gesehen, die in diesem Bereich eine weitaus schlechtere Leistung aufweisen.

Schärfe

Ob ein Objektiv „scharf“ ist – eine eher subjektive Kategorie – hängt unter anderem von der Auflösung, dem Kontrast und dem Fehlen von Bildfeldwölbung ab. Das 1.0/50 lieferte in meinen Tests kontrastreiche Bilder, selbst bei ungünstigen Lichtverhältnissen, und die Auflösung erwies sich als gut bis ausgezeichnet, von der Offenblende bis in die Ecken. Fred Miranda bemerkt in seinem ausführlichen Testbericht eine „ausgeprägte Bildfeldwölbung nach außen“, und auch ich konnte seinen Befund nachvollziehen. Ich würde jetzt aber kaum Landschaften oder Architektur bei Blende 1.0 fotografieren. Man sollte sich aber bewusst sein, dass zum Beispiel bei Porträts die Ecken des unscharfen Hintergrunds nicht so „verträumt“, oder „cremig“ aussehen können. 

Bokeh und Streulicht

Ähnlich wie das 50/1,5 ist auch das Voigtländer Nokton VM 50/1,0 ziemlich resistent gegen Streulicht. Das ist eine große Leistung, man denke nur an die riesige Frontlinse und all die anderen massiven Elemente in dieser Konstruktion. Wenn überhaupt, scheinen diffuse Lichtquellen in der Mitte oder knapp außerhalb des Rahmens Schleier und Reflexe zu provozieren. Wie bereits erwähnt, ist das Bokeh subjektiv. Aber bei einem 1.0/50er ist es sicherlich ein, wenn nicht der Hauptgrund, ein bestimmtes Objektiv zu kaufen (oder nicht zu kaufen). Ich mag die Wiedergabe von unscharfen Bereichen, sowohl hinter als auch vor der Fokusebene. Die Zwölf-Lamellen-Blende ist hier sicherlich hilfreich. 

Mein Fazit, Optik

Das Voigtländer Nokton VM 1.0/50 ist in der Lage, einwandfrei aussehende Bilder mit beeindruckender Streulichtkontrolle und guter Schärfe zu produzieren. Abgeblendet ist es sogar exzellent, aber wenn wer vorzugsweise mit Blende vier fotografieren will, würde wahrscheinlich eine andere Wahl treffen. Nichtsdestotrotz haben die Cosina-Ingenieure mit diesem Spitzenmodell ihrer VM-Reihe ein Meisterwerk abgeliefert. Kaum zu glauben, dass ein solches Objektiv zu einem solchen Preis hergestellt werden kann. 

Mechanik und Handhabung

Erster Eindruck

Das Voigtländer Nokton VM 1.0/50 ist beeindruckend. Das heißt, groß, zumindest für ein Messsucherobjektiv. Der Frontlinsendurchmesser bestimmt die Gesamtgröße und macht das Nokton zu einem ganz schönen Klopper auf den schlanken modernen Messsucherkameras. Der Blendenring ist gerändelt, hat aber keine Laschen. Das Objektiv ist aber so groß, dass man sich mit den Fingern nicht verirren kann. Der Entfernungsring hat die klassische „Berg und Tal“-Riffelung, die an Messsucher- und andere Objektive aus der klassischen Ära der 1950er und 1960er Jahre erinnert. Mit einem Gesamtdurchmesser, der weit über das Bajonett hinausragt, und einer gleichzeitig kurzen Bauweise wirkt das 1.0/50 stabil und robust. Die Beschriftung ist gut sichtbar in Weiß ausgelegt (die feet-Skala in Rot) und einer neutralen Schrift im Helvetica-Stil (für meinen Geschmack gerade groß genug).

Schon ein Klopper: Das Voigtländer Nokton VM 1.0/50 mag für viele Messsucher-Nutzer bereits zu groß sein.

Verarbeitung

Wie das 1.5/50 ist auch dieses relativ neue Voigtländer-Objektiv der lebende Beweis dafür, dass es echt keinen Grund gibt, auf diese Marke herabzusehen. Die Fertigungsstandards scheinen sehr hoch zu sein. Das Voigtländer Nokton VM 1.0/50 ist das teuerste Objektiv in der M-Mount-Reihe des Unternehmens. Und tatsächlich scheint es auch in Bezug auf seine Mechanik Flaggschiff-Qualitäten zu haben. Und die mitgelieferte (!) Streulichtblende hat sogar ein Samtfutter, um Streulicht zu schlucken.

Scharfeinstellung

Die Naheinstellgrenze des 1.0/50 liegt bei 0,9 m, so dass es die Möglichkeiten der meisten Messsucherkameras nicht ausschöpft. Andererseits kann es eine Lotterie sein, bei, sagen wir, 0,7 m und f/1,0 die Schärfe wirklich exakt zu steuern. Von 0,9 m bis unendlich beträgt der Verstellweg etwa 90 Grad, wobei der Bereich zwischen 0,9 und 1,5 m etwa die Hälfte ausmacht. Dies ermöglicht präzises Arbeiten im Nahbereich und schnelles Fokussieren in der Ferne. Das scheint ein guter Kompromiss zu sein. Wer jedoch nicht das eine oder andere falsch fokussierte Bild riskieren will, verwendet das Objektiv besser mit einem elektronischen Sucher, zum Beispiel in einer SL-Kamera oder einem Visoflex-Aufstecksucher für die digitale M.

Sucher

Ein elektronischer Sucher ist auch das beste Mittel, um das größte Problem in der tatsächlichen Nutzung des Voigtländer Nokton VM 1.0/50 zu beheben: Das Ding ragt brutal in den Bereich der 50er-Leuchtrahmen im Leica-Sucher hinein. Der untere rechte Quadrant ist mit aufgesetzter Streulichtblende kaum sichtbar. Ohne Streulichtblende wird es ein wenig besser, aber auch nur ein wenig. In gewisser Weise treibt dieses Objektiv das Messsucherkonzept an seine Grenzen. Aber andererseits ist genau das ziemlich offensichtlich, und Leute, die sich für ein 1.0/50er interessieren, können damit umgehen. 

Mein Fazit, Handhabung

Das Voigtländer Nokton VM 1.0/50 ist in vielerlei Hinsicht ein besonderes Objektiv, auch in Bezug auf die Handhabung. Es ist schwer und groß, verdeckt das Sucherbild mehr als jedes andere mit bekannte Voigtländer-Objektiv, und man ist nicht schnell mit dieser Optik. Also kein Allrounder, sondern eher etwas für spezielle Zwecke und Fotografen, die mit einem solchen Ungetüm umgehen können.

Alternativen

Als Inbegriff des superlichtstarken 50ers darf sicher das Leica Noctilux gelten. Die aktuelle Version hat eine Anfangsblende von /0,95, frühere Versionen hatten f/1,0 und f/1,2. Eine Neuauflage des f/1.2 kam vor ein paar Jahren heraus und kann ist weiterhin auch neu zu finden. Ich habe nie mit einem dieser legendären Objektive gearbeitet. Wer sich eine dieser Objektive leisten kann, ob neu oder gebraucht, dem ist zumindest der Besitzerstolz schon mal garantiert. Das ist schon mal anders als beim Voigtländer Nokton.

Sehr ähnlich wie das aktuelle Noctilux sieht das TTArtisan 0,95/50 aus. Das äußere Design ist so ziemlich eine Kopie des Leica-Objektivs, über seine inneren Werte kann ich nichts sagen. Es ist aber ein Kandidat für einen Test irgendwann im nächsten Jahr oder so. Es scheint auch ein Zhongyi Mitakon Speedmaster 50mm f/0.95 zu geben, ein Objektiv, über das ich nichts weiß. 

Das letzte Wort

Das Voigtländer Nokton VM 50mm f/1.0 ist in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Objektiv. Es bietet eine einzigartige, etwas funkelnde und zugleich verträumte Zeichnung bei Offenblende und sehr gute Schärfe abgeblendet. Insofern vereint es das Gute aus beiden Welten. Mit seiner tollen Verarbeitungsqualität ist es eine Freude, es zu benutzen. Allerdings wirkt sich seine Größe im Messsucher massiv aus, und das präzise Fokussieren ist eine Herausforderung. Aber das 1.0/50 ist sicherlich eine gute Wahl für alle, die wirklich mit einem extrem lichtstarken Objektiv arbeiten wollen. Ein guter ND-Filter ist Pflicht, wenn die Kamera keinen schnellen elektronischen Verschluss hat. Ein hochauflösender elektronischer Sucher ist eine große Hilfe. 

Zuflucht. Schweden. Voigtländer Nokton VM 1.0/50 an Leica M10, ISO 200, f/1.0, 1/2000 Sek.

Zum Schluss: Sind die Voigtländer Nokton 50-er die klügere Wahl?

Voigtländer trägt, und das kann man nicht genug loben, viel dazu dabei, die Messsucherfotografie erschwinglicher zu machen. Während Kameras, sowohl analoge als auch digitale, selbst aus zweiter Hand teuer sind, ist die Hürde bei den die Voigtländer-Objektive deutlich niedriger. Sicher, sie halten vielleicht nicht so viele Jahrzehnte wie ein Leica-Objektiv, und sie bieten nicht die Wertbeständigkeit. Aber für den praktischen Einsatz sind viele von ihnen eine hervorragende Wahl.

Das gilt auch für die beiden Voigtländer Nokton VM 50mm Objektive. Das 1.5/50 ist ein hervorragender Allrounder. Im Gegensatz zum aktuellen Summilux fehlt die Raffinesse der  Floating-Elements-Technologie, die eine außergewöhnliche Leistung im Nahbereich ermöglicht. Aber wer ein 50 mm-Objektiv für alle Zwecke sucht, das leicht und erschwinglich ist, das bei offener Blende und im Nahbereich einen gewissen Charakter hat und abgeblendet eine tadellose Leistung bietet, findet in diesem Objektiv genau das Richtige. Und nicht zu vergessen: Man trägt nicht den Wert eines gebrauchten Kleinwagens mit sich herum. 

Speziell oder universell? Die Duo der Voigtländer Nokton VM 50er bietet beides

Das 1.0/50 ist dagegen viel spezieller. Seine Abbildungsleistung bei Offenblende ist einzigartig, und wer diesen Look, verbunden mit der hauchdünnen Schärfeebene, liebt, wird dieses Objektiv schnell ins Herz schließen. Freilich kann der Messsucher hier schon mal an seine Grenzen stoßen. Ein elektronischer Sucher is empfehlenswert, und da kann auch kein Objektiv ins Bild ragen und es zur Lotterie machen, was im unteren rechten Viertel des fertigen Bildes dann so drauf ist. Abgeblendet zeigt sich das Objektiv von seiner anderen Seite, mit satten Farben und einer hervorragenden Auflösung. Wer allerdings eh am liebsten bei Blende 2,8 fotografiert, hat echt keinen Grund, ein so massives und teures Objektiv zu kaufen.

So faszinierend das Voigtländer Nokton VM 50er das seiner superlichtstarken 1.0er Variante auch ist, meine persönliche Empfehlung ist das 1.5er. Moderne Sensoren mit ihren hohen ISO-Fähigkeiten können die 1,3 Blendenstufen, die dazwischenliegen, leicht kompensieren. Und man erhält ein wirklich erschwingliches, gut verarbeitetes und schön abbildendes Objektiv. Es könnte also, um die Ausgangsfrage aufzugreifen, tatsächlich die klügere Wahl als das Summilux von Leica sein. 

Aber es gibt auch gute Gründe, sich für das Leica-Objektiv zu entscheiden: Langlebigkeit, Werterhalt, jahrzehntelange Reparaturmöglichkeiten, schönes Design und immer noch überlegene Wiedergabeleistung sind einige wichtige Punkte. Letztendlich kann nur jede und jeder selbst entscheiden, ob er oder sie 899 Euro oder 4690 Euro ausgeben kann oder will. In beiden Fällen bekommt man ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Das tritt auf jeden Fall auch für das 1749 Euro teure Nokton 1.0/50 zu. Es macht Höchst-Lichtstärke und alles, was damit verbunden ist, einem breiteren Kundenkreis zugänglich – was man vom 12.350 Euro teuren Noctilux kaum behaupten kann.

Säntis-Gipfel, Schweiz. Voigtländer Nokton VM 1.5/50 II an Leica M10, ISO 200, f/2.8, 1/1000 Sek.
Seestraße, Konstanz. Voigtländer Nokton VM 1.0/50 an Leica M10, ISO 200, f/1.0, 1/4000 Sek.

Die M-Files: M-Mount-Objektive, -Kameras und passendes Zubehör jenseits von Leica M

Die M-Files sind ein Langzeit-Projekt. Es konzentriert sich auf Foto-Ausrüstungsteile mit oder für Leica M-Bajonett, die von anderen Firmen als Leica hergestellt werden/wurden oder die sonstwie nicht zum M-System von Leica gehören. Es verfolgt einen mehr oder weniger enzyklopädischen Ansatz, ohne wissenschaftlich zu sein. Der Schwerpunkt liegt immer auf der praktischen Nutzung von Kameras, Objektiven und anderen Produkten. Zu den in den M-Files besprochenen Ausrüstungsteilen gehören Kameras, Objektive, Sucher, Belichtungsmesser und mehr. Einige der Marken auf der wachsenden Liste sind Billingham, Contax, Gossen, Konica, Minolta, Rollei, Sekonic, Voigtländer und Zeiss.

Hier geht es zum M-Files Navigator, der einen einfachen Zugang zu allen Artikeln auf Deutsch und Englisch und Reviews nach Produkttyp und Marke ermöglicht.

Find out more about the project and get access to all English versions of the M Files episodes (including this article in English) on www.macfilos.com.

2 Kommentare

  1. Micha Spiegi

    Sehr geehrter Herr Rau,

    ein interessanter Beitrag. Frage: haben Sie sich auch einmal mit der Problematik Koma beschäftigt?

    Gruß

    Micha

  2. Holger Bohnensack

    Hallo Joer-Peter,
    danke für Deinen lehrreichen Bericht. Wenn ich objektivmäßig nicht gut versorgt wäre würde ich das Nokton 1,5/50 in die enge Auswahl nehmen. Es schein wirklich gut zu sein und ein überzeugendes Preis-Leistungsverhältnis zu bieten.
    Viele Grüße Holger

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