„Da lasse ich mich lieber von einem Wookiee küssen!“ – Leia Organa

Voigtländer 50mm f/1.2 Nokton, VM

Jörg-Peter Rau ist als Gastautor dieser Seite mittlerweile beim M-Files Beitrag Nr. 19 angelangt. Mein größter Respekt gilt seinen profunden Berichten und Darstellungen der verschiedenen zur M-Mount Familie gehörenden Kameras und Objektive.
Passend zu seiner herausragenden Reihe kommt hier ein weiterer Beitrag zu einem Objektiv mit M-Bajonett ohne Leica-Preisschild; meine Erfahrungen und Eindrücke mit dem Voigtländer 50mm Nokton f/1.2 an einer digitalen Leica.
Er erreicht jedoch nicht die Tiefe der M-Files-Artikel von Jörg-Peter.

Das Voigtländer 50mm f/1.2 Nokton VM für den Leica M Mount erschien meines Wissens schon 2018.
Bisher existieren nur wenige Berichte in deutscher Sprache über dieses Objektiv. Zudem sind viele Reviews nicht an einer M-Kamera fotografiert worden. Vielfach wurde das VM-Modell mittels Adapter an anderen digitalen Kameras beurteilt, was ihm aus meiner Sicht oft abträglich war.

Ich habe mein Exemplar im Frühjahr 2023 gebraucht erworben.
Tatsächliche Gebrauchsspuren waren bei Erhalt nicht sichtbar. Der empfohlene Preis liegt im Moment bei 1099,-€.

Links Summicron 50mm, rechts Voigtländer 50mm

Eckdaten des Voigtländer 50mm Nokton, 1:1,2 VM

Brennweite50mm
Öffnungsverhältnis1:1,2
Kleinste Blende22
Aufbau 6 Gruppen, 8 Elemente
Bildwinkel47,5°
Blendenlamellen12
Naheinstellgrenze0,7m
Durchmesser/ Länge63,3 mm / 49,0 mm
Filtergewinde52 mm
Gewicht344 g
Gewinde für Streulichtblende
ZubehörFrontdeckel + Rückdeckel
optionalStreulichtblenden LH-10, LH-8
Herstellerangaben

Für mich stellt es eine Alternative zu den verschiedenen 50mm Summilux-Objektiven von Leica dar. Diese sind alle etwas länger, dafür deutlich schlanker und in etwa gleich schwer.
Inwieweit man es mit der Neuauflage des Leica Noctilux-M f/1.2 vergleichen kann bzw. möchte, vermag ich nicht zu sagen. Nach meinem Verständnis liegt diesem die Rechnung und Konstruktion von 1966 zugrunde. Inwieweit an den verwendeten Gläsern etwas geändert wurde, ist mir nicht bekannt.

In Ermangelung eines 50mm Lux habe ich es mit meinem 50mm Summicron verglichen.

Ist das eine LeiVoNi?

Aufbau:

Wie oben schon beschrieben, hat das Objektiv 8 Elemente in 6 Gruppen. Das Gehäuse ist aus Metall. Leider liefert Voigtländer keine Streulichtblende, so daß man diese separat erwerben muß, so sie gewünscht ist. Oder man verwendet eine andere.
Das Filtergewinde von 52mm haben alle alten manuellen Nikkor- Objektive. Mit der HN-7 Blende vom Nikkor 50mm f/1.4 sieht erst recht das Voigtländer cool aus. Nun gut, sie stört ein wenig im Messsucher.

Der Rand des Objektives ragt in den 50mm Rahmen

Ich frage mich, wie man es schafft, eine scharfe Abbildung von Objektiv und Rahmen durch den Messsucher zu erreichen. Daß es bei mir nicht funtkioniert, sieht man oben.
Positiv am Nokton ist, daß die Rahmen für 50mm eingeblendet werden.

Chromatische Aberrationen und Vignettierung:

Hey, die Anfangsblende ist f/1.2. Das erlaubt für mich kleine Farbabweichungen und ja, es vignettiert. In Lightroom gibt es ein Profil für das Objektiv, welches ich auf die Bilder anwende. Die Korrektur der Vignettierung stelle ich meist auf 75%.
Abgeblendet verschwinden die Farbabweichungen und die Vignettierung. Großflächige Farbverschiebungen an den Bildseiten zu lila oder grün konnte ich an der M10 nicht beobachten. Bei der von Voigtländer/Cosina erreichten Qualität der Objektive hätte mich das sehr gewundert.

Blende f/1.2
1/1000s, f/2, ISO 200

Schärfe:

Weit offen zeichnet es etwas weich. Bei einer Naheinstellgrenze von 0,7m verpaßt man mitunter auch den Schärfepunkt, hüstel …
Und nein, es ist bei f/1.2 nicht bis in die äußerste Ecke knackscharf.
Abgeblendet auf f/5.6 ist es an der M10 scharf bis in die Ecken und würde vermutlich an der M11 ebenso keine schlechte Figur abgeben.

Bokeh:

Man stelle sich vor, mit f/1.2 nicht freistellen zu können. Das fällt schwer und ist mit dem Voigtländer 50mm unmöglich. Meines Erachtens hängt die Bokeh-Wirkung immer ein wenig vom Hintergrund ab. Hier empfinde ich sie als ruhig und die Übergänge als gleichmäßig. Das bleibt zugegebenermaßen immer im Auge des Anwenders oder Betrachters.

Flares:

Mir ist es bisher nicht gelungen, nennenswerte Flares zu erzeugen. Das bedarf offenkundig größerer Anstrengungen.

Sonnensterne:

Hey, das ist ein Voigtländer mit 12 Blendenlamellen. Alle meine Voigtländer-Objektive können spektakuläre Sonnensterne, dieses folgerichtig ebenso. Dazu muß man nicht mal weiter als bis f/8 abblenden.

Schärfe im Vergleich zum Summicron:

Im Folgenden gibt es ein bißchen Pixel-Peeping. Ein großer Freund desselben bin ich nicht, interessiert hat es mich sehr wohl. Leider kann man das mit den Bildern hier nicht so perfekt rüberbringen, wie ich es gern gehabt hätte.

Blende f/2
Blende f/2 bei 100%
Blende f/2.8
Blende f/2, möglicherweise ist das Summicron nicht perfekt fokussiert
Blende f/2, 100%
Blende f/5.6
Blende f/5.6, 100%

Anhand der Beispiele läßt sich aus meiner Sicht erkennen, daß man beim Voigtländer keinen Abschlag bei der Schärfe hinnehmen muß. Bei allen Bildern habe ich die Mitte, bzw. einen wichtigen Bereich in Lightroom auf 100% vergrößert.

Die Baumgruppe mit dem Voigtländer bei f/1.2

Farbrendering an der M10

Die Farben des Voigtländer fallen ein kleines bißchen kälter als die des Summicron aus.
Ich habe bei allen Bildern das Profil „Landschaft“ aus Lightroom verwendet. Der Belichtungsabgleich stand auf Auto.
Die M10 erkennt das Summicron durch die Codierung als solches. Für das Voigtländer hatte ich das Profil 50mm f/1.4 11868 eingestellt. Das sollte das prä-Aspherische Summilux sein.
Im Endeffekt spielt das beim Fotografieren im RAW-Format eine eher untergeordnete Rolle.
Lightroom hat ein Profil für das Voigtländer, welches die Vignettierung und Verzeichnung herausrechnet. Das kam für die Beispielbilder für den Vergleich zum Summicron nicht zum Einsatz. Alle anderen Bilder sind mit diesem Profil versehen.

Cesenatico, 1/60s, f/1.2, ISO 5000

Kosten:

Mein gebrauchtes Exemplar habe ich beim MPB.COM für unter 700€ erstanden. Der Neupreis liegt bei 1099,-€ und damit bei einem Viertel dessen, was für ein Summilux aufgerufen wird. Viermal schlechter ist es auf keinen Fall. Es ist schlicht anders.

Fazit:

An der Leica M10 bekommt man ein wunderbar funktionierendes Objektiv, welches die Grenzen des nutzbaren Lichtes mit der Anfangsblende von f/1.2 deutlich nach hinten verschiebt. Näherungsweise habe ich mit der Leica Q und deren f/1.7 Objektiv gleichgezogen. Wo früher die M10 in der Fototasche verschwand und die Q die Arbeit machen mußte, darf die M10 jetzt weiterhin mitmachen. Logisch, daß man die Brennweiten nicht vergleichen kann.
Bei f/5.6 ist es herausragend scharf und zeichnet mit feinem Kontrast.
Für die weit offene Nutzung auch tagsüber ist die Belichtungszeit von 1/4000s der M10 der limitierende Faktor. Auf Fummeln mit ND-Filtern habe ich kaum Lust.
Es ist dicker als das Summicron und ragt etwas in den 50mm Rahmen des Messsuchers. Ästhetisch gesehen sieht das schwarze Cron an der M10 schicker aus als das Voigtländer.
Zweifelsfrei werden die Voigtländer-Objektive nie den Sammlerstatus der Leica Pendants erreichen, müssen sie auch nicht. Wir wollen keine Vitrinenstücke, unsere brauchen frische Luft.

Die A6 kurz vor Grünstadt

5 Comments

  1. Paul Friedrich

    Sehr geehrter Herr Saeger, vielen Dank für den wertvollen Beitrag. Die „messucherwelt.com“ ist für mich eine neue, interessante und inzwischen regelmäßige besuchte Anlaufstelle.
    Ich habe ergänzend zum Test des Nokton 1.2 eine generelle Frage bzgl. Voigtländer an Sie und in Ihren Kollegenkreis:
    Sind die Objektive von Voigtländer „ab Werk“ an einer M (10R) bzgl. der Fokussierung in Ordnung, oder benötigen diese i.d.R. eine (individuelle) Justage? (Ähnlich 7Artisans usw.)
    Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich freuen, vielen Dank vorab.

    • Hallo Herr Friedrich,
      bei mir sind 3 Voigtländer Objektive im Gebrauch, 15, 21 und 50mm. Alle drei habe ich ohne weitere Justage an meiner M10 benutzt. Die 15 und 21mm sind oft mit LiveView im Einsatz, weil der Messsucher nur 28mm abbildet. Bei f/4.5 bzw. f/3.5 spielt eine Feinjustage aus meiner Sicht keine große Rolle. Beim 50er mit f/1.2 würde ich eventuellen falschen Fokus nie auf das Objektiv oder die Justage schieben, sondern immer bei mir suchen. Abgeblendet hatte ich bisher keine Fehler und weit offen, im Nahbereich, 70cm und ein bißchen darüber, reicht eine unmerkliche Bewegung des Oberkörpers, um die Fokusebene zu verpassen. Die Augen sind ebenso limitierend, zumindest bei mir.
      Von daher würde ich frech behaupten, daß eine individuelle Justage ein Overkill ist. Einfach losgehen und Spaß haben am Fotografieren.
      Herzliche Grüße
      Dirk

      • Claus Sassenberg

        Ich würde Dirks „freche Behauptung“ ebenfalls unterstützen. Ich habe das Ultron und das Apo-Lanthar weit offen an M10, M10-M, M11 und diversen analogen M’s benutzt und nie ein Problem mit dem Fokus gehabt.

        Viele Grüße, Claus

      • Hallo Herr Saeger,
        Hallo Herr Sassenberg,

        herzlichen Dank für Ihre schnelle Rückmeldungen. Dann werde ich das 50er Nokton 1.2 – bzw. Voigtländer insgesamt – doch näher in Betracht ziehen. Wenn sich Zufriedenheit meinerseits einstellt würde ich wahrscheinlich mit einem weiteren Voigtländer unterhalb meines 35er Lux „close focus“ den Brennweitenbereich abrunden. Das bisher „für später“ ins Auge gefasste 50er Lux 1.4 „close focus“ würde ich dann zeitlich doch weiter hinten anstellen 😉

        Ihre Einschätzung/Erfahrung bzgl. des 50er 1.2 kann ich zumindest auf Basis meiner noch kurzen „User Experience“ mit (m)einer M10R und dem 35 1.4 bereits ansatzweise nachvollziehen. Meine Frage zielte daher grundsätzlich auch auf die werksseitige Justage-Qualität von Voigtländer-Objektiven ab. Die menschlichen, individuellen „Unzulänglichkeiten“ beim Fokussieren im Nahbereich 70 cm und Offenblende 50 1.2 mit einer M sind sicherlich Herausforderung genug – da möchte ich mich wenigstens auf eine solide Grundjustage des Objektivs ab Werk verlassen können und nicht noch Hand anlegen müssen 😉
        Dann scheint hier doch die japanische Fertigung durch den langjährigen Partner/Lieferanten von Voigtländer den feinen Unterschied zu „China Glas“ machen – ohne preislich zu weit abzuheben.

        Da ich seit Jahren hauptsächlich mit dem EOS System (1D Reihe und seit Mitte 2020 mit der R5) im Bereich Natur, Wildlife unterwegs bin, ist das M-System (noch) anwendungstechnisches Neuland für mich. Daher nochmals Danke für das Teilen Ihrer Erfahrungen.

        Viele Grüße, ein schönes Wochenende und allzeit gutes Licht
        Paul

  2. Michael Christ

    Besten Dank für die Schilderung des Eindrucks. Ehrlich gesagt bin ich etwas enttäuscht: ich hatte gelesen, dass das Nokton 50/1.2 wirklich ‚mindblowing‘ sei gegenübet dem 1.0 von vielen bevorzugt wird. Nach dem Lesen Ihres Textes und dem erneuten durchschauen des Reviews auf der Homepage von Philipp Reeve habe ich den Eindruck, dass es tolle Bilder macht, aber ein gewisses Etwas fehlt. Ich komme selbst immer wieder auf das Zeiss Sonnar 50/1.5 bzw das Leica Summilux 50/1.4 (pre und asph) zurück, die für mich eine wundervolle Zeichnung ergeben. Danke nochmals für den vertieften Einblick.

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