Mein Presse-Ausweis ist heute angekommen und ich freue mich schon auf Europas größte Kamera-Messe. Wie gewöhnlich werde ich viel Zeit für Leica reservieren, aber es gibt einige andere Marken wie Panasonic, Olympus und Fuji, denen ich auf die Finger schauen möchte. Zudem hat mich Patrick Leong von der New-York-basierten Seite http://findingrange.com/ gebeten, mal ein Auge auf Hasselblad zu werfen. Er erwartet eine X1D Mittelformat-Kamera zum Review und möchte ein paar stimmungsvolle Bilder von der Ausstellung.
Wie gewöhnlich kocht die Gerüchte-Küche vor der Messe über. Während man das meiste mit Vorsicht geniessen sollte, gibt es ein paar halbwegs verlässliche Hinweise, was zu erwarten ist.
Es sieht so aus, als könnten wir ein Mark II Modell für die Olympus OM-D E-M1 mit dem 20MP-Sensor der Pen-F erwarten. Ebenso gibt es starke Vorzeichen für das Erscheinen der lange erwarteten Mittelformat-Kamera von Fuji. Was Panasonic betrifft, wäre ich nicht überrascht, einen Nachfolger für die LX100 (auch als Leica D-Lux bekannt) zu sehen, vielleicht sogar im Verbund mit einer neuen FZ1000 (Leica V-Lux).
Aber zurück zu Leica. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir bei der diesjährigen Messe keine neue M sehen werden. Vielleicht gibt es ein paar Andeutungen, aber bestimmt keine definitive Vorankündigung vor Frühjahr 2017.
Die größten Hoffnungen kann man meiner Meinung nach in eine neue APS-C Kamera als Ersatz für die futuristische Leica T setzen. Wenn Leica wirklich in den APS-C Sektor einsteigen will und solchen Kameras wie denen von Fuji ernsthaft das Wasser reichen will, müssen sie über die Sucher-Abstinenz hinwegkommen. Eine neue TL-Bajonett Kamera muss einen Sucher haben.
Vor ein paar Wochen schlug ich vor, diese neue Systemkamera sollte eine kleinere Version der SL sein. Ich bin immer noch der Meinung, dass das ein sinnvoller Schritt wäre. Jetzt erwarte ich aber eher, dass das neue Modell eher dem Design der Q entsprechen könnte, mit integriertem elektronischen Sucher und einem weniger radikalen Touch-Interface. Ich bin überzeugt, das ein konventionelleres Design mehr Erfolg hat als die jetzige T.
Das Angebot an TL-Objektiven ist jetzt reichhaltig und ein Body mit den richtigen Eigenschaften wird Erfolg haben. Während die SL das Vollformat bietet, sollte eine günstigere APS-C Alternative selbstverständlich sein.
Eine andere Kamera, die vielleicht geopfert wird, ist die X-Vario, so gut und unterschätzt sie auch ist. Falls meine Vermutungen über den Weg des T-Systems zutreffen, ist möglicherweise gar kein Platz mehr für eine Kamera dieser Art. Man befestige ein 18-55mm TL Zoom vor die potentielle neue T-System-Kamera und voila! Ruhe in Frieden, X-Vario… Sollte gegen alle Erwartungen die X-Vario nicht nur überleben, sondern sogar überarbeitet werden, dann hoffen wir mal, dass sie einen eingebauten Sucher hat. Ich bin es wirklich leid, auf teuren Leica-Bodies Aufstecksucher im Blitzschuh zu sehen.
Auch wenn es keine Aussicht auf eine neue M gibt, wissen wir, dass wenigstens ein Objektiv kommt – und ein schrulliges Ding dazu. Es gab schon im Frühjahr Hinweise, ich bin mir ziemlich sicher, dass es bei der Photokina auftaucht.
Das ist eine Neuauflage eines alten Objektivs, des 28mm f/5.6 Summaron, welches zwischen 1955 und 1963 produziert wurde. Es ist eins der kompaktesten jemals hergestellten M-Objektive überhaupt und ich hörte, dass es im Retro-Look daherkommt. Zwar lichtschwach nach unserer modernen Auffassung, wird es dafür superscharf sein und gerade richtig für Landschaftsfotografie oder Street.
Durch den Erfolg der Leica Q ist die 28er Brennweite wieder populär geworden, so dass Akzeptanz für das neue Objektiv kein Problem ist. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses kleine Ding ein Hit wird, vorausgesetzt, es ist nicht verboten teuer. Es sollte im Preis bei dem 35er Summarit liegen (1850 Euro), vorzugsweise darunter.
Welche Zukunft hat die Q? Diese Kamera war die Überraschung der letzten zwölf Monate. Ich schätze, damit haben nicht mal die Mutigsten in Wetzlar gerechnet. Sie ist eine fantastische Kamera und hat in ihrer jetzigen Form immer noch eine Menge zu bieten. Ich hörte Vorschläge, dass eine 50mm Q eine willkommene Ergänzung wäre, aber ich glaube nicht daran. Für mich ist wahrscheinlicher, dass wir eine Q-Vario sehen werden. Mein einziger Vorbehalt ist die mögliche Größe des Objektivs. Wenn es auch nur wenig lichtstärker als das der vielkritisierten X-Vario sein soll, wird es ein dickes Ding, vielleicht zu groß, um noch komfortabel zu sein.
So verlockend es auch sein mag darauf zu hoffen, es wird keine Q mit Wechselobjektiven geben. Die SL ist groß und schwer, in Proportion mit den Objektiven, und wenn derselbe Sensor in ein kleineres Gehäuse wie das der Q zu bekommen ist, liegt der Gedanke nah, ob man nicht eine Systemkamera daraus macht. Leider würde das den Markt für die SL und die M aushöhlen, also wird das nicht passieren.
Sowohl die V-Lux als die D-Lux werden Panasonics Entwicklungspläne widerspiegeln. Wenn Panasonic sich da bewegt, wird Leica schnell nachziehen. Darum ist es möglich, dass wir Upgrades von beiden Kameras sehen werden.
Meine Kristall-Kugel ist schön poliert und bereit, auf last-minute Änderungen vor Köln zu reagieren.
Wie immer möchte ich betonen, dass ich absolut keine offizielle Einsicht in Leicas Pläne habe. Ich gebe hier nur meine Gedanken und Vermutungen wieder, die ich sowieso schon jedem habe zugute kommen lassen, der willig war, mir zuzuhören. Eigene Gedanken, Anregungen und Kommentare meiner Leser sind mir mehr als willkommen.
Ein Nachsatz zur Reise: Nachdem ich lange mit den Buchungen für Köln (eine speziell während der Messe teure Stadt) gezögert hatte, war ich nicht überrascht, das Direktflüge superteuer waren. Nach etwas Überlegung und einem Besuch bei Trainline fand ich heraus, dass ich ebensogut mit dem Zug fahren könnte, für weniger Kosten als die verbleibenden Economy Class Flüge.
Ich hatte nicht ernsthaft damit gerechnet, mit Zug nach Köln zu kommen, aber wenn ich darüber nachdenke, könnte es sogar weniger aufwendig sein als fliegen. Für die Photokina 2014 hatte ich Lufthansa nach Frankfurt gebucht, weil kein direkter Flug verfügbar war, um dann festzustellen, dass der „Anschlussflug“ in Wirklichkeit ein Zug nach Köln war, der sogar eine LH Flug-Nummer hatte, aber überraschenderweise nie den Boden verließ. Ein deutscher Freund berichtete mir, dass dieses Konzept schon seit Jahren so durchgeführt wird. Sieht aus, als wäre es eine vernünftige Lösung.
Also, dieses Jahr Photokina mit dem Zug. Wenn ich auf dem Bahnsteig in Köln aussteige, komme ich gleich um die Ecke zur Domstrasse, wo sich praktischerweise mein Hotel befindet.
Original Artikel erschienen auf Macfilos
Übersetzt ins Deutsche von Claus Sassenberg
Bei allem, was Leica tut, hät es hoffentlich seinen Sucher im Blick. Denn nach meinem Gefühl gehört der klare Sucher zu den unterschätzten Kernkompetenzen von Leica. Ich habe noch nirgend anderswo etwas vergleichbares entdeckt. So hoffe ich auch, dass, sollte eine neue M auf den Markt kommen, der analoge Sucher beibehalten wird. Ich habe zur Zeit mit der Fuji X 10 ergänzt, mit elektronischem Sucher und Autofocus. Ich muss die Kamera jedes Mal anschalten, um durch den Sucher zu sehen. Sie braucht viel Strom, an einem Nachmittag ist der Akku 1/3 leer. Dabei bin ich oft einige Tage unterwegs, auch ohne Strom. Dann wirkt das Bild im Sucher immer surreal.
Das sind schon alleine die Momente, an denen ich wieder zu meiner LEica M 7 zurück greife. Und irgendwann einmal, wenn Geld über ist, vielleicht auch zu einer digitalen M. Mit der Fuji is es wohl der erste und der letzte elektronische Sucher, den ich haben werde. Dann lieber eine Spiegelreflex bei längeren Objektiven. Was mir auch bewusst geworden ist, dass ich das rückwertige Display gar nicht nutze. Erst zuhause werden die Bilder betrachtet. Ich kann kaum nachvollziehen, warum es so wichtig zu sein scheint. Den Weg von Leica, auch Kameras ohne Display anzubieten, kann ich umso mehr nachvollziehen.
Liebe Grüße nach Vlotho.
Kai Steffens
Ich kann dem nur aus vollem Herzen beipflichten. Es geht nichts über einen optischen Sucher.
Vielleicht noch die Randbemerkung, dass es sehr gute elektronische Sucher gibt (Leica Q und SL), gegen die der der Fuji X10 wie ein Kaleidoskop aussieht… aber dennoch. Siehe oben.
Liebe Grüße nach Eutin,
Claus Sassenberg