Schottland… ich weiß nicht mehr, wer von uns als erster darauf kam, Jürgen oder ich. Wir berieten schon im Januar, wohin wir unsere inzwischen traditionelle Spätsommer-Mountainbike-Tour machen wollten. Das wir das Konzept „Mountainbiken“ bis zur Zerreissgrenze dehnen können, hatten wir schon in dem Jahr bewiesen, als wir Kopenhagen besuchten. Auf alle Fälle war es Jürgens Einfall, uns mit dem Flieger befördern zu lassen, und irgendwie kamen wir auf Edinburgh. Ich wäre mit dem Besuch dieser Stadt allein zufrieden gewesen, aber das war viel zu simpel für Jürgens Unternehmungslust. Edinburgh besuchen, na klar, aber auch eine Tour durch die Highlands wurde auf die Agenda gesetzt. Und… was soll ich sagen, das war eine Superidee von ihm.
Ich bin noch nie in Schottland gewesen – ausser in meiner Fantasie. Schon als Teenie war ich mit Stevenson’s Figuren David Balfour und Alan Breck Stuart auf der Flucht durch die Highlands (Mein Lieblingsbuch von Stevenson bleibt aber immer „The Black Arrow“ und natürlich… „Treasure Island“). Das literarische Bild Schottlands verfestigte sich in Walter Scott’s Waverley-Romanen, die ich kurz nacheinander verschlang. Dabei handelt auch mein Lieblingsbuch von Scott, „Quentin Durward“ (natürlich neben „Ivanhoe“), von einem Schotten, allerdings spielt die Handlung in Frankreich und Belgien. In den Strassen von Edinburgh musste ich an Stevensons Novelle „Der Leichendieb“ denken und stellte mir vor, wie die Kutsche mit Fettes und McFarlane über das Kopfsteinpflaster der Stadt rumpelt. Vor dem Schloss kam mir Edgar Allan Poe in den Sinn, denn über dem Eingang steht das Motto der Stuarts: „Nemo me impune lacessit“ („Niemand reizt mich ungestraft“). Dies hat Poe über seine Geschichte „The Cask of Amontillado“ gesetzt, und da auch Poe zu den Autoren gehört, die ich schon früh von oben bis unten gelesen habe, war die Geschichte das Erste, an das ich denken musste, als ich die Burg betrat. Der Eingang wird rechts und links von Statuen flankiert, die „Robert the Bruce“ und „William Wallace“ darstellen sollen. Sie wurden im 19. Jahrhundert dort angefügt und zeigen zwei Typen, die irgendwie an Batman und Superman erinnern. Trostreich, dass man in der Zeit nicht nur in Deutschland eine verklärte Heldenverehrung betrieb.
„Touch not the Cat but a Glove“: In dieser Gegend stießen wir auf einen Gedenkstein des Clans MacPherson. Leica M10 mit 50mm Summilux
Ein anderes Clan-Motto begegnete uns auf einem Gedenkstein irgendwo in den Highlands: „Touch not the Cat but a Glove“. Dieses Motto des Clans MacPherson hat Mary Stewart (die Autorin, nicht die Königin) als Titel eines ihrer Romane gewählt. Ein anderes Buch von ihr spielt auf der Insel Skye (eine Mischung aus Krimi und „Damsel-in-Distress“-Roman) und gibt sehr schön den Lokalkolorit wieder.
J.K. Rowlings Ideenschmiede. Am letzten Vormittag in Edinburgh tranken Jürgen und ich noch einen Kaffe dort. Von unserem Fensterplatz aus hatten wir freien Blick auf den stetigen Strom von Harry-Potter-Fans aus aller Herren Länder, die vor dem Café für Selfies posieren.
In Edinburgh wiederum kommt man nicht umhin, über Joanne K. Rowling zu stolpern, die hier lebte und offenbar bevorzugt das Café „Elephant House“ besuchte, wo sie grosse Teile von „Harry Potter“ skizzierte. Um die Ecke befindet sich der „Greyfriars Kirkyard“, wo sie offensichtlich auf Grabsteinen Anregung für Namen einiger Ihrer Figuren suchte.
Wenn man in den Highlands unterwegs ist, kommt man ausserdem nicht umhin, ständig an die „Outander-Saga“ von Diana Gabaldon zu denken (wenn man sie denn gelesen hat…). Aktuell als Serie verfilmt, kann man viele Drehorte besuchen, z.B. „Castle Leoch“, das eigentlich Doune Castle bei Stirling ist. Gleich die erste Einstellung in der ersten Folge zeigt übrigens „The three Sisters“ bei Glencoe (siehe auch Beitragsbild ganz oben), wo ich mit Jürgen unterwegs Halt gemacht habe. „Stirling“ wiederum triggert „the Battle of Stirling“, wo der schottische Volksheld William Wallace die Engländer vernichtend geschlagen hat. Ein Film darüber („Braveheart“, mit Mel Gibson) wurde zum großen Teil im Glen Nevis bei Fort William gedreht, wo ich mit Jürgen zu den „Steall-Falls“ gewandert bin. Überhaupt, wenn man Drehorte besuchen will, gibt es Auswahl ohne Ende. Nicht nur die Historienfilme, auch „James Bond“ wurde an verschiedenen Stellen in Szene gesetzt.
Glen Nevis, in dieser Gegend wurde „Braveheart“ gedreht. Leica M10 mit 28mm Summicron, Panorama aus drei Aufnahmen
Überall in Schottland ist die Geschichte gegenwärtig – irgendwie geht es immer um die Befreiung von englischer Herrschaft. William Wallace wird als Volksheld verehrt – grosses Denkmal bei Stirling (Schlacht daselbst). Seine Rolle erinnert mich ein wenig an Hermann den Cherusker bei uns. Neben dem Schicksal Maria Stuarts sind vor allem die Jakobiteraufstände 1715 und 1745 immer wieder Thema und das Konterfei von „Bonnie Prince Charlie“ begegnet einem an jeder Ecke. Wenn es nach Nicola Sturgeon (amtierende Ministerpräsidentin, ständig im Clinch mit Thresa May) ginge, würde sie vermutlich durchziehen, was vor 250 Jahren blutig niedergeschlagen wurde. Auffällig ist, das an vielen „nichtoffiziellen“ Gebäuden die Flagge mit dem Andreaskreuz und die Europaflagge wehen, nicht aber unbedingt der Union Jack… trotz all dieser Sentiments ist eine reale Abspaltung vom UK natürlich sehr unwahrscheinlich.
Die Ausrüstung
Ich hatte die Leica M10 und die M6 dabei, dazu eine relativ großzügige Objektivauswahl (für meine Verhältnisse): 21mm Super Elmar, 28mm Summicron, 35mm Summilux asph., 50mm Summilux asph. und 90mm Macro-Elmar. Das alles passt ohne zu klemmen in die „Billinham Hadley small“. Wegen der Unterbringung im Handgepäck wollte ich alles beisammen haben. Als „Futter“ für die M6 war diesmal Kodak Portra 160 dabei. Ich hatte Zuhause hin- und her gegrübelt, ob ich vielleicht wieder Silberhalogenid-Film wie letztens in Frankreich einpacken sollte, aber entschied mich aus zwei Gründen dagegen:
- Aus praktischen Gründen: Schnellerer Wechsel der Objektive zwischen den Kameras, denn ich benutze s/w-Film immer mit Farbfiltern (Orange oder Gelb). Das erspart schon mal eine Menge Schrauberei.
- Ich hatte eine gewisse Vorstellung und Erwartung an das „schottische Licht“ und die Farben der Landschaft. Ich war einfach neugierig, wie sich der Farbfilm in Bezug auf Farben und Dynamik von den digitalen Dateien abheben würde. Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit Kodak Portra lag die Messlatte ziemlich hoch. Heute kann ich sagen, dass dieser Film mal wieder eine exzellente Wahl war.
Ich hatte ein wenig Bedenken wegen der Röntgenstrahlen beim Scannen des Handgepäcks, aber die Metall-Hülsen der Filmpatronen halten alles gut ab. Es ist auf jeden Fall besser, die Filme im Handgepäck zu haben, weil für die aufgegebenen Koffer unter Umständen „härtere“ Strahlung zum Einsatz kommt. Die Leica Q hatte ich übrigens schweren Herzens zuhause gelassen, obwohl sie für solche Reisen ideal ist. Aber noch einen Kamera-Body wollte ich mir auf keinen Fall antun. Auch lag mein Augenmerk überhaupt nicht auf „Street“ (wofür die Q mit dem ultraschnellen Autofokus perfekt ist), sondern auf „Landschaft“, also auch Stadtlandschaft. Aber bei Bedarf kann man auch manuell schnell genug fokussieren.
Schottenpower. Die haben ganz schön eingeheizt.
In Edinburgh
Wir waren abends von Bremen aus am Flughafen von Edinburgh angekommen und gleich mit einem Leihwagen zum Hotel gefahren. Im Dunkeln, bei Regen, durch Großstadtverkehr, linke Straßenseite, rechtsgesteuerter Schaltwagen. Eines der großen Abenteuer unserer Zeit. Wer muss da noch Bunji-Jumpen, um einen Adrenalin-Rush zu erleben? Um die Herzfrequenz wieder in einen normalen Bereich zu bekommen, machten wir noch einen Spaziergang über Calton Hill (hinter dem sehr praktisch unser Hotel lag) Richtung Royal Mile. Vom Observatorium hatten wir dem Blick auf die beleuchtete Stadt.
Edinburgh bei Nacht. Leica M10 mit 50mm Summilux bei f/4.0 1,5sec ISO 100
Am nächsten Morgen starteten wir frisch durch und erkundeten die Innenstadt kreuz und quer. Das Wetter war so gut, dass wir zunächst Zweifel hatten, ob wir überhaupt wirklich in Schottland waren. Neben der „Royal Mile“ und „Old Town“ ist der Besuch von Edinburgh Castle obligatorisch. Wir waren froh, dort einigermassen früh anzukommen, denn vor der Kasse bildete sich bereits wieder eine der berüchtigten Schlangen, die ich mittlerweile aus europäischen Großstädten kenne. Von den Wällen des Castle aus hat man eine exzellente Fernsicht. Das Abfeuern der „Mittagskanone“ verpassten wir, weil wir da im Kerker herumkrochen. Die verschiedenen Regimentsmuseen ersparten wir uns… Krieg, Krieg, Krieg…
Nach der Burgbesichtigung gingen wir Richtung „Grass-Market“ und Greyfriars Kirkyard, kreuzten immer mal wieder die Royal Mile und umrundeten den Basaltfelsen, auf dem die Burg steht, um durch die „Princess Street Gardens“ wieder Richtung Calton Hill zu kommen. Nach einer Mittagspause im Hotel besuchten wir das Universitätsviertel und landeten Spätnachmittags irgendwie wieder im Princess Garden, dann in der Rose Street, wo wir uns einem Pint Bier und Abendessen in einem der zahllosen Pubs genehmigten. Wer glaubt, dass wir die Nase voll hatten, täuscht sich gründlich, wir kehrten lediglich zum Hotel zurück, um unsere Stative zu holen. Nachtaufnahmen von Calton Hill waren angesagt (siehe weiter oben).
Ein paar Stadtlandschaftsbilder aus der M10
…und ein paar Bilder aus der M6 mit Kodak Portra 160
…weiter nach Inverness
Am nächsten Tag fuhren wir nach Inverness. Wir hielten ab und zu an und machten ein paar Landschaftsbilder, am späten Nachmittag trafen wir ein. Nach Edinburgh war Inverness ein wenig „underwhelming“. Vielleicht tue ich der Stadt unrecht, denn es war grauer und unstrukturierter Himmel, da wirkt keine Stadt besonders attraktiv. Jedenfalls verstand ich jetzt, warum man in „Outlander“ die Szenen, die in Inverness spielten, in einem ganz anderen, wirklich pittoresken Ort gedreht hatte (Falkland).
Skyline von Inverness in einem Schimmer Abendsonne. Leica M10 mit 50mm Summilux
Vom Schloss aus hat man die übliche gute Übersicht, die Altstadt brilliert mit hoher Pub-Dichte. Immerhin erstand ich in einer Destillerie eine edle Flasche Whisky, die Jürgen und ich in den folgenden Tagen jeweils Abends beim „Briefing“ für den nächsten Tag langsam leerten. Ach ja, in der Nähe unseres Hotels war der „Caledonian Canal“, der bis zum Beauly Firth mit Hilfe einer ganzen Reihe von Schleusen einen beträchtlichen Höhenunterschied überbrücken muss. Da wir spät angekommen waren, war für den Besuch des Schlachtfelds bei Culloden keine Zeit. Andererseits gibt es auf der freien Fläche des Moores nicht viel zu sehen… es ist mehr Contemplation, die einen dort hinführt. Trauer über das sinnlose Gemetzel, das der Herzog von Cumberland vor allem im Gefolge der Schlacht veranstaltete. Was ihm den unrühmlichen Beinamen „The Butcher“ eintrug.
Ein Wandertag
Immer am Loch Ness entlang, Richtung Südwesten, kommt man an Fort Augustus vorbei nach Fort William, und die Gegend dort ist wirklich dass, was man sich unter „Highlands“ vorstellen kann. Am Loch Ness machten wir kurz Halt, um „Urquhart Castle“ zu besichtigen. Die Ruine war recht malerisch, ansonsten war Jürgen vom Loch Ness nicht zu sehr beeindruckt. „Möhnetalsperre“, meinte er.
Bei Fort William schliesslich ist der „Ben Nevis“, der höchste Berg Großbritanniens. Wir fuhren das Glen hoch bis zu einem Wanderparkplatz. Das Wetter war sehr unbeständig, der Ben Nevis hatte sich in Wolken gehüllt. Die Sonne liess sich dennoch ab und zu blicken, abwechselnd mit kurzen Regenschauern. Wir wanderten zu den Steall Falls, immer den River Nevis entlang. Ich muss sagen, obwohl ich gefühlt 27 Mal die Regenjacke an- und ausziehen musste, war die Wanderung wunderschön und gewährte fantastische Ausblicke. Das Licht veränderte sich alle paar Minuten und wenn kurz die Sonne irgendwo durchblickte, kamen Farben und Kontraste unglaublich plastisch durch, ein Phänomen, dass ich später an den „Three Sisters“ noch einmal so erleben sollte.
Einige Bilder von der Wanderung. Da es gelegentlich regnete, hatte ich meistens die M10 um, die das klaglos mitmacht. Die resultierenden Bilder sind keineswegs das Ergebnis exzessiver Bearbeitung. Es ist einfach die Kombination von Leica-Glas und schottischem Licht. Zum Beispiel ist an dem ersten Foto nichts weiter verändert als die übliche Korrektur der Tonwerte (Helligkeit, Highlights, Schwarz- und Weißpunkt). Den Kontrast regele ich immer mit der Gradationskurve, die ich hier so zeige, wie ich sie bei dem Bild eingestellt habe. Und das ist schon alles.
Bilder mit der Leica M6 und Kodak Portra. Das Farbspektrum unterscheidet sich natürlich vom digitalen, ist aber ebenfalls der Landschaft sehr angemessen.
Obwohl wir diese Wanderung deutlich stärker ausgedehnt hatten, als zunächst geplant war, blieb mehr als ausreichend Zeit, eine Sehnswürdigkeit zu besuchen, die ich als Harry-Potter-Fan nicht missen wollte: Das Glennfinnan Viadukt, jene Eisenbahnbrücke, über die der „Hogwarts-Express“ immer so schön dampft. Aber der offizielle Aussichtspunkt ist ungünstig gelegen. Man schaut platt vor’s Viadukt und sieht die Krümmung gar nicht, ausserdem viel zu weit weg. Wenigstens kam ein Zug vorbei:
Vom offiziellen Aussichtspunkt: Nicht so berauschend. Das Licht war auch nix… M10 mit 50mm Summilux
Aber Jürgen ist ja ein Fuchs. Auf seinem Garmin-GPS, dass er immer griffbereit hatte, konnte er einen kleinen Weg identifizieren, der unter dem Viadukt durch auf die Anhöhe westlich führt und den „inoffziellen“, aber viel besseren Ausblick gewährt:
Zufrieden mit unserer fotografischen Ausbeute setzten wir uns an den See (denn dort ist auch das „Glennfinnan Monument“) und machten ein abendliches Picknick (nach der Wanderung hing uns der Magen schon in den Kniekehlen). Amüsiert betrachteten wir den Aussichtspunkt, wo plötzlich ein Bus nach dem anderen fernöstliche Touristen auswarf, die wie ein Schwarm Heuschrecken über den offiziellen Aussichtshügel krabbelten.
Loch Shiel mit Glennfinnan Monument im Gegenlicht. Leica M10 mit 28mm Summicron
Unser Tagesziel erreichten wir bei Sonnenuntergang, Onich bei Glencoe. Das Abendlicht erlebten wir am Strand vor dem Hotel bei einem Bier.
Blick auf Loch Linnhe, das eigentlich schon Meer ist. Leica M6 mit 35mm Summilux und Kodak Portra 160. Der Film schlägt sich wirklich bei allen Lichtbedingungen gut.
Von Glencoe zurück nach Edinburgh
Das Onich Hotel, in dem wir übernachteten, hatte übrigens einen sehr verblichenen Charme… der 50er Jahre. Und so lange ist dort auch nichts verändert worden. Trotzdem nichts dagegen: Es war abgestossen, aber sauber. Aber selbst Jürgen mit seinem Magen aus Stahl verweigerte das Haggis, das es zum Frühstück gab. Zum Glück reichen mir Toast und Marmelade vollkommen. Gleich nach dem Frühstück brachen wir auf, an Glencoe vorbei zu den „Three Sisters“. Wir warfen immer mal wieder einen skeptischen Blick nach oben, denn der Himmel war wolkenverhangen. Tatsächlich war dies nur ein Mittel zur Herstellung der typisch schottischen Beleuchtung, die wir bereits am Vortag erlebt hatten. Die Sonne blitzte immer mal durch Wolkenlücken und tauchte die Berge in ein magisches Licht. Wir hielten am „Three Sisters Car Park“ mit Orientierungstafel. Jürgen stiess mich an und zeigte auf zwei Radfahrer ein paar Meter weiter. Er hatte mit Argusauge gesehen, was mir entgangen war: Der eine hatte eine M3 vor der Nase! Wenn man einem anderen Leica-Fetischisten (und das konnte nur ein Bruder im Geiste sein, wer sonst würde sich wohl mit einer M3 abgeben?) über den Weg läuft, muss man etwas Smalltalk halten. Der Leica-Kollege war Franzose und nahm voller Begeisterung das Angebot an, mein 21mm Super-Elmar vor seine M3 zu bauen, da er nur ein 50mm Summicron hatte, das wirklich dort wenig praktisch war. Wir tauschten die üblichen, an eine Selbsthilfegruppe erinnernden Bemerkungen aus, dass nur die Messsucherfotografie (möglichst mit vollmechanischen, analogen Bodies) das Wahre sei und uns ja doch sonst keiner verstehe (seufz!), und das sei nun mal nicht zu ändern. Wir schieden natürlich in bestem Einvernehmen.
The Three Sisters. Panorama aus 9 Einzelbildern im Hochformat. Leica M10 mit 21mm Super Elmar.
An der Passtrasse gibt es ein ähnliches Phänomen wie beim Glennfinnan-Viadukt: Der offizielle Aussichtspunkt ist nicht unbedingt der Beste. Auf der Anhöhe Aonach Eagach Ridge (ein Stück weiter den Berg erklimmen) hat man einen wesentlich besseren Blick.
Noch ein Panorama aus 6 Einzelbildern. Leica M10 mit 21mm Super-Elmar
…und hier, wie das ganze mit Kodak Portra wirkt. Leica M6 mit 35mm Summilux.
Und dann war’s auch gut. Wir waren auf dem Plateau tüchtig durchgefroren. Da war zwar noch ein Wasserfall nebenan, aber dort hielten wir uns nur kurz auf und ich klemmte mich mit klammen Fingern wieder hinters Steuerrad (dessen seltsame Position ich zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr wahrnahm). Auf der Hochebene hinter dem Pass bescherte uns der Blick zurück noch diesen Regenbogen:
Regenbogen, Leica M10 mit 35mm Summilux
Als wir das Loch Lomond erreichten, hatte sich der Charakter der Landschaft schon wieder radikal gewandelt. Der harsche Highland-Look war wieder einer lieblichen, mehr sauerländischen Landschaft gewichen.
Am Loch Lomond. Leica M10 mit 35mm Summilux
Wir machten dort Mittagspause. Auf dem Weg nach Edinburgh lag bei Stirling noch Doune Castle (Bild am Anfang des Artikels), das Outlander-Fans als Castle Leoch, den Stammsitz der MacKenzies, kennen. Da mussten wir auch mal „reinschauen“. Es diente schon mal als Filmkulisse: Für Monty Python’s „Ritter der Kokosnuss“.
Doune Castle: Die Küche von Mrs. Fitz in „Outländer“. Leica M10 mit 21mm Super-Elmar
Dann war’s genug. Wir fuhren stracks nach Edinburgh zum Hotel und gingen noch mal in die Stadt. Wir assen in Ruhe zu Abend… aber eines stand noch auf der Agenda:
Die Forth Bridge
Wir hatten Edinburgh ein paar Tage zuvor verlassen und waren dabei über die brandneue Brücke „Queensferry Crossing“ gefahren, die erst im August eröffnet worden war. Während ich damit beschäftigt war, uns durch den Verkehr des M90 Motorway zu bugsieren, machte Jürgen aus dem Auto heraus ein paar Bilder von den imposanten Brückenpylonen und der Seilkonstruktion. Beim Blick nach Osten sahen wir die „Forth-Bridge“, jene klassische Eisenbahnbrücke aus dem Jahr 1890, über die täglich immer noch 200 Züge rumpeln. Die Forth-Bridge war konstruiert worden, nachdem die Tay-Brücke in einer Sturmnacht wegen technischer Mängel eingestürzt war („Tand, Tand, ist das Gebilde von Menschenhand…“, die Ballade von Theodor Fontane darüber habe ich in der sechsten Klasse lernen müssen).
Analoge Langzeitbelichtungen der Forth-Bridge mit Leica M6 und Kodak Portra. Man beachte den sich mit abnehmenden Licht verändernden Weissabgleich des Films.
Im Gegensatz zur wohl noch zu neuen Queenferry Brücke wird die Forth-Bridge beleuchtet und macht so ein dankbares Motiv für Nachtaufnahmen aus. Wir trafen dort zum Ende der blauen Stunde ein und suchten uns einen günstigen Winkel zur Brücke. Ich hatte noch ein paar Bilder auf dem Film in der M6 übrig und machte sowohl digitale wie auch analoge Langzeitbelichtungen mit unterschiedlichen Brennweiten. Interessant zu sehen war, dass sich der Weissabgleich von der Zeit, da noch Restlicht im Himmel war, bis zur völligen Dunkelheit sowohl bei den digitalen wie auch den analogen Aufnahmen gleichartig verändert. Mit abnehmenden Licht erscheint die Brückenbeleuchtung immer gelber (auch für’s menschliche Auge), bis es diese goldene Spiegelung auf dem Wasser macht, die allerdings beim Kodak Portra besonders gut herauskommt. Ein „Spoiler-Bild“ davon habe ich ja schon zu Anfang des Artikels eingefügt.
Die digitalen Langzeitbelichtungen aus der M10. Das zweite ist ein HDR, das ich zum Zweck des Vergleichs eingefügt habe. Es hat eigentlich gegenüber dem ersten Bild (das aus der Belichtungsreihe ist) keine merklichen dynamischen Vorteile, lediglich das Wasser ist „glattgezogen“.
Ich habe mir angewöhnt, bei den digitalen Nachtaufnahmen Belichtungsreihen zu machen, da es manchmal schwierig ist, vor Ort den optimalen Kompromiss zwischen den grellen Scheinwerfern und dem Restlicht der Umgebung zu finden. Je dunkler es wird, umso kniffliger kann das sein. Meist ist es klug, die Belichtungskorrektur von vornherein schon mal 1 EV zu senken. Wenn Belichtungsreihen vorhanden sind, hat man ausserdem zur Not noch den Ausweg, ein HDR anzufertigen (diese Funktion ist inzwischen sehr schön in LR implementiert). Das allerdings musste ich schon seit Jahren nicht mehr ausschöpfen, die Sensordynamik reichte immer aus. Zumal ich schon lange aus der HDR-Phase raus bin (Gottseidank), durch die jeder mal durchmuss…
Zug auf der Forth-Bridge. Belichtung mit „kurzer“ Zeit und hoher ISO. Leica M10 mit 35mm Summilux bei f/1.4 1/30sec ISO 12500
Von Zeit zu Zeit passierte ein Zug die Brücke, was natürlich für die Langzeitbelichtung irrelevant war. Aber da die M10 auch bei hoher ISO akzeptable Ergebnisse liefert, probierte ich eine Belichtung bei ISO 12500 mit einer 1/30 Sekunde. Ganz nett, diese Option zu haben. Trotzdem bin ich irgendwie in die Kodak-Portra-Bilder verliebt, wahrscheinlich, weil die eben nicht so mühelos zu belichten sind. Da muss man sich schon Gedanken machen, wie lange man „B“ gedrückt hält. Als Anhaltspunkt stellte ich die M10 immer auf ISO 320, mass die Belichtung bei „Live-View“ und verdoppelte den gemessenen Wert für die M6. Die 2 bis 8 Sekunden, die meist dabei heraus kamen, zählte ich mit …21, …22, und so weiter. Drahtauslöser wäre schön gewesen, aber der war nicht im Gepäck. Aber wie man sieht, geht es auch so, wenn man den Auslöser federleicht gedrückt hält (und frei von Tremor jeder Art ist).
Das war der letzte Tag. Am nächsten Morgen packten wir unsere Siebensachen, machten noch einen letzten Besuch auf der „Royal Mile“, tranken im „Elephant House“ einen Kaffee und verabschiedeten uns dann von Schottland. In den wenigen Tagen hatten wir eine Unmenge Eindrücke gehabt, aber noch viel mehr gezwungenermassen links liegen lassen. Jürgen hat auch schon auf seinem Blog (hier Edinburgh, hier die Highlands) seine Sicht der Dinge wiedergegeben. Auf jeden Fall sollte man da auch mal schauen, er bringt ganz andere Aspekte in den Vordergrund als ich. Und das ist ja auch gut so, nämlich dass wir nicht einfach nebeneinander gestanden haben und identische Fotos machten.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich noch einmal zurückkehren werde, vor allem, um auch mal die Inseln (Skye, die Orkneys, oder die Hebriden) zu besuchen. Der Flug nach Bremen lief problemlos. In Deutschland musste Jürgen fahren, ich hatte Bedenken, auf der falschen Strassenseite zu landen…
Abschied von Edinburgh, Leica M6 mit 35mm Summilux, Kodak Portra 160
Lieber Claus,
schon seit Jahren träume ich von einem Urlaub auf der Insel (Lewis and Harris); in meiner Phantasie fahre ich durchs Land, vorbei an grasenden plüschigen Hochlandrindern und komme inmitten einer Schafherde zum Stehen. Oder ich stehe an den zerklüfteten, steilen Felsen und schaue auf den wütenden, rauen Atlantik und den gleichzeitig schönsten Sandstrand, den ich wahrscheinlich jemals zu sehen bekäme. Ja und die Schlösser…., romantisch, geschichtsträchtig – wahrscheinlich mehr Schlösser als Einwohner. Und dann natürlich die unfassbar schöne Natur…. ein Gefühl, als sei die Zeit stehen geblieben. Das alles hatte ich mir doch eigentlich aus dem Kopf geschlagen – erstmal.
Und nun kommst du (und auch Jürgen) mit diesen wundervollen Bildern. Landschaftsaufnahmen und Lichtstimmungen, die es einem echt schwer machen, dem Träumen zu entkommen.
Von euren Eindrücken werdet ihr sicher noch lange zehren.
Viele Grüße
Christiane
Liebe Christiane,
das ist auch so. Ich schaue mir die Bilder an und das bringt mich ein bisschen zurück in diese Tage dort. Das war ganz sicher nicht das letzte Mal, dass ich in der Gegend war. Ja, und die Inseln…
Liebe Grüße,
Claus
Herzergreifende Landscahftsaufnahmen hier insbesondere von den Highlands, lieber Claus. Das weckt Interesse so etwas anzugehen …
Wie lange seit ihr denn auf der Insel gewesen? Waren die Highlands nur eine Tagestour während des Aufenthaltes?
Yep, straffer Zeitplan. Wir waren nur an einem Tag am Ben Nevis wandern, am nächsten bei den „Three Sisters“ und dann zurück nach Edinburgh. Das Licht und die Highlands sind was besonderes. Hoffe, irgendwann noch mal auf die Inseln zu kommen (Skye).
Sehr schöne Bilder. Danke! Selbst der Edinburgh-Klassiker ist gelungen. Mein Favorit sind die Three Sisters. Mit der Hadley habe ich übrigens ähnlich gute Erfahrungen gemacht.
Danke für die Rückmeldung und das Lob, das gerade von professioneller und kompetenter (!) Seite für mich doppelt zählt!
Ich werde nicht müde, das Lob der Hadley-Taschen zu singen, die unglaublich robust, absolut regendicht und angenehm zu tragen sind.
Viele Grüße und gutes Licht,
Claus
Lieber Claus,
da braucht es einfach nicht viele Worte. Gerade die Landschaftsaufnahmen gehen ans Herz. Und mein Lieblingsfilm beweist sich einmal mehr selbst.
Heute Mittag habe ich mit meiner Frau noch darüber gesprochen, das Wales oder Schottland gerne mal in unsere Planungen einbezogen werden könnten. Du hast uns einmal mehr bestätigt.
Herzlichen Dank dafür.
Lieber Gruß
Kai
p.s.
welches Stativ hast Du dabei? DAs Leica Ministativ?
Lieber Kai,
vermutlich ist Wales auch sehr schön, aber irgendwie muss man ja eine Entscheidung treffen, gell?
Als Stativ habe ich das Manfrotto 190CXPRO4 in den Koffer gepackt. Es ist nicht wirklich mini, aber schon kürzer als die meisten anderen und aus Karbon (Gewicht!). Das Mini-Stativ von Manfrotto aber habe ich sowieso immer in der Fototasche.
Liebe Grüße,
Claus
Pingback:Schottland - eine Reise durch die Highlands - Inverness - Glencoe