Der Blog und das Tutorial zur Invarianz hat einiges an positivem Feedback ausgelöst. Für mich ist die Sache faszinierend, weil sie Dinge erklärt, die ich vorher nur mit Erfahrungswerten begründen konnte. Jetzt gibt es eine Logik dahinter. Die eigentlich wichtigste Erkenntnis dabei ist, dass man ohne schlechtes Gewissen die Belichtungszeit auch bei Low-Light kurz halten kann, um  Bewegung im Bild  einzufrieren. Als Nebeneffekt gibt es eine besser Kontrolle über die Highlights bei gleichem oder sogar geringerem Rauschen. Die genaueren Zusammenhänge hatte ich im Tutorial erklärt.

Am meisten hat mich an der Sache gewundert, wie wenig darüber hierzulande bekannt ist. Eine kurze Suche im Fuji-X Forum ergab allerdings sechs oder sieben Treffer, wo es als Thema zur Sprache kam. Aber die einzige ursprüngliche Quelle für die Information scheint DPreview zu sein.

Übrigens ist mir  auch klar geworden, das die „DR200“ und „DR400“ Funktionen der Fuji X-Kameras sich genau diese Eigenschaft des Sensors zunutze machen. Ein Foto (also auch bei Tageslicht) wird gezielt eine oder zwei Blendendstufen unterbelichtet und dann in der Kamerasoftware angehoben. Allerdings nur das JPG, das RAW-Bild bleibt erhalten. Man kann es selbst in Lightroom bearbeiten. Das ist sehr korrekt, nicht mit Originaldateien herumzupfuschen.

All diese Überlegungen zur Invarianz bringen mich zu der ketzerischen Frage: Wie wichtig ist der Grundsatz ETTR (Expose to the right) noch? Stammt der nicht aus einer Zeit, als Sensoren noch eine leichte Erhöhung der ISO mit fiesem Rauschen quittierten? Heute kann man bei den High-End Sensoren bis ISO 1000 oder mehr Rauschen mit dem Mikroskop suchen. Wie relevant ist es also, das Signal/Rauschen-Verhältnis optimal zu halten, was den grössten Teil des Bildes betrifft, wenn man dafür gerade bei dynamisch fordernden Szenen in kleinen Bildbereichen unweigerlich die Highlights „klippt“?

Das ich bei Bildern mit sehr starken Helligkeitsunterschieden sowieso schon immer auf die Highlights belichtet habe, ist klar. Bei einem ganz oder teilweise „invarianten“ Sensor kann man aber jetzt ernsthaft in Erwägung ziehen, die Belichtung grundsätzlich moderat zu halten, also das Histogramm nicht nach rechts zu treiben. Die „DR“-Funktion der X-Kameras folgt genau diesen Überlegungen, steht also konträr zum Grundsatz „ETTR“.

Es gibt noch ein paar Sachen anzumerken:

  1. Mein Freund Jürgen wies mich darauf hin, dass es nicht unbedingt sinnvoll ist, die Auto-ISO in der Kamera zu niedrig zu begrenzen. Wenn eine niedrige ISO-Grenze erreicht ist (z.B. 1600), fängt die Kamera an, die Belichtungszeit zu verlängern (nehmen wir mal an, die Blende ist schon weit offen). Da ist es doch im Zweifel besser, die ISO weiter hoch zu setzten? Verwackelte Bilder bleiben immer verwackelt. Mit Rauschen kann man ggf. vielleicht umgehen! Korrekte Überlegung. (Anm.: Bei Blende f/1.4 oder f/2.0 und zwei bis drei Blendendstufen Unterbelichtung muss es schon so dunkel wie in einem Affenarsch sein, dass man höhere ISO als 6400 braucht. Und was gibt’s da noch zu fotografieren?)
  2. Im Tutorial hatte ich mich  zunächst beschwert, dass die M 240 keine Auto-ISO Funktion hat, wenn man die Zeitautomatik abstellt. Am nächsten Tag fiel mir aber ein, dass man verschiedene Optionen hat, wenn man den ISO-Knopf gedrückt hält. Es funktioniert also, und das ist eine sehr wertvolle Einstellungsmöglichkeit. Bei fest vorgewählter Belichtungszeit und Blende verstellt sich nur die ISO nach Lichtverhältnissen. Belichtungskorrektur ein bis zwei Blendendstufen nach unten, und die Highlights bei Low Light sind sicher.

Gestern war ich mit Familie in Münster. Es hat mich etwas Überwindung gekostet, aber ich habe die M zuhause gelassen, weil ich neugierig war, die X100T in punkto Invarianz zu testen. Uns siehe da: Als das Licht schwand, machte ich alles mit ein bis drei Blendenstufen negativer Belichtungskorrektur und die Dateien liessen sich in Lightroom tadellos herstellen.

Die folgenden Beispielsbilder sind mit voller Absicht ohne jede Rauschunterdrückung. Selbst das um drei Blenden „hochgezogene“ Bild zeigt nur moderates Rauschen.

Unten eine Bilddatei, die ich zwei Blendendstufen unterbelichtet habe, entsprechend in Lightroom wiederhergestellt:

Nachtrag zur Invarianz
Fujifilm X100T 23mm Fujinon-Objektiv f/2.0 1/80sec ISO 200 -2EV Belichtungskorrektur

Das nächste Foto ist sogar mit drei Blendendstufen Unterbelichtung gemacht. Bitte beachten, wie viele Details in den beleuchteten Fenstern und Arkaden erhalten bleiben. Hätte ich es gleich mit ISO 3200 gemacht, hätte ich die nie in dem Masse zurückgewinnen können.

Fujifilm X100T 23mm Fujinon-Objektiv f/2.0 1/80sec ISO 400 -3EV Belichtungskorrektur

Das letzte Bildbeispiel mit einer Blendendstufe Unterbelichtung. Wirft man mal einen Blick auf die Belichtungszeit, wäre es clever gewesen, sogar noch eine oder zwei Stufen zurückzugehen, aber es hat knapp gereicht. Das Bild ist scharf.

Fujifilm X100T 23mm Fujinon-Objektiv f/2.0 1/40sec ISO 1600 -1EV Belichtungskorrektur

Ich habe eine ganze Menge Bilder gemacht, aber die sind privat. Wie man sieht, war einiges Los auf dem Prinzipalmarkt!

2 Kommentare

  1. Hallo Claus!
    Mit -2 EV Belichtungskorrektur hättest Du gar nicht in Münster fotografieren brauchen, DR400 hätte genügt und die Kamera hätte ebenfalls um zwei Stufen unterbelichtet und die Schatten entsprechend um zwei EV wieder hoch gezogen. Der Vorteil dabei ist, dass man dann noch etwas im Sucher sieht und der AF besser greift. Leider importiert Lightroom DR200 und DR400 nicht korrekt und man muss häufig den Belichtungsregler wieder etwas herunter regeln, auch muss man sich um die Lichter selber kümmern und bekommt nicht exakt die gleiche Kurve, wie es die jpg-Engine der Kamera erzeugt.

    Gruß aus Bad Salzuflen, Klaus.

    • Claus Sassenberg

      Hallo Klaus,
      danke für den Hinweis, ist schon klar! Aber das mit dem seltsamen Import in LR ist mir schon bei der X100s aufgefallen, darum hatte ich damals beschlossen, DR400 nicht mehr zu nutzen, sondern mich selbst um die Highlights zu kümmern.
      Wie auch immer, in Münster wollte ich auf „Einspielungen“ der Kamerasoftware verzichten und die eigentliche Invarianz testen, daher habe ich ohne solche Gimmicks fotografiert!
      Übrigens habe ich wie immer den optischen Sucher benutzt, den interessiert der Sensor nicht 😉

      Liebe Grüße aus Vlotho,

      Claus

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