Es gibt eine Sache, die kann man unangefochten über Leica sagen: Einige der besten Objektive der Welt wurden und werden dort entwickelt und gebaut, von Oskar Barnack (dem „Heiligen“) und Max Berek an über Walter Mandler bis zu Peter Karbe heute. Dazu soll gleich gesagt werden, dass bei Zeiss und Cosina-Voigtländer auch hervorragende Optiken produziert werden. Eine ganze Menge Fotografen bevorzugen deren charakteristische Eigenschaften.
Wenn ich hier im wesentlichen Leica-Objektive vorstelle, liegt das zum großen Teil an ein er gewissen Faulheit meinerseits: Die Fremd-Objektive sind unkodiert, d.h. die Kamera erkennt sie nicht und schreibt nichts in die Metadaten des Bildes, ausserdem hat jedes (halbwegs moderne) Leica-Objektiv ein Korrektur-Profil, welches die Kamera anwendet, um z.B. Color-Shift oder Verzeichnung zu korrigieren. Natürlich kann man sich behelfen, indem man sein (Fremd-) Objektiv selbst kodiert, es gibt bei vielen Zeiss oder Voigtländer-Modellen Vorschläge, welchem Leica-Profil diese am ehesten entsprechen.
Neben dem M-System existiert kein anderes, dass auch heute noch eine so reichhaltige Bandbreite von benutzbaren Objektiven aus über sechzig Jahren bietet. Nimmt man die Schraubobjektive dazu (die mit Adapter problemlos funktionieren), kommen wir auf 90 Jahre!
Die allgemein vorherrschende Meinung bei denen, die sich nicht besonders mit Fotografie befassen ist, dass man sich eine DSLR zulegen muss, wenn man eine bessere Bildqualität wünscht. Dagegen ist im Prinzip auch nichts einzuwenden, selbst Kameras dieser Art im unteren Preissegment verfügen heute im allgemeinen über gute Sensoren. Das eigentliche Problem besteht darin, dass die potentielle Leistungsfähigkeit der Kameras durch die „Flaschenböden“, die als „Kit-Optiken“ zu den Kameras geliefert werden, stark eingeschränkt wird oder der Neueinsteiger „sich was gönnen“ will und sich ein „Mörder-Zoom“ von (übertrieben) 15-400mm mit einer Anfangsöffnung von f5.6 dazu kauft und der Meinung ist, nie wieder ein weiteres Objektiv zu brauchen. Das er damit das gleiche für den Sensor tut, wie ein Rennfahrer, der seinen Ferrari mit zwei Mühlsteinen beschwert, um bessere Bodenhaftung zu haben, wollen die meisten gar nicht wahr haben. Eine gute Festbrennweite würde die Bildqualität sofort deutlich anheben.
„It’s the Glass, Stupid!“
Dieses Zitat von Steve Huff kommt mir dabei in den Sinn. Wenn ich auch nicht immer mit seinen Thesen konform gehe, dies kann ich unterschreiben. Viele von uns, die irgendwie bei den Messsuchern oder vielleicht auch beim Fuji-X-System oder ähnlichem gelandet sind, haben eine ähnliche Vorgeschichte (so sie Amateure sind). Man arbeitet sich langsam in der (DSLR-) Hierarchie hoch und häuft eine Menge Equipment an, bis man irgendwann erkennt, dass das nicht Fotografie ausmacht. Auf die eine oder andere Weise kommt man plötzlich mit Leica/Fuji/Olympus/Sony/Panasonic in Berührung und erkennt, was man mit nur einer „Prime-Lens“ erreichen kann. Meist endet die Geschichte (wie bei mir) damit, dass man sich von einem Haufen Altglas trennt und mit einer Kamera und einem Objektiv neu anfängt. Oh, aber natürlich muss man dafür nicht zwangsläufig die DSLR-Gefilde verlassen. Die Erkenntnis kann man auch ohne System-Wechsel haben. Nur scheint mir das seltener zu sein.
Aber was macht eigentlich ein gutes Objektiv aus? Das eine ist die Fertigungsqualität. Bei Leica kommen da keine Zweifel auf. Das angelsächsische Idiom „built like a tank“ trifft den Nagel auf den Kopf.
Das andere sind die Glassorten, die Berechnungen, die Anordnung der Linsengruppen, asphärische und apochromatische Korrekturen und all das. Jedes Objektiv ist am Ende ein Kompromiss. Und: Es gibt kein Objektiv, das alles kann. Es obliegt der Erfahrung des Fotografen, welches er wofür einsetzt, welche Eigenschaften er speziell für diesen Job braucht. Das heißt nicht, das man einen Haufen Objektive horten muss, das Thema wurde oben schon abgehandelt. Wenn ich ganz ehrlich bin, komme ich für 99% meiner Bedürfnisse mit drei Objektiven aus: 21, 28 und 50 mm. Ich habe auch kein Problem, mich nur auf 28 oder 35mm zu beschränken. Wer sich jetzt fragt, warum ich im Lauf der Zeit so viele andere Objektive angeschafft habe, dem kann ich eine einfache Antwort geben: Neugier und Spieltrieb. Davon abgesehen gibt es die Einsatzmöglichkeiten für ein 75er, 90er oder andere, wesentlich exotischere Brennweiten. Manche Brennweiten habe ich doppelt oder dreifach, das liegt daran, dass man sich nicht ohne Not von Leica-Glas trennt…
Auf keinen Fall lässt sich ein Objektiv dadurch definieren, ob es „scharf“ ist. Mark Dubovoy hat es in seinem Review zu dem Leica 50mm Apo Summicron einmal gut ausformuliert:
Anspruchsvolle Fotografen mit entsprechendem Hintergrundwissen konzentrieren sich auf verschiedene Parameter wie Auflösung, Kontrast und Mikrokontrast (all das trägt zu der wahrgenommenen „Schärfe“ einer Fotografie bei), sowie anderer Eigenschaften wie Sättigung, MFT-Kurven, Verzeichnung etc. Das ist die richtige Weise, die Leistung eines Objektivs zu beurteilen. Während all diese messbaren Parameter uns eine Menge über eine Optik sagen, ist das nicht die ganze Wahrheit. Man kann z.B. Bokeh nicht messen, man muss es sich selbst ansehen. Für meine Zwecke als Fotograf ist es wichtig, ein Objektiv mithilfe ganz unterschiedlicher Parameter auszuwerten, die alle zum spezifischen „Look“ der betreffenden Optik beitragen. Einige sind messbar, andere nicht. Mich interessiert nur, wie ein bestimmtes Objektiv insgesamt „zeichnet“. Simplifizierte Urteile wie „Scharf“ oder „nicht Scharf“ sind nicht mein Ding, ebensowenig wie die alleinige Betrachtung von MFT-Kurven.
Wenn man all das zusammen nimmt, wird man bei Leica nicht enttäuscht. Selbst die vermeintlichen „Einsteiger-Objektive“ bei Leica, die Summarite, sind um Längen besser als einiges, was andere Hersteller als ihre Profi-Klasse ausgeben. Dass Zeiss und Cosina-Voigtländer auch keine Krücken baut, versteht sich von selbst. Fuji hat ebenfalls einige exzellente XF-Linsen im Rennen.
Eins ist ganz klar, zuletzt hat es Jono Slack in seinem Review zum neuen 28mm Summicron Asph. festgestellt: Messsucherobjektive, insbesondere die von 35mm abwärts, funktionieren am besten auf den dafür vorgesehenen Plattformen, den Messsucherkameras. Der mit abnehmender Brennweite immer schärfer werdende Einfallswinkel der Lichtstrahlen auf den Sensor bewirkt, dass ausserhalb der Bildmitte die Pixelorte nicht richtig getroffen werden, wenn sie nicht durch ein spezielles Mikrolinsensystem vor dem Sensor dahin gelenkt werden. Dazu muss auch das Deckglas darüber besonders dünn gehalten werden. Das bedeutet, dass M-Objektive mit kleinen Brennweiten insbesondere bei der beliebten Sony A7 sehr unscharfe Randbereiche hinterlassen. Die nächstbeste Kamera nach den M-Modellen ist Leicas eigene SL, die passend konzipiert wurde.
Auf den Unterseiten stelle ich die Objektive vor, die ich besitze, jeweils mit Bildbeispielen völlig unterschiedlicher Belichtungssituationen und Perspektiven. Auch die Blendenwerte haben großen Einfluss auf die Art, wie das Objektiv die Welt wiedergibt. Aus genau den Gründen, die Mark Dubovoy nennt, halte ich es für besser, statt viele Worte zu verlieren, lieber von jedem Objektiv einige Beispiele zu zeigen.