Eine alte Ausrede für ein bisschen Strassen-Fotografie, aber für diesmal hatten wir guten Grund, die Strassen im Herzen von London unsicher zu machen. Flossy Belm von Leica-UK hatte es geschafft, uns eine M-A zu besorgen, Leicas neue, spartanische Film-Kamera. Das ist eine „Zurück-zum-Wesentlichen“ traditionelle Film-Kamera, die im Grossen und Ganzen auf der M3 und M4 basiert – oder vielleicht kommt sie der M4 näher, wie man später lesen wird – dazu ohne Belichtungsmesser. Das ist eine M-Analog gross geschrieben, reine mechanische Perfektion.
Ebenso war die ganz neue M-D verfügbar, eine elementare Digitalkamera ohne Schnickschnack. Also brachten wir die M-A und M-D Kopf an Kopf ins Rennen.
Mike bediente die M-D, während Adam die M-A ausführte. Er war fest entschlossen, sie mit seiner 1957er „Double-Stroke“ M3 zu vergleichen, Mike hingegen wollte das erste Mal seine neue M-D in den Strassen ausprobieren.
Zunächst das Wort an Mike für einen kurzen Überblick die M-D betreffend:
Oben und unten: Leica M-D und 50mm Elmar
Mike:
Nach dem Hands-On-Review vom letzten Wochenende ist es kein Geheimnis mehr, dass ich diese Kamera liebe. Obwohl sie eine auf das absolut Wesentliche reduzierte Digitalkamera ist – sie hat nicht mal einen Monitor – ist sie dennoch viel weiter fortgeschritten als die M-A, was die Bedienung betrifft. Sie hat einen Belichtungsmesser, das platziert sie in einem deutlich moderneren Kontext. Sie bietet Fotografieren mit Blendenpriorität, daher sollte man sie eher mit der M7 vergleichen, als der M3 oder gar der M-A. Ausserdem braucht sie einen Akku, von so etwas ist die M-A unabhängig.
Dazu ist die M-D im Vergleich mit der M3 oder M-A deutlich grösser. 125g schwerer als die analogen Modelle, höher – ein Relikt aus der Zeit, als das M-Gehäuse einen 3″-Monitor hatte – und daher auch tiefer.
Ansonsten fühlt sich die M-D in jeder Hinsicht wie eine Film-Kamera an. Die Rückwand ist mit dem gleichen Vulcanit bedeckt wie der Rest des Gehäuses, die Finger können überall drücken, ohne auf einen Knopf oder einen Joystick (aber kein Joy darin…) zu treffen. Selbst das Retro-Style ISO-Wahlrad auf der Mitte der Rückwand ist unaufdringlich, bündig und von geschmeidiger Oberfläche.
Als Street-Kamera glänzt sie. Mit dem leisen Verschluss und der unaufdringlichen Erscheinung ist sie ein diskretes und präzises Werkzeug. Jeder mag sie auf den ersten Blick.
Leica M-D und 50mm Elmar (Mike Evans)
Disziplin
Da gibt’s natürlich einen Riesen-Unterschied: Man kann an einem Tag Hunderte von Fotos machen, ohne ständig den Film zu wechseln. Viele sind der Meinung, dass das Limit von 36 Fotos auf einer Filmrolle diszipliniert, das es vermehrt zu einer bedächtigeren Art zu fotografieren führt und daher auch eine höhere Erfolgsquote resultiert.
Ich bin mir da nicht so sicher. Mir ist es lieber, solche Einschränkungen nicht zu haben. Ich ziehe es vor, reichlich Fotos zu machen und diese dann später in Lightroom auf Herz und Nieren zu prüfen. Aus zwei-dreihundert Fotos habe ich dann gewöhnlich ein Dutzend „Keeper“ und vielleicht eins, auf das ich stolz bin. Bei Filmen muss man sich deutlich zurückhalten, wenn Kosten und Aufwand nicht total aus dem Ruder laufen sollen.
Leica M-D und 50mm Elmar (Mike Evans)
Leica M-A und 50mm „festes“ Summicron (Adam Lee)
Das Fehlen des Monitors bei der M-D ist nur ein Nebenschauplatz. Wenn man die Kommentare betrachtet, scheint das die einzige erwähnenswerte Sache zu sein. Doch dies ist weit davon entfernt, als wichtigster Aspekt der Kamera hervorzutreten. Die Abwesenheit von Einstellmöglichkeiten, von Rädchen und Knöpfen ist es, was den RAW-Shooter oder den Film-Benutzer anzieht. Es erzeugt eine Zuversicht aus der Gewissheit heraus, dass man bereits alles unter Kontrolle hat.
Die meisten modernen Kameras sind für JPG-Aufnahmen ausgelegt und ein grosser Teil der Menü-Exzesse resultiert aus der Notwendigkeit, das In-Camera-Processing dafür einzustellen. Die M-D ist dagegen Gold wert.
[image_gallery include=“id=3462,id=3464,id=3465,id=3466,id=3467,id=3470,id=3463,id=3461″]Kein „chimpen“!
Aber was ist mit chimpen? Ich persönlich bin kein Chimper, noch hatte ich je die Angewohnheit, bei einer Tasse Kaffee bei Starbucks durch die Bilder zu scrollen. Was mit der Gefahr verbunden ist, in einem Anfall von Ordnungswahn Fotos zu löschen, die ansonsten vielleicht wirkliche Schmuckstücke wären und nur auf dem kleinen Monitor unwürdig aussehen. All das, genau wie Rache, sollte am besten am Ende des Tages kalt in Lightroom genossen werden.
Die M-D ist für mich massgeschneidert. Ich kann sie wie eine Film-Kamera benutzen, sie fühlt sich ebenso geschmeidig an, dennoch ist sie günstiger im Gebrauch und gibt schnelle Ergebnisse, etwas, was wichtig ist, um einen Blog wie diesen zu betreiben.
Leica M-D mit 50mm Elmar (Mike Evans)
Obwohl ich also Film und meine alten Leicas liebe, ist die neue M-D prädestiniert, meine „überall-mit-hin“ Kamera zu werden. Adam dagegen ist ein reiner Film-Benutzer, er hatte mit Leicas neuester und traditionellster Kamera, der M-A, einen schönen Flirt.
Über die Streifzüge in Londons Southbank und nach Oxford ist auf Macfilos bereits berichtet worden, aber unser analog-digital-Treffen fand zuerst statt. Warum? Adam musste die Filme erst entwickeln…
Adam:
Bevor ich mich direkt in den Review der M-A stürze, sollte ich erwähnen, dass meine Hauptkamera eine „Double-Stroke“- („Doppelschwung“-) M3 ist, davor war es für einige Jahre eine M4, die ich dann verkaufte. Da ich also keine Erfahrung mit anderen Modellen habe, bitte ich, mir die kommenden Vergleiche zu den beiden Kameras zu verzeihen, aber ich denke, sie sind zutreffend, da das Design der M-A offenbar hauptsächlich durch die M3 und M4 inspiriert wurde.
Nur das unbedingt Notwendige
Die M-A ist in der Tat eine auffallend schöne Kamera. Unser Testmodell war eine traditionelle Chrom-Version, ummantelt mit dem bekannten Vulkanit. Sie hat ein Ganz-Metall-Gehäuse mit soliden Deck- und Bodenplatten aus Messing. Der Schriftzug auf der Deckplatte ist den Gravierungen auf der M3, M2 und M4 nachempfunden. Ebenso wie bei Mikes brandneuer M-D war es Leicas Ziel, alles bis auf das unbedingt Notwendige wegzulassen.
Leica M-A und 50mm „festes“ Summicron (Adam Lee)
Erfrischenderweise ist die M-A frei von Schaltkreisen, der erfahrene Fotograf kann sicher sein, dass es keine Ausflüchte gibt: Wie auch immer die Umstände, wie schlecht auch das Wetter, diese Kamera macht das Foto. Es besteht kein Zweifel, dass Leica auf seine Kunden gehört hat, die M-A ist eine sorgsam destillierte Essenz aus den praktischen Qualitäten und den stilistischen Eigenheiten sowohl der M3 als auch der M4.
Innendrin protzt die M-A mit einem Schnelllade-System, das mit der M4 kam, hat aber trotzdem den eleganteren, vertikalen, geriffelten Rückspulknopf der M2 und M3. Das erste Merkmal, praktisch, das zweite, schick. Die M-A besitzt den üblichen, solide konstruierten, federgetriebenen Gummituch-Schlitzverschluss, der ein Garant für diskretes, akkurates Fotografieren ist. In dem reflexarmen Sucher mit 0.72x Vergrösserung finden sich die Rahmenlinien in Paaren zu 28/90, 35/135 und 50/75mm, je nach angesetztem Objektiv.
Leica M-A und 50mm „festes“ Summicron (Adam Lee). Dieser Knabe erkannte die M-D sofort und wollte sie begutachten.
Das Messfeld ist hell und wie die dazugehörigen Rahmenlinien leuchtend weiss, anders als der gelbliche Ton der älteren Kameras. Obwohl ich mir gut vorstellen kann, dass dies in Low-Light-Bedingungen hilfreich ist, kann ich mit dem gelblicheren Ton bei Tageslicht mehr anfangen, ich sehe damit perfekt auch bei wenig Licht. Das sind nur winzige Details, aber man muss sie herausstellen, weil die M-A schliesslich eine moderne Neuschöpfung eines legendären Kamera-Designs darstellt. Die Unterschiede dürfen nur minimal sein.
Leica M-A und 50mm „festes“ Summicron (Adam Lee), „Selfie“
Wie alle M-Gehäuse, die der M4 folgten, fehlt der M-A das Vorlaufwerk (der Selbstauslöser). Zweifellos freut sich darüber ein Großteil der Fotografen, weil sie es für eine Amateur-Sache halten, die einen zusätzlichen kleinen Hebel an der Stirnseite einer ansonsten minimalistischen Kamera erfordert. Ich persönlich mag das Vorlaufwerk und würde es etwas vermissen. Nicht nur, dass ich mich dabei erwische, mich bei Gruppenfotos dazuzustellen, sondern auch, weil ich bei langen, handgehaltenen Belichtungszeiten damit vermeide, das der Druck auf den Auslöseknopf ungewollte Erschütterung der Kamera erzeugt. Vielleicht ist das auch nur nützlich, wenn man mit einem Stativ arbeitet und ein externer Auslöser nicht zur Hand ist – eher unwahrscheinlich, dass man die Kamera für so etwas angeschafft hat. Also kaum der Erwähnung wert, diese Sache wird von den Wenigsten überhaupt vermisst.
M-A in Action
In Händen gibt einem die M-A das typische Leica-Gefühl, 578g schwer. Sie trifft die perfekte Mitte zwischen schwer genug, um sich solide anzufühlen, und dabei gleichzeitig Schmerzen im Arm zu vermeiden. Die M3 wiegt ähnliche 580g, die M4 etwas leichter mit 545g.
Leica M-A und 50mm „festes“ Summicron (Adam Lee)
Der „Ein-Schwung“-Filmtransporthebel hat denselben weiten Radius wie die anderen Leica M’s und erzeugt das übliche, leise, vertrauenerweckende Klick-Geräusch, wenn er in seine Ausgangsposition zurückgeht. Viele wird freuen, das er ebenso wie die M2- und M3-Hebel ganz ohne Plastik ist. Dies ist Ganz-Metall mit Messing-Deckel und -Boden und strömt Qualität aus. Der Transport bei der M-A fühlt sich an wie bei der M4, dagegen ist er bei der M3 merklich weicher und kontrollierter. Das ist eine Gefühlssache, die man selbst erleben muss. Dazu muss gesagt werden, meine M3 ist 59 Jahre alt, während die M-A brandneu und noch nicht eingefahren ist, um mal eine Phrase aus der Automobilwelt zu entlehnen.
Ein erfahrener Kamera-Ingenieur, mit dem ich sprach, versicherte mir, dass die Kamera mit der Zeit wie die früheren Modelle werden würde. Der Verschluss ist ebenfalls lauter als der der M3 (und der einer wunderschönen M4, die wir während unseres Ausflugs begutachteten), aber mir wurde von Leica versichert, dass dieser im Gebrauch mit der Zeit leiser wird. Die Verkaufsraum-M-A hat vermutlich weniger als hundert Auslösungen hinter sich, während die M3 und M4- Modelle schon zig-tausende zählen.
Fokussieren fällt leicht, das Messfeld ist kontrastreich und die Kamera präzise. Durchweg scharfe Aufnahmen, genauso komponiert, wie ich sie in den Rahmenlinien sah, waren die Regel. Insgesamt eine tolle Kamera, die wirklich Spass macht.
Ich klickte mich durch zwei Rollen Film mit der M-A. Einmal Ilford Pan F und ein FP4, beide bei ASA-Nennwert belichtet und halb-stehend in verdünntem Rodinal (1:100) entwickelt. Die Negative wurden dann mit meinem getreuen Epson V600 eingescannt und in Lightroom eingestellt. Der Pan F machte mir das Fotografieren auf der Strasse schwer, weil ich oft mit Blende f/2.8 arbeiten musste, um die notwendigen Belichtungszeiten von 1/125 oder schneller zu erreichen, was dazu führte, das die meisten scharfen Aufnahmen von der verbleibenden Rolle FP4 stammen.
Die Leica M-D mit dem 1963er „festen“ Summicron und die Leica M-A mit dem 50mm Elmar. Aufnahme von Adam mit seiner „Doppelschwung“-M3 und dem 50mm „dual range“ Summicron.
Eine dritte Sicht der Dinge
Bei der Gelegenheit zogen wir Hamish Gill von 35mmc.com hinzu, der sich eine M-A für den eigenen Gebrauch gekauft hat. Er stimmt im Grossen und Ganzen mit mir überein:
Ich benutze sowohl die M3 als auch die M-A und täte mich schwer, eine der anderen vorzuziehen. Die M3 fühlt sich für mich im Gebrauch weicher an. Der mechanische Filmtransport erscheint wie ein heisses Messer, das durch Butter fährt. Der Sucher ist ein wunderbares Teil, perfekt für 50mm-Bildkomposition und vorteilhaft bei 90 oder gar 135mm, weil die zusätzliche Sucher-Vergrösserung bei den langen Brennweiten beim genauen fokussieren hilft.
Andererseits vermittelt die M-A ein etwas mehr mechanisches Gefühl beim Filmtransport. Nicht so weich wie bei der M3, aber für mich mechanisch noch präziser, nicht so gedämpft von Schmiermitteln. Ich habe keine Ahnung, ob dieser Gedanke an Schmierung der Realität entspricht, aber wenn ich die Kameras nebeneinander vergleiche, ist es das, was ich empfinde. Dazu ist die geringere Vergrösserung des Suchers ideal für die Benutzung von weiten Objektiven. Dank des hellen Messfelds gelingt das fokussieren ebenso gut mit lichtstarken oder längeren Brennweiten, wenn ich auch zugeben muss, dass mir die M3 im tatsächlichen Gebrauch etwas mehr Zuversicht vermittelt.
Leica M-A und 50mm „festes“ Summicron (Adam Lee)
Abschliessende Gedanken
Die M-A ist nicht gedacht für die, die ihre ersten Schritte in das Leica-M-System tun wollen, es ist für die, die eine echte Film-Leica brandneu erwerben und vielleicht ein ganzes Leben lang behalten möchten. Heutzutage ist es selten, irgendeine Film-Kamera neu zu erstehen und zu besitzen. Leica macht dies seinen Kunden möglich, dabei veredeln sie die Kamera stolz im Gehabe ihrer Modelle aus der „goldenen Ära“.
Mit 4050 Euro ist sie nicht gerade billig, aber sie ist auch nicht billig gebaut. Nüchtern betrachtet ist es mehr oder weniger der gleiche Preis, den meine M3 in den 50ern gekostet hätte. Und sie funktioniert mit der üblichen untadeligen Präzision, die man von einer Leica erwarten kann. Zudem beinhaltet sie die „magische“ Technologie des auswechselbaren Sensors, die in sich selbst eine Altersversicherung darstellt: Kleinbildfilm. Wer eine mit grösster Präzision handgefertigte Luxuskamera will, die die ersten fotografischen Schritte mit begleitet, dann ist die M-A eine gute Wahl, die sogar die Generationen überdauert. Was mich betrifft, ist meine M3 bei mir.
Hier der Originalartikel auf Macfilos
Übersetzt von Claus Sassenberg