Januar 2019: Ein aktueller Blog-Beitrag über Invarianz findet sich hier.

In den letzten Jahren tauchen immer mehr Sensoren auf, die „ISO-Invariant“ sind. Prominentes Beispiel ist der Sensor der Sony A7RII, überhaupt scheint das für mehrere neuere Sony Sensoren zuzutreffen, daher sind auch einige Nikon-Modelle „Invariant“. Aber auch Fuji ist dabei, mit nahezu allen X-Kameras, allen voran die XT-1, XE-1 und XE-2 wie auch die X100. Canon übrigens nicht.

Aber was zur Hölle ist Invarianz? (Engl. Invariancy=Unveränderlichkeit)

Bei den klassischen Sensoren wurde zur Erhöhung der ISO-Zahl mehr Strom durchgejagt. Die Empfindlichkeit nahm zu, Dynamik und Signal zu Rauschen-Verhältnis leider ab. Die Folge: Ausgewaschene Bilder im Schneesturm.

Ein „Invarianter“ Sensor hingegen wird immer gleich angesteuert, bleibt also bei der nativen ISO. Bei Erhöhung der ISO-Einstellung der Kamera wird die RAW-Datei von der kamerainternen Software in der Belichtung angehoben, mit entsprechenden Auswirkungen auf Rauschen und Dynamik.

Aber kann die begrenzte Kapazität der Kamerasoftware das so gut?

Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Antwort ist nein! Ziehe ich die gleiche Datei in Programmen wie z.B. Lightroom hoch, ist der Rauschlevel niedriger oder wenigstens gleich bei besserer Rückgewinnung der Highlights und Farbdynamik.

Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist: Bei Low-Light-Fotografie die ISO-Zahl niedrig lassen und gnadenlos unterbelichten, später die RAW-Datei in Lightroom hochziehen. Bei der Sony A7RII bis zu 6 Blendenstufen (EV). Hammer!

Allerdings darf man jetzt nicht den Trugschluss ziehen, dass Invariante Sensoren per se besser sind. Sie verhalten sich nur anders. Die Qualität der Sony-Sensoren rührt mehr von deren extrem niedrigen Rauschverhalten her. Desgleichen ist es auch nicht so, dass die „hochgezogenen“ Bilder unbedingt den bei hoher ISO gemachten Bildern entsprechen. Je nach Lichtbedingungen sind da Unterschiede, ggf. können die Schatten leiden und bis zu 1 Blendendstufe verlieren. Man sollte es also nicht auf die Spitze treiben.

 Und – hey – wer’s noch nicht gecheckt hat – das gilt natürlich nur, wenn man Dateien im RAW-Format hat. Die JPG’s sind und bleiben unterbelichtet…

Für diejenigen, die das gleich ausprobieren wollen und einen elektronischen Sucher haben, könnte sich die Schwierigkeit ergeben, dass sie ein sehr dunkles Sucherbild haben, solange sie nicht die Belichtungsvorschau abschalten (wenn das denn geht). Darüber braucht man sich bei einem optischen Sucher keine Sorgen zu machen.

Aber was, so fragt sich jetzt der Leica-Shooter, kratzt mich das? Der Cmos- Sensor der M240 ist definitiv nicht invariant.   Es gibt so etwas wie partielle Invarianz, und es könnte sein, dass die M dazugehört. Selbst wenn ich mich irren sollte, beobachte ich bei allen meinen Low-Light-Aufnahmen, dass es günstiger ist, nicht so hohe ISO einzustellen und die DNG’s nachträglich hochzuziehen. Das hat dann nur etwas mit der Beherrschung und ggf. Wiederherstellung der Highlights zu tun.

Partielle Invarianz heisst übrigens, dass ab einer gewissen ISO-Zahl der Sensor nicht mehr höher angesteuert wird, sondern ab dann die Kamerasoftware die Raw Datei „hochzieht“. Bei der M könnte das irgendwo zwischen 1000 und 1600 sein. Es gibt schon lange ähnliche Überlegungen zur M9, die ich bereits 2013 in einem Tutorial „Hohe ISO bei der M9“ dargelegt habe.

All dies trifft nur zu, wenn man mit entsprechenden Belichtungszeiten aus der Hand fotografieren will. Die Nachtaufnahme vom Stativ, bei dem die Dauer der Belichtung keine Rolle spielt, sollte natürlich immer mit nativer ISO-Zahl gemacht werden (bei der M ist das ISO 200). Um mit den Highlights umzugehen, sollte man Belichtungsreihen machen, da man in der Regel vor Ort nicht entscheiden kann, welche Belichtung in Bezug auf Schatten und Highlights die ausgewogenste ist.

 

Die Invarianz der Sensoren kann allerdings Konsequenzen für die Tageslicht-Fotogerafie nach sich ziehen. Das bedeutet im Klartext: Wie wichtig ist da noch der Grundsatz „ETTR“? Er stammt aus einer Zeit, als Sensoren bei ISO-Erhöhung stark rauschten.

Darüber habe ich in einem Folgebeitrag zur Invarianz noch Überlegungen angestellt, die dieses Tutorial ergänzen.

Beispiel: Belichtungsreihe mit abnehmender ISO-Zahl bei der M 240

Invarianz Abendliche Szene in Vlotho

Ausschnitt 200%:

Leica M mit 21mm Super-Elmar asph. bei f/3.4 1/30sec ISO 6400  Leica M mit 21mm Super-Elmar asph. bei f/3.4 1/30sec ISO 3200  Leica M mit 21mm Super-Elmar asph. bei f/3.4 1/30sec ISO 1600  Leica M mit 21mm Super-Elmar asph. bei f/3.4 1/30sec ISO 800

Dass erste der vier Bilder ist mit ISO 6400 gemacht, dann folgen 3200, 1600 und 800. Alle Einstellungen in LR sind gleich, natürlich bis auf die Belichtung. Die Highlights wurden jeweils um 50% zurückgenommen. Keine weiteren Tonwertänderungen, keine Rauschunterdrückung! Weissabgleich identisch. Die 3200er Datei wurde um 1 EV angehoben, 1600er um 2EV und die 800er Datei um 3 EV.

Es zeigt sich bei (nahezu) gleichem Rauschverhalten eine bessere Dynamik und Wiederherstellung der Highlights, je weiter man die ISO-Zahl begrenzt (Zifferblatt der Uhr). Das Optimum liegt irgendwo zwischen 1600 und 800 ISO. Darunter treten in sehr dunklen Bildbereichen mehr und mehr Artefakte und Farbverschiebungen auf (z.B. grüner Farbstich im dunklen Bereich des 800er Bildes)

 

Für die Low-Light-Fotografie mit der Leica M 240 bedeutet das: ISO-Zahlen über 1600 vermeiden, stattdessen lieber unterbelichten! DNG’s in Lightroom später richtig einstellen. Aber Vorsicht! Das gilt nicht, wenn ganze Bildbereiche total dunkel sind! Dort stellen sich hässliches Rauschen und grünliche Artefakte ein! Dann lieber bei der „richtigen“ Belichtung bleiben.

Leica M mit 21mm Super-Elmar asph. bei f/3.4 1/25sec ISO 1600 Leica M mit 21mm Super-Elmar asph. bei f/3.4 1/25sec ISO 3200

Leica M mit 21mm Super-Elmar asph. bei f/3.4 1/25sec ISO 1600 Leica M mit 21mm Super-Elmar asph. bei f/3.4 1/25sec ISO 3200

Die beiden obigen Bilder haben die gleiche Blende und Belichtungszeit, aber das erste ist bei ISO 1600, das zweite bei ISO 3200 gemacht. Keine Rauschunterdrückung. Der 100%-Ausschnitt zeigt bei dem nachträglich in Lightroom um 1EV hochgezogenen ersten Bild deutlich bessere Farbe und mehr Detail in den Highlights. Man achte auf den oberen Teil der Lampe im Vordergrund oder die Details an der Tower-Bridge.

Wenn genügend Licht vorhanden ist, kann man auch Bilddateien unter ISO 800 bis zu 4-5 EV anheben! Dies ist allerdings suboptimal. Beispiel:

Leica M ( Typ 240) mit 50mm Summilux asph. bei f/1.4 1/45sec ISO 400 Bei ISO 400, 3,5 EV angehoben.

Leica M ( Typ 240) mit 50mm Summilux asph. bei f/1.4 1/45sec ISO 1000 bei ISO 1000, 2 EV angehoben

Leica M ( Typ 240) mit 50mm Summilux asph. bei f/1.4 1/45sec ISO 3200 bei ISO 3200, keine Belichtungskorrektur

Das zweite Bild ist vom Verhältnis Highlights zu Schatten am ausgewogensten. Bei keinem der drei Bilder wurde Rauschunterdrückung angewendet.

Praktische Einstellmöglichkeiten (für die M240, die M10 unterliegt anderen Bedingungen):

  1. Bei vorgewählter Blende feste Belichtungszeit einstellen (je nach erwarteter Bewegung und Brennweite), z.B. bei einem 35mm Objektiv 1/60 Sekunde oder noch viel kürzer, je nachdem, wie stark Bewegung im Bild „eingefroren“ werden soll. Dabei auf „Auto-ISO stellen, die ISO Zahl auf (sagen wir) 1600 begrenzen. Achtung: Bei den Optionen, wenn man den ISO-Knopf gedrückt hält, unbedingt bei „Auto-ISO im M-Modus“ „An“ einstellen! Bei immer gleicher Blende und Zeit ändert sich nun die ISO je nach Lichtverhältnissen. Stellt man die Belichtungskorrektur z.B. nach -1 EV, schont man die Highlights. Aber Vorsicht! Wenn es zu dunkel wird, bleibt die ISO natürlich beim begrenzten Wert stehen, bei weiter schwindendem Licht wird die Unterbelichtung zu stark. Man kann nicht 1600-ISO DNG’s ohne Ende hochziehen. Ab 2-3 Blendendstufen werden die Schatten megahässlich! Dann ISO, Blende oder Belichtungszeit rauf!
  2. Auto-ISO ebenso auf  1600 begrenzen, je nach erwarteter Bewegung Belichtungszeit auf 1/2XBrennweite oder 1/Brennweite einstellen, mit Zeitautomatik fotografieren. Problem: Wenn Die ISO Grenze erreicht ist, stellt die Kamera die Belichtungszeit trotzdem länger ein. Ärgerlich, wenn man Bewegung einfrieren will.
  3. feste ISO-Zahl einstellen (zwischen  1000 und 1600), Zeitautomatik benutzen und die Belichtungskorrektur 1-2 EV (Blendenstufen) nach unten korrigieren. Beispiel: Bei 1600 ISO und -1EV Belichtungskorrektur wird dann belichtet wie bei ISO 3200, die RAW-Datei später in Lightroom 1 EV hochziehen und – voilà: Bessere Highlights, bessere Dynamik. Aber: Gleiche Problematik wie bei Punkt zwei. Die Kamera stellt die Belichtungszeit trotzdem länger als gewollt ein, wenn die Grenze erreicht ist. Tritt nur etwas später ein, wegen der negativen Belichtungskorrektur.
  4. Beste Möglichkeit, sich von den Launen der Automatik zu befreien: Komplett manuelle Einstellung. Selbstverständlich kann man bei gleichbleibenden Bedingungen wie z.B. einem Saal mit Schummerbeleuchtung einfach Blende, Zeit und ISO fest einstellen und loslegen. Die genaue Belichtung wird später in Lightroom korrigiert.

Insgesamt ist die Logik immer, die ganz hohen ISO-Werte zu vermeiden, solange noch halbwegs genug Licht da ist und moderat unterzubelichten. Es hat keinen Zweck, wenn man bei 1600 ISO nachher 5 Blendendstufen hochziehen muss, das sieht abartig aus.

Wie auch immer…wenn man sich über diese Dinge im Klaren ist, kann man eigentlich trotzdem alles mit der M 240 machen. Manchmal muss man einfach ein bisschen mehr aufpassen, was man einstellt.